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Kehrtwende nach Lonza-Debakel
Bund prüft Einstieg in staatliche Impfstoffproduktion

Bundesrat Alain Berset besuchte Mitte Januar gemeinsam mit Modernas Europa-Chef Dan Staner die Impfstofffertigung bei Lonza in Visp VS. 
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Jetzt also doch: Nachdem Bundesrat Alain Berset lange abgestritten hatte, dass es eine Notwendigkeit für eine staatliche Impfstofffertigung gäbe, folgt nun die Kehrtwende. Der Bundesrat hat gestern das Innendepartement damit beauftragt, «zu prüfen, in welcher Form der Bund die Herstellung und Entwicklung von Covid-19-relevanten Arzneimitteln inklusive Impfstoffe in der Schweiz stärken kann.» Das Wirtschafts- und das Finanzdepartement sollen dabei mitwirken.

Dem Vernehmen nach steht der Prozess noch ganz am Anfang. Vorschläge sollen bis Mitte Juni vorliegen. Aus dem Finanzministerium verlautete, dass man nun auf die Vorschläge hierzu von Bersets Departement warte.

Chronik einer Polemik

«Es gibt enge Kontakte mit den Herstellern, bei uns funktioniert das ganz leicht», sagte Berset am Mittwoch vor den Medien – ganz so, als ob es die Polemik um Lonza und eine mögliche Staatsbeteiligung an der Impfstoffproduktion nie gegeben hätte.

Rückblende: Am 10. März hatte diese Zeitung publik gemacht, dass Lonza-Präsident Albert Baehny dem Bund im vergangenen Frühjahr den Vorschlag unterbreitet hatte, dass die Schweiz eine eigene Impfstofffertigung hätte haben können. Lonza fertigt im Auftrag des US-Biotechunternehmens Moderna den Hauptwirkstoff für den Covid-Impfstoff in seinem Werk in Visp VS.

Berset widersprach: «Es war nie eine Frage, eine Produktionsanlage zu kaufen. Es wäre auch nicht möglich gewesen, Zugang zur Impfung von Moderna zu erhalten, indem wir mit Lonza verhandeln», hatte der Bundesrat an einer Medienkonferenz erklärt.

Die Aufregung war riesig, bürgerliche Parlamentarier drohten mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission und sprachen von einer verpassten Chance.

Überraschende Wende

Dann kam eine unerwartete Wende, denn Lonza-Präsident Baehny widersprach Berset in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag»: Er habe an einer einstündigen Sitzung am 1. Mai 2020 mit Bundesvertretern sehr wohl angeregt, dass der Bund sich mit 60 Millionen Franken eine eigene Produktionslinie für den Moderna-Impfstoff in Visp sichern könnte. Das sei «eine Option unter anderen denkbaren Möglichkeiten» gewesen, die er in den Raum gestellt habe, so Baehny.

In einem weiteren Interview mit der SRF-«Rundschau» machte Baehny dann aber einen Teilrückzieher: «Ich möchte leicht korrigieren. Ich habe gefragt: Ist der Bund allenfalls interessiert, in Kapazitäten zu investieren?», sagte der Lonza-Präsident. Und selbst bei einer Beteiligung an einer Fertigungsstrasse hätte der Bund nicht automatisch Zugriff auf die Impfstoffe gehabt, denn die gehören ja Moderna. Baehny zeigte sich aber überzeugt, dass Moderna damals an einer solchen Möglichkeit interessiert gewesen wäre.

Mittlerweile reden Baehny und Berset wieder direkt miteinander. Das erste Gespräch nach dem grossen Hickhack fand vergangenen Donnerstag statt. Und nun verkündet der Bundesrat, dass der Bund die Idee einer staatlich geförderten Fertigung von Arzneimitteln vertieft prüfen soll. Lonza machte zum Stand der Gespräche mit dem Bund auf Anfrage keine Angaben.

Impfstoffe im Visier

Letztlich dürften sich die Beratungen über eine staatlich geförderte Produktion primär um Impfstoffe drehen. Denn es gibt kaum wirksame Medikamente, die gegen eine Covid-Infektion helfen, bei denen der Bund helfen könnte, die Produktion auszubauen.

Ein vielversprechender Ansatz, um schwere Verläufe zu mildern, sind die neuen Antikörpertherapien, etwa von Roche und Regeneron. Doch diese eignen sich nicht für den Masseneinsatz, alleine wegen der hohen Kosten und der aufwendigen Produktion.

Ein Sprecher von Roche erklärte, dass zunächst geklärt werden müsste, wie viele Dosen der Antikörpertherapie der Bund wirklich haben wolle, bevor man über die Frage einer allfälligen staatlich geförderten Ausweitung der Produktion nachdenke.

Sorge vor Mutationen

Sogar FDP-Vertreter haben sich offen für die Idee einer staatlichen Impfstofffertigung offen gezeigt. Angesichts des massiven politischen Drucks in der Frage glauben Kenner der Materie daher nicht, dass Bersets Departement die Prüfung dieser Frage zu einer Alibiübung macht.

Die Pandemie ist lange nicht vorbei; zudem steht die Gefahr im Raum, dass Mutationen des Covid-Virus den Impfschutz umgehen könnten. Auch um für zukünftige Pandemien gewappnet zu sein, könnte eine staatlich finanzierte Impfstoffproduktion auf Schweizer Boden Element einer Vorsorgeplanung sein.

Sicher ist nur: Die Debatte darüber nimmt mit der Ankündigung des Bundesrates vom Mittwoch erneut Fahrt auf.