Sieg bei der Vendée GlobeEr war schon einmal der Schnellste – nun ist Charlie Dalin der König der Segler
Schon vor vier Jahren kam der Franzose als Erster ins Ziel der Vendée Globe – aber er durfte nicht gewinnen. Diesmal ging alles perfekt auf. Über einen Mann auf einer Mission.

- Charlie Dalin triumphiert an der Vendée Globe in Rekordzeit.
- Der Franzose setzte auf den Autopiloten, damit er sich auf anderes konzentrieren konnte.
- Der Erfolg ist für ihn eine Revanche nach dem verpassten Sieg vor vier Jahren.
- Das Segeln begeistert den Franzosen schon seit seiner Kindheit.
Der Franzose Charlie Dalin gewann am Dienstag in Les Sables-d’Olonne die 10. Vendée Globe und stellte mit einer Zeit von 64 Tagen, 19 Stunden, 22 Minuten und 49 Sekunden einen Rekord für die Einhand-Weltumsegelung auf.
Dalin war am 10. November in Les Sables-d’Olonne gestartet und überquerte die Ziellinie an der französischen Atlantikküste bei Sonnenaufgang um 8.25 Uhr, empfangen von einem Hupkonzert eines grossen Bootskorsos. Er führte während eines Grossteils des Rennens und gewinnt voraussichtlich einen guten halben Tag vor seinem Landsmann Yoann Richomme.
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Um zu verstehen, was Dalin alles durchgemacht hat, um bis hierhin zu gelangen, muss man einen Schritt zurück ins Jahr 2021 machen. Genauer: in jene eisige Nacht, in der er all diesen Menschen mit Masken – damals herrschte noch Pandemie – gegenüberstand und mit zerzaustem Haar und einem Blick, den man nicht so leicht wieder vergisst, versuchte, Worte für einen Sieg zu finden, der eigentlich keiner war.
Dalin geht schon an Land, als der Sieger noch auf See ist
Es war für ihn nicht einfach, damit klarzukommen, dass der erste Platz der Vendée Globe 2020/21 mit grösster Wahrscheinlichkeit an einen anderen Segler gehen würde, an einen Konkurrenten, der sich noch auf See befand, als Dalin in Les Sables-d’Olonne bereits an Land ging.
Damals ahnte der Skipper bereits, dass Yannick Bestaven, der einen mehrstündigen Umweg auf sich genommen hatte, um zu einem schiffbrüchigen Konkurrenten zu gelangen, als Sieger aus dem prestigeträchtigen Hochseerennen hervorgehen würde.
Geknickt sagte Dalin: «Ich kann noch nicht sagen, ob ich das Rennen gewinnen werde. Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiss, ist, dass ich die Ziellinie als Erster überquert habe – und das kann mir niemand nehmen, komme, was wolle.»
Hinter dem glatten, müden Lächeln fiel es ihm nicht besonders schwer, seine Frustration über den verpassten Sieg im Zaum zu halten. Dalin sind Regeln, Sitten und Traditionen wichtig. Er ist ein diskreter Mann, der keine hohen Wellen schlägt. Regeln sind da, um eingehalten zu werden.
Es stand ausser Frage, Bestaven vorzuwerfen, er habe ihm den Sieg «gestohlen». Schon bald vertiefte sich der ausgebildete Ingenieur in eine selbstkritische Analyse: «Wo, wie und wann verlor ich die zweieinhalb Stunden, die mir am Ende fehlten, um die Vendée Globe zu gewinnen?»
Ein Kind vom Land wird auf dem Wasser ganz gross
Ein Workaholic und Perfektionist – das beschreibt Dalin wohl am besten. «Auf den Stegen ist er nicht der beliebteste Segler», hört man oft. Der 40-jährige Familienvater sei nicht unsympathisch, nein, er sei einfach ein sehr zurückhaltender Mensch, voll auf seine Leistung fokussiert. Er sei nicht da, um das Rennen mit einem Bier in der Hand am Tresen der berühmten Bar La Base in Lorient, wo das Herz des Hochseerennsports schlägt, noch einmal durchzugehen. Dalin ist da, weil er Knoten gutmachen und Rennen gewinnen will.

