Budget Stadt Zürich 2024Die Steuersenkung ist vom Tisch
Die Stadt hat ihr Budget – und ihren Steuerfuss. Trotz knapper Mehrheitsverhältnisse blieb die Überraschung beim Finanz-Showdown im Gemeinderat aus.
Zumindest auf dem Papier versprach der Steuer-Showdown im Zürcher Gemeinderat Spannung. Die Linke (keine Steuersenkung) gegen die Bürgerlichen (Steuersenkung), 63 Stimmen gegen 62 Stimmen. Eine Grippeerkrankung oder ein familiärer Notfall im links-grünen Lager hätte die Mehrheitsverhältnisse kippen können.
Doch die Überraschung im Showdown blieb aus, die Linke war (wie meistens) diszipliniert anwesend und wehrte den bürgerlichen Angriff ab. Die SVP forderte, dass der Steuersatz von 119 auf 112 Prozent gesenkt werde. FDP, GLP und Mitte/EVP forderten 116 Prozent.
Mit 62 zu 58 Stimmen versenkte die Ratsmehrheit auch die kleinere Steuersenkung.
Mit ein Grund, weshalb Rednerinnen und Redner von SVP, FDP, GLP und Mitte/EVP eine Steuersenkung forderten, war eine Besonderheit des Budgets 2024. Im kommenden Jahr wird die Stadt eine einmalige Rückzahlung von über 200 Millionen Franken vom Kanton erhalten, weil sie ihm zu viele Versorgertaxen für Heimpflegeleistungen gezahlt hatte. Dieser Riesenzustupf verbessert das Budget deutlich.
Die SVP machte es kurz
Die Bürgerlichen warfen dem rot-grün regierten Zürich «Masslosigkeit» vor. Përparim Avdili sagte, eine Steuersenkung sei möglich, wirksam und notwendig. Die vergangenen Jahre hätten es gezeigt, die Stadt könne sich eine Steuersenkung leisten und gleichzeitig noch Schulden abbauen. Er befürchtet unnötige Ausgaben und verglich die Stadt mit einer Person, die schon etwas angetrunken mit einem vollen Portemonnaie in einer Bar zu viel ausgibt. «Am Ende ist das Portemonnaie leer, und der Kopf schmerzt.» Ähnlich sah es GLP-Sprecher Sven Sobernheim, der von einer «Blockade» beim Steuerfuss sprach, dieser sei letztmals 2007 von 122 auf 119 gesenkt worden.
Und der SVP-Redner Johann Widmer machte es kurz: «Nehmt den Politikern das Geld weg, dann wird es in dieser Stadt viel besser.»
Die Linke hielt dagegen. «Bei den Steuern steht die Mehrheit für Stabilität und Verlässlichkeit», sagte Florian Utz, Co-Präsident der SP. Man sei mit dem aktuellen Steuerfuss gut gefahren. «Unsere Stadt ist auch mit diesem Steuerfuss attraktiv. Wir bieten sehr gute Leistungen an, zu einem moderaten Steuerfuss», sagte Utz. Steuersenkungen brächten dem Mittelstand nicht viel. Profitieren würden Wohlhabende und Unternehmen. Die Stadt habe bei den Gebühren und Wohnungspreisen Probleme, nicht aber bei den Steuern.
Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) stellte sich auf den Standpunkt, dass die Stadt zwar momentan genug Geld hätte, um die Steuern ein wenig tiefer anzusetzen. Aber es sei klüger, damit Schulden abzubauen. Insbesondere wenn die Zinsen stiegen, wie dies derzeit geschehe. Und: «Wir müssen auch weiter in die Attraktivität dieser Stadt investieren.»
Hickhack und Verzögerungen
Die linke Ratsseite setzte sich nicht nur beim Steuerfuss durch.
