Medienkonferenz des BundesratsBundesrat Berset lanciert Tracing-App
Der Gesundheitsminister informierte in Bern über weitere Entscheide der Regierung zum Coronavirus. Wir berichteten live.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Schweizer Corona-Warn-App kann ab Donnerstag landesweit genutzt werden.
- Der Bundesrat hat am Mittwoch die Verordnung über das Proximity-Tracing-System für das Coronavirus verabschiedet.
- Die freiwillige Anwendung soll helfen, Infektionsketten zu unterbrechen.
Bilanz der Medienkonferenz
Der Bundesrat will eine zweite Corona-Welle mit allen Mitteln verhindern. Er setzt neu auf kostenlose Tests, deren Resultate schneller vorliegen sollen. Am Donnerstag wird zudem die Corona-Warn-App offiziell lanciert.
Die Fallzahlen seien momentan zwar mehr oder weniger stabil, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Bundeshausmedien. Er warnte aber: «Die Lage ist fragil." Das zeige auch der Blick ins Ausland.
Berset appellierte an die Disziplin der Bevölkerung: «Bitte halten sie sich weiterhin an die Regeln.» Es sei absolut notwendig, dass sich viele testen liessen, auch bei leichten Symptomen. Es brauche ein Engagement von allen.
Schnellere Testergebnisse
Die Kosten sollten dabei kein Hinderungsgrund mehr sein. «Wir haben die Situation korrigiert», sagte Berset. Ab sofort solle niemand einen Corona-Test aus finanziellen Gründen ausschlagen. Ab Donnerstag übernimmt der Bund die Kosten.
Das gilt allen voran für Tests von symptomatischen Personen sowie für Personen, die nachweislich in Kontakt mit einem Covid-19-Fall hatten. Kantonsärztinnen und Kantonsärzte können auch entscheiden, dass asymptomatische Personen getestet werden, «wenn dies für eine Ausbruchsuntersuchung und -kontrolle gerechtfertigt ist».
Wichtig sei, dass Personen, die auf ihr Testergebnis warten, in der Zwischenzeit zu Hause in Quarantäne bleiben, sagte Stefan Kuster, der neue Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Labore seien dazu angehalten, die Ergebnisse so schnell wie möglich vorzulegen. Berset betonte, dass es punkto Geschwindigkeit der Testergebnisse noch «Effizienzspielraum» gebe.
Weitere Millionenkredite gesprochen
Den klassischen Corona-Test vergütet der Bund mit einer Pauschale von 169 Franken. Wenn ein Test nur auf Verlangen der betroffenen Person erfolgt, trägt die Patientin oder der Patient die Kosten selbst. Wenn ein Arbeitgeber einen Test verlangt, muss dieser für die Kosten aufkommen.
Die Kosten für serologische Tests übernimmt der Bund nur auf ausdrückliche Anordnung des Kantonsarztes. Serologische Tests werden derzeit vom BAG noch nicht empfohlen. Der Bundesrat sieht für den Antikörpernachweis eine Pauschale von 113 Franken vor.
Insgesamt spricht der Bundesrat für die Übernahme der Corona-Tests weitere Zusatzkredite im Umfang von 288 Millionen Franken für das Jahr 2020. Das Parlament soll diese in der Herbstsession behandeln. Für 2021 stellte Berset weitere Kredite in Aussicht.
Erwerbsersatz erst nach Bestätigung
Als Hilfsmittel für die die klassische Kontaktverfolgung (Contact Tracing) soll die Swiss-Covid-App dienen. Diese kann ab Donnerstag landesweit genutzt werden. Der Bundesrat verabschiedete am Mittwoch die entsprechende Verordnung. Die freiwillige und kostenlose Anwendung in neun Sprachen soll helfen, Infektionsketten zu unterbrechen.
Mit der Swiss-Covid-App für Mobiltelefone werden Benutzer gewarnt, falls sie engen Kontakt mit einer infizierten Person hatten. Bundesrat Berset empfahl der Bevölkerung, das technische Hilfsmittel zu benützen.
Wer sich nach einer Warnung auf Anordnung eines Arztes oder einer Behörde in Quarantäne begeben muss, hat Anrecht auf den Corona-Erwerbsersatz. Wer sich aber nach einer Kontaktmeldung der App freiwillig in Quarantäne begibt, ohne dass dies von einer Behörde oder einem Arzt oder einer Ärztin angeordnet ist, erhält diese Entschädigung nicht.
