TV-Kritik: Dokfilm über Büne HuberDem Huber hats den Hafer wieder aufgerichtet
Zwei Jahre lang hat SRF den Frontmann von Patent Ochsner begleitet. Und sich an der Entschlüsselung der so charakterhaften Melancholie des Berners versucht.
- Ein neuer Dokumentarfilm zeigt viele persönliche Momente von Patent-Ochsner-Frontmann Büne Huber.
- Regisseur Matthias Lüscher beleuchtet Hubers Melancholie und seinen metaphorischen Stil.
- Der Film beschäftigt sich mit Höhen und Tiefen in Hubers Leben.
Haber, sagt Huber und setzt den Pinsel ab, er meint Hafer, aber sagt, in der wunderbaren, sehr puristischen berndeutschen Entsprechung, eben Haber: Dieses Getreide jedenfalls, das habe eine tolle Eigenschaft. Andere Stauden würden im Sturm knicken, der Haber aber, der lege sich nieder, warte, bis der Sturm vorüber sei – und richte sich wieder auf.
Das muss man ihm lassen, dem 62-jährigen Hanspeter «Büne» Huber aus Bern-Bümpliz: Das mit den Metaphern hat er inzwischen so gut drauf, dass er sie nur noch anzudeuten braucht und sie ihm auch mal beim Pinseln an der Leinwand zufliegen, einfach so.
Der ewige Klimmzug nach der Meta-Ebene
Zwei Jahre lang hat Regisseur Matthias Lüscher den Sänger der Berner Band Patent Ochsner mit der Kamera begleitet und dabei die Huber’sche Nachdenklichkeit, dieser unaufhörliche Klimmzug nach der Meta-Ebene, dankbar aufgenommen, um nicht zu sagen: zusätzlich inszeniert. Nach fünf Minuten wird philosophiert, nach zehn Minuten geweint, es ist etwas gar schnell etwas gar viel.
Das wird Huber, einerseits, natürlich gerecht. Vom «Metaphernschlosser» war im Zusammenhang mit dem Künstler, der in seinen Anfängen noch ein Metallbauer war, schnell einmal die Schreibe, als er mit seinen verspielten Texten in den frühen 90er-Jahren die damals vergleichsweise noch nüchterne Welt des Mundartrocks aufmischte. Zeitgleich wie Züri West zogen Patent Ochsner ins Land, wobei Huber im Vergleich mit dem fast gleich alten Kuno Lauener (63) immer der experimentellere, manche würden auch sagen: der schwülstigere, der beiden Dialektpoeten war.
W. Nuss gegen die «Sprache der ganz Nüchternen»
Nach der etwas überrumpelnden Eingangssequenz mit der Geschichte der zweiten grossen Liebe Hubers, seiner aktuellen Ehefrau Sue, führt der Film in gekonnter Manier durch Hubers wendefreudiges Leben. Lüscher besucht mit dem Sänger seine früheren Wohnungen. In der Lorraine lernte er den anderen Bandvater, den späteren Manager Christian Siegenthaler kennen, im Breitenrain schrieb er die «W. Nuss vo Bümpliz». Er sei ihm einfach so zugeflogen, dieser Song, der womöglich nicht in der «Sprache der ganz Nüchternen» geschrieben sei, wie Huber schmunzelnd zugibt. In Münsingen erinnert er sich, man muss das an dieser Stelle in aller Derbheit wiedergeben, wie er jeweils «zum Scheissen» in den Hof schauen konnte, wenn er nicht gerade von den ersten Fans belagert wurde.
Natürlich ist der erfahrene Entertainer Huber ein überaus dankbares Subjekt vor der Kamera. Er ist, selbstredend – im Wortsinn! – ein begnadeter Causeur, interagiert mit allen, die den Filmemachern so vor die Kamera stolpern, Passanten, früheren Mietern, natürlich auch den eigenen Familienmitgliedern.
