Trauerfeier für US-BürgerrechtlerKämpferischer Obama kritisiert Trump
Ex-Präsident Barack Obama hielt beim Abschied des bedeutenden Bürgerrechtlers John Lewis eine engagierte Rede und rief dabei zur Wahl auf.
Rund drei Monate vor den Wahlen hat der frühere US-Präsident Barack Obama in einer betont kämpferischen Rede seinen Nachfolger Donald Trump kritisiert und die Amerikaner zur Stimmabgabe aufgefordert.
«Wenige Wahlen waren in vielerlei Hinsicht so wichtig wie diese», sagte Obama am Donnerstag (Ortszeit) bei einem Trauergottesdienst für den am 17. Juli gestorbenen Bürgerrechtler und demokratischen Kongressabgeordneten John Lewis.
Das Land könne sich nur zum Besseren verändern, wenn sich auch alle in die Wahllisten eintragen liessen und im November abstimmten, sagte Obama, der Trump nicht namentlich erwähnte. Dieser hatte eine mögliche Verschiebung der Präsidentenwahl am 3. November ins Spiel gebracht. Kommentatoren bezeichneten Obamas rund 40-minütige Rede als eine der politischsten und engagiertesten seit dem Ende seiner Amtszeit.
«Wenige Wahlen waren in vielerlei Hinsicht so wichtig wie diese.»
Obama mahnte, auch die nachfolgenden Generationen dürften die Demokratie nicht als gegeben voraussetzen, sondern müssten für ihren Erhalt und Ausbau kämpfen. «Demokratie ist nicht automatisch, sie muss gepflegt werden», sagte Obama (58), der bislang einzige schwarze US-Präsident.
Lewis habe aus eigener Erfahrung gewusst, dass Fortschritt immer in Gefahr sei. Die Amerikaner müssten angesichts der «dunklen Strömungen» der eigenen Geschichte vorsichtig sein. Hass und Unterdrückung könnten wieder aufflammen, warnte er.
Standing Ovations von der Trauergemeinde
Das habe sich am Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz gezeigt und sei jüngst wieder in Portland zu sehen gewesen, wo Beamte des Bundes Tränengas gegen friedliche Demonstranten eingesetzt hätten, ergänzte Obama – und bekam stehenden Applaus der Trauergemeinde. Diese kam in einer Kirche in Atlanta zusammen, wo einst auch Martin Luther King predigte. «Wir sehen heute mit eigenen Augen, wie Polizisten auf den Nacken schwarzer Amerikaner knien», sagte Obama mit Blick auf den Tod Floyds.
«Die an der Macht tun ihr Äusserstes, um die Menschen vom Wählen abzuhalten.»
Der Demokrat Obama verurteilte auch Bemühungen der Republikaner, viele Menschen – und insbesondere die Angehörigen von Minderheiten – an der Stimmabgabe zu hindern. Die Versuche, die Wahlbeteiligung mit der Schliessung von Wahllokalen und anderen Tricks zu drücken, seien schändlich, sagte Obama. «Die an der Macht tun ihr Äusserstes, um die Menschen vom Wählen abzuhalten», sagte er. Zu den Wahlen hatte der 58-Jährige sich zuletzt auch in der ersten Folge des Podcasts seiner Frau Michelle Obama geäussert. In den USA hat eine höhere Wahlbeteiligung bislang meist den demokratischen Kandidaten geholfen.
Obama verteidigte auch die wegen der Corona-Pandemie wichtige Option, per Briefwahl abzustimmen, um die eigene Gesundheit nicht zu riskieren.
John Lewis’ letzte Worte: Protestiert und wählt!
In einem nach seinem Tod veröffentlichten Aufruf hat Lewis die Menschen ermahnt, weiter gegen Ungerechtigkeit zu protestieren und zur Wahl zu gehen. Das Wahlrecht sei das mächtigste gewaltfreie Mittel, sich in einer Demokratie für Veränderungen einzusetzen, heisst es in einem am Donnerstag von der «New York Times» veröffentlichten Meinungsbeitrag von Lewis.
Zur Wahl zu gehen sei der Schlüssel zum Fortschritt im Land, warb Lewis in seinem Appell für eine Beteiligung am demokratischen Prozess. Der Appell wurde auf seinen Wunsch hin am Tag seiner Beerdigung, rund drei Monate vor der Präsidentenwahl am 3. November, veröffentlicht.
Lewis schrieb, die jüngsten Proteste gegen Rassismus in den USA nach dem Tod von George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz hätten ihn tief bewegt. Er forderte die Menschen auf, Ungerechtigkeiten nie hinzunehmen, sondern dagegen zu protestieren. «Obwohl ich wahrscheinlich nicht mit Ihnen dort bin, fordere ich Sie auf, dem dringendsten Ruf Ihres Herzens zu folgen und für das aufzustehen, was Sie wirklich glauben», schrieb Lewis. Er habe in seinem Leben alles für den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Hass gegeben. «Jetzt sind Sie dran, die Freiheit hochzuhalten», schrieb Lewis.
Ex-Präsidenten würdigen Lewis als Helden
An der Trauerfeier für Lewis am Donnerstag in einer Baptistenkirche in Atlanta im Bundesstaat Georgia nahmen unter anderem neben Obama auch die früheren Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush teil. Sie würdigten den verstorbenen Politiker als einen der grossen Helden Amerikas. (Lesen Sie auch unseren Artikel «John Lewis – das Gewissen des US-Kongresses»).
Der republikanische Ex-Präsident George W. Bush sagte: «Wir leben heute wegen John Lewis in einem besseren Land.» Lewis habe allen Menschen beigebracht, «Hass und Angst mit Liebe und Hoffnung» zu beantworten, sagte Bush. Er fügte hinzu, er sei politisch nicht immer einer Meinung mit dem Demokraten gewesen, aber genau das mache die Grösse Amerikas aus, für die Lewis gekämpft habe.
«Wir leben heute wegen John Lewis in einem besseren Land.»
Der frühere Präsident Bill Clinton wiederum sagte, er habe mit Lewis› Tod einen wahren Freund verloren. Lewis habe den Menschen gezeigt, dass man im Kampf gegen Ungerechtigkeit nie aufgeben dürfe, sagte der Demokrat. «Was auch immer passierte, John Lewis marschierte weiter», sagte Clinton.
Neben den drei Ex-Präsidenten sprachen während des Gottesdienstes auch die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sowie Weggefährten, Freunde und Mitarbeiter von Lewis. US-Präsident Donald Trump nahm nicht an der Feier teil. Lewis hatte den Republikaner häufig und teils bissig kritisiert.
Stolz, «guten Ärger» zu machen
Lewis war am 17. Juli im Alter von 80 Jahren infolge einer Krebserkrankung gestorben. Er hatte sich bereits als junger Mann an der Seite von Martin Luther King für das Wahlrecht, Gleichheit und gegen Rassismus eingesetzt. Er wurde in seinem Leben mehrere Male von Polizisten oder wütenden Weissen verprügelt und wurde Dutzende Male bei Protesten festgenommen.
Auch in seinen mehr als 30 Jahren als Abgeordneter setzte sich Lewis ab 1987 für Freiheitsrechte, Armutsbekämpfung und Gleichheit ein. Er war stets stolz darauf, «guten Ärger» zu machen, wenn es darum ging, gegen Ungerechtigkeit und Rassismus zu protestieren.
Vor der Abdankung war Lewis› Leichnam diese Woche auch im US-Kongress öffentlich aufgebahrt gewesen – eine Ehre, die in der US-Geschichte bislang nur wenigen Dutzend Amerikanern zuteil geworden ist.
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