Grenzüberschreitende Anwendung
Sicherheitsbedenken rund um die App hat der Bundesrat keine. Die Anwendung sei eingehend auf die Sicherheit und die Benutzerfreundlichkeit getestet worden, hiess es. In der Pilotphase zählte der Bund 180'000 Donwloads und 160'000 aktive Nutzer. Insgesamt seien während der Testphase 81 Meldungen eingegangen, davon hätten 11 den Programmcode betroffen. Es seien dabei keine Meldungen eingegangen, die als kritisch oder systemrelevant hätten beurteilt werden müssen.
Dereinst soll es auch möglich sein, die Swiss-Covid-App mit ausländischen Apps zu verbinden. «Wir sind im Austausch mit den Nachbarstaaten auf der technischen und der regulatorischen Ebene», sagte Sang-Il Kim vom BAG. Man versuche, gemeinsam mit den EU-Staaten eine Vereinbarung zu finden, möglichst noch im Sommer.
Ende der Medienkonferenz
Nach einer Stunde ist die Medienkonferenz von Berset und dem BAG zu Ende. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frage: Gab es während der Testphase keinen positiven Fall?
Sang-Il Kim vom BAG sagt, dass es während der Testphase der Tracing App keinen Alarm gegeben habe. Berset sagt noch dazu, dass man sich bewusst sein müsse, nur zwei Prozent der Bevölkerung die App in der Testphase heruntergeladen hätten.
Frage: Ein neuer Appell?
Ein Journalist fragt den Innenminister, ob ‹Lassen Sie sich testen›, ein neuer Appell sei. «Wir sind in einer Situation, in der wir hoffen, dass die Pandemie sich nicht ausweitet. Es ist aber wichtig, dass sich eine Person schon bei leichten Symptomen sich testen lassen soll», erklärt Berset.
Maskenpflicht in den Kantonen?
Genf plant eine Maskenpflicht im ÖV zu erlassen, ist dies zulässig? Das will ein Journalist von Bundesrat Berset wissen. Die kantonale Maskenpflicht sei zulässig, sagt der Gesundheitsminister. Am Besten sei es, wenn Kanton und Bund dies gemeinsam absprechen.
Laut Berset hat man gesehen, dass im ÖV kaum Masken getragen werden. Genau dort sei es eben äusserst wichtig, eine Maske anzuhaben.
Frage: Was halten Sie vom möglichen Alleingang des Kantons Genf?
Berset: «Genf plant ja, eine Maskenpflicht im ÖV zu erlassen. Das ist zulässig. Aber am besten ist es, wenn Genf und der Bund sich absprechen. Und es wäre gut, wenn Genf dies auch mit den anderen, anliegenden Kantonen besprechen soll.»
Frage: Hätte man nicht gewisse Bereiche beim Bund belassen sollen?
Berset sagt dazu: «Für uns als Bundesrat ist es wichtig, dass wir das Epidemie-Gesetz korrekt umsetzen. Nach einer gewissen Zeit haben wir ja flächendeckend Massnahmen durchgeführt. Aber das Ziel muss sein, wieder zu einer gewissen Normalität zurückzukehren.» Deshalb hätten jetzt auch die Kantone wieder gewisse Befugnisse.
Frage: Bei Symptonen schnell testen lassen?
Stefan Kuster vom BAG empfiehlt folgendes: «Wenn der Hausarzt nicht erreichbar ist, soll man sich schnell an öffentliche Stellen und Zentren wenden.»
Frage: Bald internationale Verbindung mit App?
Sang-Il Kim vom BAG sagt dazu, dass man dazu in Verbindungen mit EU-Staaten stehe. Er hofft, dass dies noch im Sommer der Fall sei.
Wir erklären die App
Frage: Wann gibt es eine Entschädigung für den Erwerbsausfall?
Der Gesundheitsminister sagt: «Es braucht auf jeden Fall eine offizielle Anordnung des Kantonsarztes, sich in Quarantäne zu begeben. Nur so wird der Erwerbsausfall bezahlt.»
