Expats für LulaBrasilianer in der Schweiz wandten sich von Bolsonaro ab
Vor vier Jahren kam der Rechtspopulist bei brasilianischen Wahlberechtigten in der Schweiz noch auf 62 Prozent der Stimmen. Am Sonntag siegte nun Lula – und dies deutlicher als in Brasilien selbst.
22’000 Brasilianerinnen und Brasilianer leben laut Ausländerstatistik in der Schweiz. Für alle 18- bis 70-Jährigen herrscht Wahlzwang – genau wie in Brasilien. Wer nicht wählt, dem droht eine Geldstrafe. Die ist mit umgerechnet 10 Franken zwar nicht allzu hoch, aber bei Wahlabstinenz und Nichtbezahlung der Busse wird der Pass nicht verlängert.
Das erklärt, dass sich vor den beiden brasilianischen Wahllokalen in Genf und Zürich der jüngsten Präsidentschaftswahl lange Schlangen bildeten. Am zweiten Wahlgang vom Sonntag nahmen in der Schweiz total 10’560 Wahlberechtigte teil. Sie mussten teilweise stundenlang auf die Stimmabgabe warten.
Stimmungswandel in der Schweiz
Am Dienstag hat die Wahlbehörde in Brasilien die Resultate der Wahllokale im Ausland veröffentlicht. Laut dem brasilianischen Webportal Globo.com war unter den Brasilianerinnen und Brasilianern in der Schweiz der Linkspolitiker Luiz Inácio Lula da Silva Sieger der Wahl. Mit 52,3 Prozent Stimmenanteil in der Schweiz ist sein Vorsprung auf Jair Bolsonaro deutlicher als in Brasilien selbst. Lula kam dort auf 50,9 Prozent.
Das bedeutet einen deutlichen Stimmungswandel bei der brasilianischen Community in der Schweiz. Vor vier Jahren kam der Rechtspolitiker Jair Bolsonaro hierzulande auf 62 Prozent der Stimmen. Damit schlug er seinen damaligen linken Konkurrenten Fernando Hadad klar. In Brasilien selbst aber erreichte Bolsonaro lediglich einen Stimmenanteil von rund 55 Prozent.
In Japan hätte Bolsonaro gesiegt
Zwischen den einzelnen Ländern gibt es eklatante Unterschiede beim Stimmverhalten der Auslandsbrasilianer. Unter den brasilianischen Expats in Deutschland erzielte Lula mit 77 Prozent einen Erdrutschsieg. Umgekehrt entfielen auf Bolsonaro in Japan 83 Prozent der Stimmen.
Insgesamt gaben im Ausland knapp 300’000 Brasilianerinnen und Brasilianer beim zweiten Wahlgang ihre Stimme ab, etwas mehr als 51 Prozent davon für Lula. Alles in allem beteiligten sich an den Wahlen rund 118 Millionen Wahlberechtigte. Die Auslandsstimmen spielen für das Gesamtergebnis also kaum eine Rolle: Der Vorsprung Lulas auf Bolsonaro beträgt über 2 Millionen Stimmen.
«Endlich sind die Auslandsbrasilianer zur Vernunft zurückgekommen.»
Was aber erklärt den Stimmungswandel gegen Bolsonaro unter den brasilianischen Wahlberechtigten in der Schweiz? Die Brasilianerin Deborah Biermann arbeitet in Bern als Übersetzerin und betreibt für ihre Landsleute die Website Brasilianisch.ch. Sie ist selbst drei Stunden lang vor dem Wahllokal in Zürich Schlange gestanden.
«Endlich sind die Auslandsbrasilianer zur Vernunft zurückgekommen», sagt Biermann. Sie glaube, dass für viele brasilianische Auslandswähler die Massnahmen während der Pandemie und die Zerstörung des Amazonasgebiets ausschlaggebend waren, um ihre Haltung zu Bolsonaro zu revidieren.
Das deckt sich mit Aussagen von Brasilianerinnen und Brasilianern in der Warteschlange vor den beiden Abstimmungslokalen: «Ich habe vor vier Jahren auch Bolsonaro gewählt, weil er versprach, dass alles besser wird», sagte ein Wähler zu Journalisten des «Tages-Anzeigers». Erreicht habe Bolsonaro aber «nicht viel».
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