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Mehr Strom nötig
Subventionen für erneuerbare Energien bis 2050

Solarzellen wie auf dem Lac des Toules im Wallis sollen den Strombedarf der Schweiz im Winter besser abdecken helfen.
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Knapp 1,2 Milliarden Franken pro Jahr zahlen Konsumenten in der Schweiz für die Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Mit den Programmen ist allerdings 2023 Schluss für Biogas, Wind und Geothermie, ab 2030 auch für Solaranlagen, Holz und Wasserkraft. So zumindest steht es im aktuellen Energiegesetz, das 2017 nach einem harten Abstimmungskampf mit 58 Prozent Ja angenommen wurde und seit zwei Jahren in Kraft ist.

Nun will der Bundesrat das Gesetz anpassen, um die Subventionen bis mindestens 2035 ausrichten zu können. Am Freitag hat er die Vernehmlassung eröffnet. Damit in der Schweiz mehr in erneuerbare Energien investiert werde, benötige die Strombranche Planungssicherheit und bessere Investitionsanreize, begründet der Bundesrat die Vorlage. Er will den Markt besser spielen lassen. Die bisherigen Einspeisevergütungen fallen weg. An deren Stelle sollen Investitionsbeiträge fliessen. Für grosse Solaranlagen werden Beiträge über Auktionen festgelegt. Schliesslich will er doppelt so viel Geld als heute für Investitionsbeiträge an Grosswasserkraftwerke zur Verfügung stellen.

Die Ziele um 50 Prozent verschärfen

Die Pläne erzürnen Christian Wasserfallen. «Man hat das Volk schlicht angelogen», sagt der Berner FDP-Nationalrat. «Die Warnungen, dass die Subventionen ewig verlängert werden, wurden leider ignoriert.» In der Tat gleist der Bundesrat schon jetzt eine mögliche Verlängerung der Förderprogramme bis 2050 auf. Er muss laut Gesetz Massnahmen vorschlagen, wenn dieses seine Ziele nicht zu erreichen droht. Die Messlatte will Umweltministerin Simonetta Sommaruga im Zuge der Revision deutlich höher legen. Sie hat dem Bundesrat abgerungen, dass statt Richtwerten im Gesetz verbindliche Ziele festgeschrieben werden sollen.

Neu rechnet der Bundesrat auch mit einem viel grösseren Elektrizitätsbedarf, weil die Schweiz im gleichen Zeitraum klimaneutral werden soll, was den Stromverbrauch erhöht. Nun prüft das Bundesamt für Energie, wie sich im Jahr 2050 der Jahresverbrauch der Schweiz mit einheimischen erneuerbaren Energien decken liesse. «Erste Abschätzungen zeigen, dass der Zielwert 2050 auf dieser Grundlage in der Grössenordnung 50 Prozent höher ausfallen dürfte als der bisherige Wert», hält der Bundesrat fest.

Die Jahresproduktion von Strom aus neuen erneuerbaren Energien sollte demnach bis 2050 nicht auf mindestens 24,2, sondern auf rund 36 Terawattstunden steigen. Aktuell sind es 2,7. Zum Vergleich: Das Potenzial mit Solarzellen an Schweizer Hausdächern und an Fassaden beläuft sich laut Bundesamt für Energie auf 67 Terawattstunden. FDP-Nationalrat Wasserfallen hält solche Ziele für unrealistisch, die Schweiz importiere einfach ständig mehr Strom: «Jetzt ist endlich die Versorgungssicherheit anzugehen, sonst werden wir vollends abhängig vom Ausland.»

Absehbar ist damit, dass die Pläne des Bundesrats in der FDP Diskussionen auslösen werden. FDP-Ständerat Damian Müller ist aber überzeugt, dass die Mehrheit sich für einen Ausbau der erneuerbaren Energien aussprechen wird. «Die Sensibilität unserer Partei für die Klimapolitik wird auch hier durchschlagen. Mit dem CO2-Gesetz werden wir den Energieverbrauch senken. Und mit dem Energiegesetz sorgen wir dafür, dass mehr sauberer Schweizer Strom produziert wird.» In welcher Höhe dafür weitere Subventionen fliessen müssen, sei noch genau zu betrachten. «Wichtig ist, dass die Wirkung stimmt», sagt Müller.

Für die Grünen genügen die Vorschläge des Bundesrats hingegen nicht. Sie forderten am Freitag «ein Energiewende-Impulsprogramm» mit mehr Mitteln für die erneuerbaren Energien. Die Strombranche reagiert vorsichtig positiv. «Wir begrüssen klare Rahmenbedingungen für die Förderung der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien», sagt Claudia Egli, Kommunikationsleiterin des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. «Im Detail werden wir die Vorlage nun prüfen.»

Liberalisierung scheidet die Geister

Zur Umstellung auf erneuerbare Energiequellen soll auch ein neues Stromversorgungsgesetz beitragen. Der Bundesrat hat am Freitag bekräftigt, den Markt öffnen zu wollen. Künftig sollen auch Privathaushalte ihren Stromlieferanten frei wählen können. Sie dürften aber in der Grundversorgung mit staatlich administrierten Preisen bleiben – wo nur noch einheimischer Strom aus erneuerbaren Energien erlaubt wäre. Bisher hat die Strombranche diese Einschränkung abgelehnt.

Auch andere Rahmenbedingungen soll das Gesetz verbessern. Besitzer von Solaranlagen etwa könnten überschüssigen Strom im Quartier verkaufen, statt ihn ins Netz speisen zu müssen, Energiegemeinschaften würden möglich. Energieministerin Sommaruga soll nun bis 2021 eine Vorlage präsentieren, in welcher die wichtigen Details dazu geregelt werden.

Positiv ist in der Strombranche angekommen, dass der Bundesrat die Versorgungssicherheit verbessern will. Die Produzenten sollen künftig für zusätzliche Reserven entschädigt werden. Zudem behält sich der Bundesrat vor, inländischen erneuerbaren Strom speziell zu fördern, falls sich eine Stromlücke im Winter abzeichnet – etwa mit Beiträgen an neue Wasserkraftwerke und Solaranlagen im Gebirge. «Wir schätzen, dass der Bundesrat erstmals einen klaren Fokus auf die Stromproduktion im Winter setzt», sagt Branchenvertreterin Claudia Egli.

Gegen die Öffnung des Strommarkts sprechen sich die Gewerkschaften aus. Die Konsumenten profitierten davon nicht, vielmehr würden die Investitionen in erneuerbare Energien gefährdet. Die Strombranche habe wegen der Corona-Pandemie ganz andere Sorgen. «Jetzt eine Strommarktöffnung anzukündigen, ist verfehlt und kann nur als Provokation aufgefasst werden», schreibt der Gewerkschaftsbund.