Über weite Strecken gelang es der rot-grünen Mehrheit, das Budget nach ihrem Gusto umzukrempeln. Sie sprach mehr Stellen für Schulen, hatte aber kein Ohr für den Wunsch nach weniger Bussen für Autofahrer oder mehr Taser für die Stadtpolizei. Sie verlangt 100’000 Franken für eine Studie, um die Schichtpläne und Arbeitsbedingungen bei den VBZ unter die Lupe zu nehmen. Einigkeit über die politischen Grenzen hinweg gab es bei der Schaffung einer Fachstelle zur Bekämpfung des Antisemitismus.
Links zeigte sich mehrheitlich zufrieden mit dem neuen Budget. «Es gab Höhen und Tiefen», sagte der Co-Fraktionspräsident der SP Florian Utz. Der froh darüber war, dass mehr Geld in die Wohnbauförderung fliesst, aber es bedauert, dass die Lehrlingslöhne nicht erhöht werden konnten.
Selina Walgis, Co-Präsidentin der grünen Fraktion, sprach aber von einem nicht zielführenden Hickhack in dieser Budgetdebatte. Auch innerhalb der Linken. Sie störte sich am gespielten Spiel: «Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die linkste Partei im ganzen Land?» Deshalb hätten die Grünen nicht alles von SP und AL mitgetragen. Sie freue sich aber vor allem, dass mehr Geld für die humanitäre Hilfe und für neue Bäume gesprochen wurde.
Gar keine Freude hat die Ratsrechte am Budget. FDP-Präsident Avdili verglich es mit einem Jet, der bestellt wurde, mit dem man dann an eine Klimakonferenz fliege. Er beschwerte sich auch bei der linken Ratshälfte, wegen des Verzögerns der Debatte am vergangenen Donnerstag. SP, Grüne und AL hatten die Debatte zwischendurch verzögert, weil eine Gemeinderätin der Grünen wegen eines geschäftlichen Termins zeitweise nicht teilnehmen konnte. Damit fehlten ihnen die 63 Stimmen, um Mehrausgaben zu genehmigen. Nur deshalb habe es eine neuerliche Budgetsitzung gebraucht, sagte Avdili.
Schlechtes Bauchgefühl bei der SVP
Ein schlechtes Bauchgefühl löste das Budget bei SVP-Fraktionschef Samuel Balsiger aus. Alle würden es doch spüren, dass sich der Rat Dinge kaufe, die er sich eigentlich nicht leisten könne. Das Budget sei aus dem Gleichgewicht. Innert zwei Jahren habe sich das Stadtzürcher Budget um 1,4 Milliarden auf rund 11 Milliarden erhöht. Es herrsche eine wiederkehrende Kostenexplosion. «Werden es in sechs Jahren 17 Milliarden sein?», fragte Balsiger.
Sven Sobernheim, Co-Fraktionspräsident der GLP, wurde etwas lauter in seinem Votum. Er habe das Gefühl, auf der Tribüne hätten SP-Hooligans gesungen: «Eine Stelle geht noch, eine geht noch rein.» Man habe sich selber übertrumpft mit der Schaffung von neuen Stellen. Ausser es gehe darum, mehr Stellen für Frontpolizisten zu schaffen, da breche dann die Unterstützung für mehr Stellen bei der Linken weg. Das leuchte nicht ein, sagte Sobernheim. Auch er kritisierte die Linke für ihre Verzögerungstaktik: «Insgesamt ist viel Zeit für wenig Veränderung aufgewendet worden.»
Budgetiertes Minus von 16 Millionen
Nach der Monsterdebatte, die sich über mehrere Sitzungen erstreckte, hiess es am Ende: Die Stadt Zürich budgetiert mit einem Verlust von 16 Millionen Franken – und das bei einem Aufwand von insgesamt 11 Milliarden Franken. Das ist 200 Millionen Franken besser, als Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) ursprünglich vorgesehen hat. Der Grund für diese riesige Verbesserung geht auf die hohe Einmalzahlung des Kantons zurück. «Alle übrigen Änderungen in dieser Debatte haben sich also gegenseitig aufgerechnet», sagte Finanzvorsteher Daniel Leupi.
Dem Budget stimmten alle Parteien ausser der FDP und der SVP zu (86 zu 34 Stimmen).
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