Seit er mit sechs Jahren in einem Kurs auf der Halbinsel Crozon in der Bretagne das Segeln für sich entdeckte, lässt es ihn nicht mehr los. Aus einem Zufall könne manchmal eine Berufung entstehen, erzählt er: «Es war Liebe auf den ersten Blick. Bis dahin war ich in einem Umfeld aufgewachsen, das eher auf dem Land zu Hause war. Mein Vater war Tourmanager für Rockbands, meine Mutter kaufmännische Angestellte.»
Der Autopilot führt das Ruder
Vier Jahre nach seinem Beinahe-Triumph geht für Dalin nun alles perfekt auf. Bloss die Kälte ist noch gleich, Masken werden keine mehr getragen, die Pandemie ist eine ferne Erinnerung. Und auch als Mensch hat er sich verändert. Inzwischen kann er lockerer mit Dingen umgehen, die ihn früher in Rage versetzt hätten. Ein Charlie Dalin 2.0, der vielleicht ein wenig menschlicher, aber auch schonungsloser geworden ist.
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Über Schwächen redet er nie. Auf seinem Boot läuft immer alles gut, es geht gut voran, es wird gut gegessen und gut geschlafen. Und Dalin ist nicht nur schnell, ihm scheint zum Missfallen seiner Gegner auch alles unglaublich leichtzufallen.
Der französischen Zeitung «Libération» gestand er vor einigen Tagen, dass er das Ruder seines Foilers der letzten, zum Gewinnen entwickelten Generation seit dem Start kein einziges Mal berührt habe. Er liess den Autopiloten das Ruder führen, um sich besser auf alles andere konzentrieren zu können – den richtigen Kurs, die richtige Einstellung, das richtige Segel.
Von klein auf ein begeisterter Segler
Das Rennen des Skippers aus Le Havre war beinahe makellos, was alles andere als ein Zufall ist. Seit seinen ersten Runden auf einem Optimist-Boot wollte der junge Charlie immer besser werden. Am Esstisch mit seinen Eltern benutzte er Messer und Gabel, um Windrichtungen und geeignete Winkel für sein Serviettenboot zu simulieren. Schon früh füllten Poster mit Seglern von damals die Wände seines Zimmers. Regattasegler – das war es, was er werden wollte.

Nach dem Gymnasium ging er nach Southampton, um dort eine Ausbildung zum Schiffsbauingenieur zu absolvieren. Dort eignete er sich das Know-how an, das ihm bis heute beim Bau seiner eigenen Rennboote von Nutzen ist.
Nach seinem Abschluss stand sein Weg fest: Er wurde Mitglied des Zentrums für Hochseerennsport Pôle Finistère, wo die besten Hochseespezialisten für Einhandfahrten aufeinandertreffen. An der Solitaire-du-Figaro-Regatta machte er sich einen Namen, als er fünfmal in Folge auf dem Podest stand.
«Die Revanche war fällig»
Innerhalb von zehn Jahren wurde Dalin zu einer der wichtigsten Figuren der Imoca-Regatta, bei der die berühmten Einrumpfboote der Vendée Globe gegeneinander antreten. Egal, ob Rennen oder Transatlantikregatta – immer scheint ein Podestplatz für ihn reserviert zu sein. Dieses Mal musste er nur noch auf den Platz klettern, der ihm vor vier Jahren unter den Füssen weggerutscht war. «Bei diesem Rennen will ich eine Revanche», warnte er, bevor er volle Kraft voraus in seine siegreiche Weltumsegelung startete.
Die bemerkenswerte Zeit von wenig mehr als 65 Tagen beweist sein Können – es sind fast zehn Tage weniger als die Bestzeit, die Armel Le Cléac’h vor acht Jahren aufgestellt hatte.
Ist er bereit, sich dem Menschen- und Journalistenmeer zu stellen? Dalin fühlt sich auf dem 50. südlichen Breitengrad bei 45 Knoten Wind zweifellos wohler als vor den Medien. Doch diejenigen, die ihn kennen, finden, der Mann mit dem einprägsamen Blick habe sich verändert. «Letztlich ist alles nur halb so schlimm, es ist nur ein Spiel», sagt er und reitet auf der Erfolgswelle des Hochseerennsports.
Aus dem Französischen übersetzt von Marina Galli
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