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Überraschende Personalentscheide
Cassis sägt Spitzendiplomaten ab

2019 feierten sie noch: Aussenminister Ignazio Cassis (Mitte) und Botschafter Yves Rossier (rechts) eröffnen mit dem russischen Aussenminister Sergei Lawrow die neue Schweizer Botschaft in Moskau.
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Nicht einmal zwei Monate nach der Absetzung des EU-Chefunterhändlers Roberto Balzaretti sorgen im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) weitere Personalentscheide für Aufsehen. Die EDA-Spitze hat bei der diesjährigen Botschafter-Rochade mehrere ihrer profiliertesten Diplomaten übergegangen oder zurückgestuft.

Wie jedes Jahr werden auch diesen Spätherbst zahlreiche Diplomaten auf neue Posten versetzt. Zwei erste Tranchen dieser Versetzungen hat der Gesamtbundesrat am 14. Oktober und am 25. November auf Antrag von Aussenminister Ignazio Cassis abgesegnet. Kommuniziert wurden diese Entscheide bisher nicht, doch dieser Zeitung verfügt dazu über zuverlässige Informationen. Wie Recherchen zeigen, sorgt ein Teil dieser Personalentscheide für Erstaunen und teilweise für beträchtlichen Unmut – im EDA selber, aber auch in anderen Departementen.

Der prominenteste der betroffenen Diplomaten ist Yves Rossier. Von 2012 bis 2016 war der heute 60-jährige Freiburger selber Chefdiplomat im EDA im Range eines Staatssekretärs, dann wurde er Botschafter in Moskau. Dass Rossiers Amtszeit in Russland Ende 2020 ausläuft, ist seit langem bekannt. Seine Nachfolgerin Krystyna Marty Lang wurde schon vor über einem Jahr ernannt. Doch Rossiers Zukunft ist auch jetzt, nur wenige Woche vor dem Stabwechsel in Moskau, weiter in der Schwebe. Der Ex-Staatssekretär soll nun zunächst nach Bern zurückkehren und sein Ferienguthaben abbauen, erst später soll er eine neue Funktion erhalten: Das war alles, was Cassis seinen Bundesratskollegen am 25. November zu Rossier mitteilte.

Riga statt London?

Rossier hatte sich dem Vernehmen nach für den Botschafterposten in London interessiert – so wie auch Urs Bucher, derzeit Botschafter in Brüssel. Die britische Hauptstadt war für Schweizer Diplomaten in der diesjährigen Rochade einer der Jackpots. Seit dem EU-Austritt ist Grossbritannien für die Schweizer Aussenpolitik viel wichtiger geworden.

Diesen Londoner Jackpot gewinnt nun Markus Leitner, der bisherige Botschafter in Teheran. Urs Bucher darf immerhin nach Tel Aviv. Rossier hingegen soll – so heisst es im Bundeshaus – in einer nächsten Versetzungsrunde in die lettische Hauptstadt Riga geschickt werden, einen der politisch marginalsten Posten von ganz Europa. Diese Information ist bis jetzt nicht offiziell bestätigt. Falls es tatsächlich dazu kommt, wäre es eine geradezu spektakuläre Rückstufung für einen ehemaligen Staatssekretär.

Mit viel EU-Erfahrung nach Nordafrika: Spitzendiplomat Alexandre Fasel.

Auch der Fall von Alexandre Fasel gibt inner- und ausserhalb des EDA zu reden. Der 59-jährige Spitzendiplomat galt EDA-intern als Topfavorit für die Schweizer Mission in Brüssel. Fasel bei der EU, «das wäre logisch gewesen», urteilt ein EDA-Mitarbeiter, der selber nicht betroffen ist von der diesjährigen Rochade. Fasel hat die Brexit-Verhandlungen so eng verfolgt wie sonst kaum jemand in der Schweiz – eine Erfahrung, die auch bei den Schweizer Verhandlungen mit der EU um das Rahmenabkommen hätte nützlich sein können.

Doch statt in der EU-Politik mitzuwirken, soll Fasel nun in der nächsten Versetzungstranche nach Kairo versetzt werden, ein Ort, wo vieles zählen mag, aber sicher keine Brexit-Erfahrung. Den Botschafterposten in Brüssel – den zweiten Jackpot der diesjährigen Rochade - bekommt die 51-jährige Rita Adam, derzeit Botschafterin in Rom.

Beinahe Strafversetzungen

Im EDA gibt noch mindestens ein weiterer Fall zu reden. Er betrifft ein respektiertes Mitglied des diplomatischen Korps, das überdurchschnittlich viel Erfahrung in der Friedensdiplomatie hat – und sich dabei über die Schweiz hinaus profiliert hat.

Dieser Person hat die EDA-Zentrale nun als mögliche neue Wirkungsstätte die Botschafterposten in Haiti und Kirgistan angeboten: Für einen Diplomaten mit diesem Profil sind das beinahe schon Strafversetzungen. Namentlich Haiti ist politisch und diplomatisch völlig unbedeutend; die dortige Botschaft macht fast ausschliesslich Entwicklungshilfe.

Mehrere erfahrene Schweizer Diplomaten werten diese Entscheide im Gespräch mit dieser Zeitung als Affront der EDA-Spitze gegenüber verdienten Leuten. Für sie zeigen die Vorgänge, dass profilierte Diplomaten mit einer eigenen Meinung im Departement zunehmend marginalisiert würden.

Die Kritiker erinnern dabei an andere Fälle in jüngerer Vergangenheit: etwa an Mirko Manzoni, der 2019 in Moçambique einen Friedensvertrag zwischen Rebellen und Regierung vermittelt hatte, einen der grössten Erfolge der Schweizer Diplomatie in vielen Jahren. Statt dies mit einem attraktiven Posten zu honorieren, wollte das EDA Manzoni im diplomatisch wenig interessanten Kuba parkieren. Manzoni kündigte und bekam einen Spitzenposten bei der UNO (lesen Sie hier mehr darüber).

«Kein Wunschkonzert»

Andere Stimmen im EDA erwidern diesen Kritikern, Botschafter-Rochaden seien nun mal «kein Wunschkonzert». Es gebe im EDA viele gute Leute, und die Zahl der Topjobs sei beschränkt. Diese Stimmen weisen darauf hin, dass bei den periodischen Versetzungen halt nie alle Interessen und Neigungen berücksichtigt werden könnten. Selbst ein Diplomat, der Chinesisch könne, habe keine Garantie, jemals in China arbeiten zu können.

Die EDA-Medienstelle äussert sich inhaltlich nicht zur Rochade. Die Ernennung von Botschaftern würden jeweils erst mit der Erteilung des sogenannten Agréments durch den Gaststaat wirksam. «Erst ab diesem Zeitpunkt sind sie offiziell und können kommuniziert werden.»

Sie darf nach Brüssel: Rita Adam, derzeit noch Schweizer Botschafterin in Rom.