Gräueltaten in der Ukraine Cassis muss sich für Schweizer Reaktion auf Massaker in Butscha erklären
Berlin spricht von «Kriegsverbrechen», Bern von «Geschehnissen». Ist das angemessen? Politiker sind uneins. Der Bundespräsident muss nun Fragen in der Kommission beantworten.
Das Massaker in der Stadt Butscha nahe Kiew löst weltweit Bestürzung aus, so auch in Deutschland und der Schweiz. Die offiziellen Reaktionen der beiden Länder unterscheiden sich jedoch. Eine unabhängige internationale Untersuchung liegt noch nicht vor. Für Annalena Baerbock steht aber jetzt schon fest, wer verantwortlich ist: «Putins hemmungslose Gewalt löscht unschuldige Familien aus und kennt keine Grenzen», schreibt die deutsche Aussenministerin auf Twitter. Die Verantwortlichen für diese «Kriegsverbrechen» müssten zur Rechenschaft gezogen werden. (Kommentar zum Thema: Ein Fall für das Kriegsverbrechertribunal)
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Anders die Schweiz. Das Aussendepartement von Ignazio Cassis verzichtet in seiner Stellungnahme auf den Ausdruck «Kriegsverbrechen»: «Die Berichte aus Butscha lassen schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht befürchten.» Diese «Geschehnisse» bedürften dringlich einer unabhängigen internationalen Untersuchung. Das EDA vermutet also lediglich schwere Verstösse, und anders als Baerbock nennt es weder Putin noch Russland als Täter.
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Für die Wortwahl seines Departements wird sich Bundespräsident Cassis erklären müssen. Heute und morgen tagt die Aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrats, teils in Anwesenheit des Aussenministers, die Stellungnahme des EDA wird Thema sein, wie APK-Präsident Franz Grüter auf Anfrage sagt.
Wie Nachfragen zeigen, gehen die Meinungen unter Aussenpolitikern auseinander. Für Nationalrat Eric Nussbaumer (SP) zeigt die Tonalität der Stellungnahme die «aktuelle Not der Schweizerischen Aussenpolitik: isoliert, allein – geopolitisch aus der Zeit gefallen». Mitte-Präsident Gerhard Pfister erwartet, dass der Gesamtbundesrat «klarere und deutlichere Worte findet zu den Kriegsverbrechen» als das EDA.
SVP-Politiker Grüter hingegen hält die Reaktion des Aussendepartements für angemessen. Zwar kann er nachvollziehen, wenn man das Wort «Verstösse» als zu weich taxiert, wie dies nun in den sozialen Medien gemacht wird, begleitet von teils harscher Kritik an Cassis. Doch das EDA habe erstens von «schweren Verstössen» geschrieben, so Grüter. Und zweitens stehe dieser Ausdruck auch für Verbrechen und Rechtsbruch, sei also klar. Grüter ist – wie andere Exponenten der SVP – zuletzt als «Putin-Versteher» in die Kritik geraten; er selber fühlt sich falsch wiedergegeben.
Auch FDP-Ständerat Damian Müller zeigt Verständnis für das EDA. Er spricht von einer «unmissverständlichen» Stellungnahme: «Die aktuelle Kriegsführung hat gezeigt, dass jede Nachricht und Information genau beurteilt werden muss.» Für andere Exponenten von Cassis’ Partei scheint der Fall dagegen klar zu sein. FDP-Chef Thierry Burkart schreibt auf Twitter, die Bilder aus Butscha seien ein weiterer Beleg für schwere russische Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in der Ukraine.
Das EDA hat zu den Vorwürfen bisher noch keine Stellung genommen.
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