Film «Challengers» im KinoEin verschwitzter Dreier neben dem Tennisplatz
Zwei Kumpel buhlen um die Gunst einer Frau, später stehen sie sich auf dem Tennisplatz gegenüber: «Challengers» hat fast alles, was Dramen über Sex und Freundschaft brauchen – aber etwas fehlt.

Da sitzen sie nun, die zwei Teenagerjungs. Beste Freunde, zusammen im Hotelzimmer, weit weg von zu Hause. Mitten in der Nacht warten sie auf das schöne Mädchen, das sie eben auf der Party gemeinsam angesprochen und eingeladen haben. Sie schmachten die Traumfrau schon länger an, sind beide latent verknallt. Was bislang kein Problem war, weil sie völlig unerreichbar zu sein schien, wenig mehr als eine erotische Theorie.
Jetzt trinken die zwei sich mit Dosenbier Mut an. Merken langsam selbst, dass die Aktion nicht ganz zu Ende gedacht war. Wie soll das bloss ausgehen? Und dann klopft es an der Tür.
Es startet wie in einem Porno
Man hätte eine fantastische Exposition für einen höherwertigen Porno daraus machen können. Zu sehen bekommen wir die Szene im Hotel als handlungstreibendes Modul eines neuen Tennisfilms. Das hätte man schon daran ablesen können, dass das Hotelzimmer, in dem in den folgenden Minuten noch einiges Unerhörtes passieren wird, in Flushing, New York, liegt. Um die Ecke vom weltberühmten 24’000-Zuschauer-Stadion, in dem jeden September das US Open gefeiert wird.
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Also: heiliger Boden für die zwei Tennisjunioren Art und Patrick, die besagten Jungs. Und für Tashi, die nächtliche Besucherin, das angebetete Mädchen, das mit 18 von Adidas hofiert wird und als Champion der Zukunft gilt. Und natürlich für Luca Guadagnino, den italienischen Meisterregisseur, der Schnulzen jeder Art gern bis an den Rand der Transgression dirigiert.
Die Dreieckskonstellation und die jungen Körper, der Sportschweiss und die enorme Metapherndichte an diesem Ort kommen für ihn wie ein himmlischer Segen zusammen, um daraus seinen neuen Film «Challengers» zu machen.
Die meisten kennen Guadagnino für seine wundervolle Romanze «Call Me by Your Name». Wie sehr ihn auch weiterhin der Topos der Jugend beschäftigt, der humanistische Zentralwiderstreit zwischen Trieb und Sittlichkeit, zwischen Ruf der Natur und moralischer Vernunft, zeigte er 2022 in letzter Konsequenz mit «Bones and All». Da schickte er ein unerträglich gut aussehendes Menschenfresserpaar auf Staubstrassen quer durch den Mittleren Westen der USA.
Zwei Männer, einmal vor dem Abgrund, einmal im Hoch
Gemessen daran ist Tennis ein schon reichlich abgegriffenes Symbol für die gesammelten Dialektiken des Lebens. In einigen Büchern des grossen Schriftstellers Martin Amis war dieses Bild zentral, David Foster Wallace liess uns in «Unendlicher Spass» zwischen dem Romantext und seinen fast 400 Anmerkungen hin- und herblättern.
In Guadagninos «Challengers» erledigen die ständigen Rück- und Vorausblenden diesen Job, ab und zu vielleicht etwas aufdringlich. Erst geht es per Vorhand drei Jahre in die Zukunft, dann kommt der Topspin Richtung vorgestern. Und wieder zurück.
Der wichtigste Zeitsprung: 13 Jahre nach dem schicksalhaften Hotelereignis stehen sich die zwei Freunde wieder gegenüber, als Matchgegner auf dem Platz. Patrick (gespielt von Josh O’Connor, dem Charles aus der dritten und vierten «The Crown»-Staffel) ist nicht weit gekommen, muss vor Turnieren im Auto übernachten und der Réceptionistin den halben Frühstücksbagel abschwatzen, weil seine Kreditkarte nicht mehr geht. Art dagegen (Mike Faist, eventuell bekannt aus Steven Spielbergs «West Side Story») wurde zum Topstar und Werbeträger, dessen Karriere allerdings gerade durchhängt.
Tashi (allgegenwärtig und das kommerzielle Hauptargument für den Film: Generation-Z-Megaqueen Zendaya) ist inzwischen seine Ehefrau und Trainerin. Um all die kunterbunten Abgründe zu durchleuchten, die das unerwartete Wiedersehen der drei Freunde heraufbeschwört, reichen dem Film seine über zwei Stunden gerade so.
Aura der Schauspieler reicht nur für Netflix
Denn, man kann es sich fast denken: Die Glorie und der Starappeal des Sports interessieren Regisseur Guadagnino wirklich gar nicht. Es ist ein eher trostloses Turnier, bei dem wir hier zu Gast sind. Die vielen Zufälle, die Tashi, Art und Patrick im Finale zusammenführen, braucht der Plot dringend, damit er die alten Konflikte dieser Figuren auf die Spitze treiben kann, um die sich alle jahrelang herumlaviert haben: Hassliebe, soziale und sexuelle Konkurrenz.
Die unausgesprochene homoerotische Spannung zwischen den Männern, die mit allerhand Phallussymbolen hantieren und den Kampf um die Frau eher als Stellvertreterschauplatz bespielen. Und die ernsthaft knifflige Frage, wie man im Leben den anderen gewinnen lässt, ohne dass der die Absicht dahinter erkennt.
Vieles davon wird in Gesprächen in diversen Hotellobbys erörtert, in Raucherecken, Schnellimbissen, Collegekantinen, Wohnheimzimmern und Autositzen. «Challengers» hat über weite Strecken die Struktur einer ausstattungsedlen Soap Opera.
Was an sich kein Problem wäre, wenn die Darstellerinnen und Darsteller es schaffen würden, diesen Dialogen etwas mehr Leben, Virtuosität und emotionale Mehrschichtigkeit zu schenken. Es könnte ein Stück kulturpessimistische Autosuggestion sein, aber an vielen Stellen dieses Films glaubt man, deutlich zu spüren, wie ungenügend ein für die Netflix-Mattscheibe völlig ausreichendes Stellungsspiel sein kann, wenn man es ins Kino verlegt.
Es wird erstaunlich wenig gebumst
Die drei Helden von «Challengers» sind wunderschön, man versteht bestens, warum sie aufeinander stehen. Trotzdem ist ihre Aura über weite Strecken schlicht zu schwach, um die grosse Leinwand so zu füllen und zum Leuchten zu bringen, wie es nötig wäre. Abgesehen davon, dass hier – für einen so explizit als sexy vermarkteten Film – schon erstaunlich wenig gebumst wird.
Richtig grosses Kino ist dann die Schlusssequenz. Gern würde man ausführlich über sie sprechen, aber man würde mit jedem Wort zu viel verraten. Man kann daher nur raten: Bleiben Sie bis zum Ende. Auch wenn «Challengers» spätestens im dritten Satz wie ein ausgesprochen zähes Finale aussieht.
Challengers – Rivalen, USA 2024 – Regie: Luca Guadagnino. Buch: Justin Kuritzkes. Kamera: Sayombhu Mukdeeprom. Mit: Zendaya, Josh O’Connor, Mike Faist. Warner Bros, 128 Minuten. Seit 25. April 2024 im Kino.
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