Der Fall BrianStaatsanwaltschaft stellt Haftantrag: Brian kommt wohl doch nicht frei
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat beim Gericht Antrag auf Untersuchungshaft gestellt. Dies wegen 33 Delikten, die Brian im Gefängnis begangen haben soll.
Nun also doch nicht: Brian wird mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht freikommen. Die Staatsanwaltschaft hat beim Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft beantragt. Dies, weil gegen Brian ein weiteres Verfahren läuft – der 27-Jährige soll während seiner Zeit in der Isolationshaft in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies zwischen 2018 und 2022 diverse weitere Delikte begangen haben. Insgesamt 33 sind es gemäss der Staatsanwaltschaft.
Es geht gemäss Staatsanwaltschaft dabei namentlich um einen Fall von versuchter schwerer Körperverletzung, um mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, mehrfache Sachbeschädigung, mehrfache Drohung und einfache Körperverletzung. Man befürchte Wiederholungsgefahr – also dass Brian, wenn er in Freiheit ist, höchstwahrscheinlich wieder solche Delikte begehen könnte.
Das Zürcher Zwangsmassnahmengericht muss nun innerhalb von 48 Stunden über den Antrag entscheiden. Zwangsmassnahmengerichte bewilligen in mehr als 97 Prozent der Fälle die Anträge der Staatsanwaltschaften.
«Schwerste vegetative Beschwerden» wegen Isolationshaft
Zeitgleich zur Mitteilung der Staatsanwaltschaft gaben Brians Anwälte – Bernard Rambert, Philip Stolkin und Thomas Häusermann – in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Auskunft über die weiteren Schritte. «Brian soll also da bleiben, wo er ist», sagte Rambert. «Du wirst entlassen, aber du bleibst im Gefängnis. Das müssen wir ihm jetzt sagen.» Mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft werde dem 27-Jährigen jegliche Chance genommen, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. «Wir sind erschüttert, wir sind wirklich erschüttert.»
Im neuen Verfahren – das sich immer noch im Untersuchungsstadium befindet – gehe es um Delikte, die Brian begangen haben solle, während er total isoliert gewesen sei. Die Anwälte sind überzeugt, dass sich Brian dabei in einer Notsituation befunden habe. «Brian hat nicht agiert, sondern reagiert. Er hat sich gegen die menschenrechtswidrigen Haftbedingungen der Isolationshaft gewehrt und soll nun deswegen weggesperrt werden. Daher müssen Freisprüche erfolgen», sagte Thomas Häusermann.
Philip Stolkin äusserte sich zu Brians Verfassung in dieser Zeit: «Brian leidet aufgrund der langen Isolationshaft unter schwersten vegetativen Beschwerden und Stimmungsschwankungen. Unser Klient war nah beim Wahnsinn und hat sich dagegen gewehrt. Nun wird deswegen Untersuchungshaft beantragt.» Das sei inakzeptabel. Auch weil Brian sich in den letzten zehn Monaten im normalen Vollzug «vorbildlich» verhalten habe. Brian habe sich in dieser Zeit bewährt, die Berichte seien ausgezeichnet, sagte Rambert. «Die angebliche Gefahr, die von ihm ausgeht, hat sich als Fata Morgana entpuppt.»
Brian: «Ich werde gewinnen»
Die Untersuchungshaft, in die Brian voraussichtlich kommt, ist die restriktivste Form der Haft: In gewissen Gefängnissen sind Häftlinge noch immer 23 von 24 Stunden pro Tag in einer Zelle, allein, manchmal zu zweit, ohne zu wissen, was kommt. Die Einschränkungen sind trotz Unschuldsvermutung nötig, damit Insassen sich nicht absprechen und so allfällige Ermittlungen beeinflussen könnten. In den letzten Jahren hat die Justizdirektion die Bedingungen verschiedentlich gelockert: Häftlinge werden intensiver betreut, können sich länger ausserhalb der Zelle aufhalten (teilweise bis zu acht Stunden pro Tag) und erhalten mehr Beschäftigungsmöglichkeiten.
Brian habe auf die «doch schwerwiegende» Nachricht recht gefasst reagiert, sagte Häusermann. «Er war enttäuscht, traurig, dass ihm wieder diese Chance genommen wurde.» Das Anwaltsteam zitierte aus einem Telefongespräch mit ihm: «Ich bin sicher, dass das Recht eines Tages auf meiner Seite sein wird. Ich werde gewinnen. Es ist traurig, dass solche Verbrechen vom Staat begangen werden. Das ist eines Rechtsstaats unwürdig. Jeden Tag, an dem ich im Gefängnis sitze, wird es schwieriger für mich, mich zu integrieren.»
Strafverfahren von 2017 noch hängig
Der zuerst als Carlos und später als Brian bekannt gewordene Straftäter hätte in den nächsten Tagen aus dem Gefängnis Zürich entlassen werden sollen. Das hatte das Zürcher Obergericht am 31. Oktober verfügt. Grund war eine drohende Überhaft. Dies ist der Fall, wenn jemand länger in Haft sitzt, als die zu erwartende Strafe dauert.
Brian sitzt, weil er im Juni 2017 Aufseher angegriffen haben soll. Das entsprechende Verfahren zieht sich seit Jahren hin. Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilte Brian im November 2019 unter anderem wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten. Das Obergericht erhöhte die Strafe auf 6 Jahre und 4 Monate – musste den Fall nun aber nochmals aufrollen. Das wird dauern.
Haftbedingungen verschiedentlich kritisiert
Die Haftbedingungen beschäftigten in den vergangenen Jahren nicht nur verschiedene Gerichte, sondern auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter sowie den UNO-Sonderberichterstatter für Folter, den Schweizer Juristen Nils Melzer. Beide kritisierten die Bedingungen von Brians Haft und forderten Verbesserungen.
Im Januar dieses Jahres kündigte die Justizdirektion deshalb die Verlegung von Brian in ein normales Untersuchungsgefängnis an.
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