Man schaut hier einem Mann zu, der sich seit bald 40 Jahren in der Öffentlichkeit bewegt, sich damit auch kritisch auseinandersetzt, aber vielleicht manchmal selbst nicht mehr weiss, wann er jetzt auf Sendung und wann offline, wann er jetzt der Büne oder auf der Bühne oder ob das am Ende einfach alles ein und dasselbe ist.
Heisst in den Tod begleiten etwa mitsterben?
Schnitt. Wir stehen mit Huber wieder in seinem Atelier. Der Mann muss einen gewaltigen Output haben, überall stehen Bilder, Skizzen, Zeichnungen, das eine bedinge bei ihm das andere, sagt er, Musik und Kunst, aus dem Pinsel trieft gewissermassen die Melodie.
Er malt an einem Konterfei seines verstorbenen Freundes Walter Gysi. Den Wädu, erzählt Huber zeichnend, habe er durch lange Krankheit und bis in den Tod begleitet. Und weil Hubers Sohn Max, aus zweiter Ehe, meinte, begleiten heisse mitsterben, war er untröstlich, dass der Papa auch bald gehen müsse. Wie sowas ihm, der doch kommunikativ ein ganz Gewiefter sei, nur passieren könne, sagt Huber in einem der erwärmendsten Momente des Films.
Schnitt. Wir stehen im Kirchenfeldquartier, hier zog Büne Huber nach der Trennung von seiner ersten Frau hin. Die schwierigen Gefühle nach dem Aus der Ehe wuchsen sich im Berner Nobelquartier in eine handfeste Depression aus, die für den Dauerkreativen Huber auch eine monatelange Schaffenskrise mit sich brachte.
Zurück auf die Füsse fand er just, bevor er sich in seine heutige Frau verliebte. Und natürlich seien mit der neuen Liebe auch Zweifel hochgekommen, erinnert er sich, mit einer 17 Jahre jüngeren Partnerin, die junge Frau und der Kinderwunsch, nein, er könne doch nicht einfach so Herzen brechen. Aber er habe unterschätzt, wie heftig das aufwallende Gefühl war. Huber, der Romantiker: Es ist im Film, der ja durchaus private Seiten des bekannten Musikers zutage schürfen soll, ein etwas gar präsentes Motiv.
Alternde Rockstars schlucken im Proberaum Panadol mit Evian
Schnitt. Irgendwann sind wir, ganz gut macht sich das in einem Musikfilm, im Proberaum. Eben noch ist Huber hoch geflogen, durfte seine Bilder im Naturhistorischen Museum in Bern ausstellen, sich von Kabarettist Bänz Friedli adeln lassen («seine Kunst ist nie berechnend»), danach sieben Konzerte, natürlich alle ausverkauft, unter der Kirchenfeldbrücke spielen. Und jetzt schmerzt die Hand, im Proberaum schluckt Huber Panadol mit Evian, das entbehrt, als Rockstar im fortgeschrittenen Alter, nicht einer gewissen Ironie.
Huber muss sich schliesslich an beiden Händen den Karpaltunnel operieren lassen, ein aufwendiger Eingriff. Es wird eng mit dem Einspielen des neuen Albums, und man hat den Frontmann selber noch im Ohr, wie er ziemlich am Anfang des Films einmal sagt, dass diese Band jeden Abgang verkraften könne, ausser den von ihm selbst (zusammen mit Manager Siegenthaler).
Natürlich und zum Glück für Band und Film und Familie kommt alles gut. Im Juli 2024 steht Huber hinter der Hauptbühne des Gurtenfestivals, er tänzelt wie ein gut gelaunter Boxer, gleich geht es los, Freitagabend, ausverkauft, die ganz grosse Kiste. Dem Huber hats den Haber wieder aufgerichtet.
SRF «DOK»: «Kosmos Büne Huber», am Freitag um 20.10 Uhr auf SRF 2, danach auf PlaySuisse
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