Nach WahlniederlagenParteispitze der deutschen Grünen tritt geschlossen zurück
Der Vorstand der deutschen Grünen zieht die Konsequenzen aus den jüngsten Wahlniederlagen. Ricarda Lang und Omid Nouripour treten ab.
Die Spitze der deutschen Grünen zieht nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Wahlen personelle Konsequenzen. Die Co-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour gaben in Berlin den Rücktritt des gesamten Parteivorstandes im November bekannt.
Ursache für den Rücktritt sind vor allem die desaströsen Ergebnisse bei gleich drei Landtagswahlen in Folge. In Thüringen und Brandenburg flogen sie aus den Parlamenten. (Lesen Sie dazu auch: Fünf Lehren aus der Wahl)
«Es braucht einen Neustart. Das ist die tiefste Krise unserer Partei seit einer Dekade», sagte Nouripour bei einer Pressekonferenz. «Wir übernehmen diese Verantwortung.»
«Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen», sagte auch Lang. Auf der Plattform X schrieb sie, dass es nicht nur um die Partei, sondern um das Schicksal des Landes gehe: «Wir stehen vor einer Bundestagswahl im nächsten Jahr, bei der es entscheidend darum gehen wird, welchen Weg Deutschland für die nächsten Jahre und Jahrzehnte einschlägt, welches Land wir sein wollen.» Sie und Nouripour würden Verantwortung übernehmen, im besten Sinn der Partei zu handeln, schrieb Lang weiter.
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Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Monat waren die Grünen in Brandenburg und Thüringen aus dem Landtag geflogen, in Sachsen überwanden sie die Fünf-Prozent-Hürde nur sehr knapp. In allen drei Bundesländern hatten sie zuvor mitregiert.
In nationalen Umfragen waren die Grünen zuletzt erstmals seit Jahren wieder unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen. Bei der Europawahl im Juni hatten sie deutschlandweit enttäuschende 11,9 Prozente geholt – nach mehr als 20 Prozent bei der Wahl 2019.
«Das Wahlergebnis in Brandenburg ist das Zeugnis der tiefsten Krise dieser, unserer Partei seit einer Dekade», sagte Nouripour am Mittwoch weiter. Es sei notwendig, diese Krise zu überwinden – und auch möglich. Aber: «Dafür braucht es Veränderung.»
«Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen»
Lang und Nouripour waren Ende Januar 2022 zu Co-Vorsitzenden gewählt worden. In der Partei sind sie relativ beliebt. Dass zwischen ihnen – anders als bei manchen Vorgängern – keine Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten zu spüren waren, rechnen ihnen viele Grünen-Mitglieder hoch an.
Schon am Montag hatte Nouripour relativ resigniert geklungen. Er sprach von einer bitteren Niederlage in Brandenburg und zeigte sich zugleich konsterniert über den Zustand der «Ampel»-Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
«Der grosse Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen, und das glaubt mir auch niemand mehr, wenn ich das sage», hatte er nach Beratungen des Parteivorstands gesagt. «Wir machen unsere Arbeit, wir versuchen, das Land nach vorne zu bringen und fühlen uns auch an den Koalitionsvertrag, an das, was miteinander vereinbart worden ist, gebunden», sagte der Grünen-Chef. «Aber das ist es auch dann.»
In der Koalition in Berlin stellen die Grünen fünf Ministerinnen und Minister, Wirtschaftsminister Robert Habeck ist zugleich Vizekanzler. In Baden-Württemberg gibt es den einzigen grünen Ministerpräsidenten (Winfried Kretschmann). Wegen ihrer jüngsten Wahlniederlagen schrumpft das Gewicht der Grünen auf der Ebene der Bundesländer.
Habeck: Schritt zeugt von Weitsicht
Habeck sagte zum Rücktritt des Parteivorstandes: «Dieser Schritt zeugt von grosser Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang.»
Habeck sagte weiter: «Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind.» Die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst. «Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.»
Parteitag im November
Die Grünen wollen im Herbst entscheiden, ob sie bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken oder nur mit einem Spitzenkandidaten antreten. Voraussichtlich fällt die Entscheidung vor dem Bundesparteitag, der Mitte November in Wiesbaden stattfindet. Nachdem Aussenministerin Baerbock gesagt hatte, dass sie diesmal nicht an der Spitze stehen will, läuft alles auf Habeck hinaus.
Dem wahrscheinlichen Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck sagte Baerbock ihre Unterstützung zu. «Auf seinem Weg und dem kommenden Parteitag werde ich ihn mit aller Kraft und ganzem Einsatz unterstützen», sagte sie. «Gemeinsam, und nur gemeinsam, können wir Grüne eine starke Stimme in Deutschland und für Deutschland in Europa und der Welt sein.» Baerbock war 2021 die erste grüne Kanzlerkandidatin, das Wahlergebnis von 14,8 Prozent blieb deutlich unter den Erwartungen.
AFP/DPA/aeg/oli
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