Frage: Dauert es nicht zu lange, bis man die Testresultate erhält?
Berset sagt, dass das tatsächlich noch ein Problem sei. «Wir haben diesbezüglich eine Verbesserungspotenzial. Wir dürfen nicht vergessen: Diese Situation ist neu. Wir müssen aber aufpassen, denn im Herbst werden wieder andere Viren sich melden.»
Kuster vom BAG ergänzt: «Wir versuchen die Resultate aus den Labors zu beschleunigen. Wichtig ist aber, dass einer Person, die auf ihre Testresultat wartet, in der Zwischenzeit in Quarantäne bleibt.»
Frage: Warum werden serologische Tests nicht empfohlen?
Berset: «Serologische Tests zeigen nur im Nachhinein, wie viele Menschen sich mit dem Virus infiziert haben. Das ist zweitrangig, falls eine zweite Infektionswelle droht.»
Frage: Wie hoch ist die Testkapazität?
Stefan Kuster vom BAG sagt: «Wir können heute bis zu 15'000 Tests pro Tag durchführen. Wenn nötig, können wir noch hochfahren.»
Frage: Wer muss bezahlen bei Tests?
Ist ein Test gratis, wenn die App sagt, dass man Kontakt mit einem Infizierten hatte?
Jene Person, die diesen Code erhält, muss sich dann bei den entsprechenden Stellen melden. Dann werde entschieden, ob ein Test notwendig sei und ob man in Quarantäne müsse. «Dieser Test wird dann vom Bund bezahlt», erklärt der Bundesrat.
180'000 App-Downloads in Testphase
Sang-Il Kim vom BAG erklärt auf eine Frage, wieviele Downloads in der Testphase stattgefunden hätte, dass es total 180'000 Downloads gegeben hätte. Die Anzahl Menschen, die die App nutzen ist nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass sie die richtigen Menschen nutzen. Das sind solche, die viel unterwegs sind und mit vielen unbekannten Personen in Kontakt kommen.
Fragen: Wieder mehr Fälle - sind Sie beunruhigt?
Bei den neuen Coronavirus-Fällen in der Schweiz gibt es kein einheitliches Muster. Neuansteckungen würden über die ganze Schweiz verteilt gemeldet, sagt Stefan Kuster, der neue Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Es gebe einzelne Ansammlungen von infizierten Personen, aber keine eindeutige «Cluster». Betroffen seien teils Familien und einzelne Betriebe. Der Grossteil der Fälle verteile sich aber über das ganze Land. In gewissen Fällen wisse man, wo sich die Leute angesteckt hätten, in anderen Fällen nicht.
In der Schweiz und in Liechtenstein waren die Corona-Fallzahlen leicht angestiegen. Am Mittwoch sind innerhalb eines Tages 44 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus gemeldet worden. Insgesamt gab es bisher 31'376 laborbestätigte Covid-19-Fälle. Am Dienstag wurden 22 Fälle gemeldet, am Montag 18. Bisher starben in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein gemäss BAG 1682 Menschen, die positiv auf Covid-19 getestet worden waren.
Lesen Sie hier auch das Interview mit Stefan Kuster.
Frage zur Anzahl App-Nutzer
Die Anzahl Menschen, die die App nutzen ist nicht so wichtig, sagt Dr. Kim Sang-Il vom Bund. Wichtiger ist, dass sie die richtigen Menschen nutzen. Das sind solche, die viel unterwegs sind und mit vielen unbekannten Personen in Kontakt kommen.
Der Appell an die Solidarität
Der Gesundheitsminister appelliert an die Solidarität der Bevölkerung. «Die Hygienemassnahmen sowie die Abstandsregeln werden auch in den nächsten Monaten gelten.» Er empfiehlt allen, eine Maske zu tragen, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann. Berset denkt da an den ÖV.
Tracing App kommt
Berset sagt noch, dass der Bund keine Kosten für allfällige Verdienstausfälle übernehmen werde. Nun auf Deutsch sagt Berset: «Die Swiss-Covid-App wird ab morgen starten können. Der Bundesrat hat diese Verordnung heute unterschrieben. Wir sind in einer guten Situation, aber die Lage ist immer noch fragil. Wir müssen alles tun, um den Wiederanstieg von Fällen zu verhindern.»
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