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Zwischenfall im Schwarzen Meer
Boris Johnson verteidigt Kurs von Zerstörer «HMS Defender»

Um dieses Kriegsschiff dreht sich die ganze  Episode: Die «MS Defender», aufgenommen vor Portsmouth.
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Boris Johnson verteidigte den Kurs eines britischen Kriegsschiffs durch umstrittene Gewässer vor der von Russland annektierten Halbinsel Krim. «Es war völlig angemessen, internationale Gewässer zu nutzen», sagte der britische Premier am Donnerstag bei einem Truppenbesuch in der südenglischen Stadt Aldershot. «Entscheidend ist doch, dass wir die russische Annexion der Krim nicht anerkenne, die Teil eines souveränen ukrainischen Territoriums ist.»

Die russische Küstenwache hatte den Zerstörer «HMS Defender» am Mittwoch nach Angaben aus Moskau mit Warnschüssen und Bombenabwürfen aus den eigenen Gewässern gedrängt. Britische Medienberichte stützen diese Angaben teilweise, betonen aber, das Schiff habe Kurs gehalten. Die Regierung in London spricht hingegen von einer russischen Militärübung, die nicht der «Defender» gegolten habe. Johnson wies Vorwürfe zurück, die Regierung verbreite Lügen über den Zwischenfall. Vielmehr binde Moskau allen einen Bären auf, sagte der Premier.

«Es war absolut richtig, das Gesetz zu verteidigen und die Freiheit der Schifffahrt durchzusetzen, in der Weise, wie wir es getan haben», sagte Johnson. Das Schiff habe die kürzeste Route zwischen zwei Punkten genommen, es handle sich zudem um ukrainische Gewässer. Indem sich Grossbritannien an Marinemanövern beteilige, trete das Land für seine Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit und Rechtssicherheit ein.

Boris Johnson in einem bewaffneten Militärfahrzeug einer neuen Infanterie-Einheit während eines Besuchs der Streitkräfte. 

Britische Berichte zeigen eine andere Sicht der Dinge

Während die britische Regierung auf ihrer Position beharrt, legen britische Medien eine andere Sicht nahe. So habe Kapitän Vincent Owen seiner Crew der «Defender» deutlich gemacht, dass es darum gehe, internationales Recht durchzusetzen, man sei also absichtlich durch die von Russland beanspruchte Zone gefahren, berichtete die «Daily Mail». Demnach handelte es sich um eine Art Kräftemessen. Als zwei russische Schiffe versuchten, die «Defender» abzudrängen, habe Owen amüsiert bemerkt: «Wir hängen sie ab.»

Auch ein Reporter der BBC schildet eindrücklich, dass russische Angaben über Warnschüsse und Bombenabwürfe stimmen dürften, mit denen die «Defender» vor der Halbinsel Krim im Schwarzen Meer vertrieben worden sein soll.

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Hintergrund der beispiellosen Konfrontation im Schwarzen Meer ist der Ukraine-Konflikt. Die Einverleibung der Krim durch Russland 2014 wird international als illegal eingestuft, völkerrechtlich gehört das Gebiet zur Ukraine – darauf beruft sich auch die Royal Navy. Die «Defender» hatte zuvor im ukrainischen Hafen Odessa Halt gemacht und an Übungen mit amerikanischen und ukrainischen Kräften teilgenommen. Dagegen beharrt Moskau, das die Halbinsel zu einer militärischen Bastion ausgebaut hat, darauf, dass die Krim zu Russland gehört.

Der «Unwillkommene»

«Der Unwillkommene», titelte die russische Regierungszeitung «Rossijskaja Gaseta» am Donnerstag und zeigte dazu ein Foto des britischen Zerstörers, der unerlaubt «unsere Gewässer» befahren habe. Die Zeitung «Kommersant» machte die erhöhte Nato-Präsenz im Schwarzen Meer für die Eskalation der Lage verantwortlich.

Moskau werde seine territoriale Integrität notfalls auch militärisch verteidigen, sagte Vize-Aussenminister Sergej Rjabkow der Agentur Interfax zufolge. Russland warne alle Staaten vor Grenzverletzungen und «ähnlichen provozierenden Schritten». Man könne zwar an den gesunden Menschenverstand und an die Achtung internationalen Rechts appellieren, sagte Rjabkow. «Aber wenn das nicht hilft, können wir bombardieren – nicht nur den Kurs, sondern auch Ziele, wenn die Kollegen nicht verstehen.»

Moskau bleibt also bei seiner Position – und den schweren Vorwürfen in Richtung London: Die «Defender» sei unerlaubt in russisches Hoheitsgewässer eingedrungen und habe erst nach den Schüssen den Kurs geändert. Kremlsprecher Dmitri Peskow warf den Briten eine «bewusste und vorbereitete Provokation» vor. Der Vorfall könne «ernsthafteste Folgen» haben, legte das Aussenministerium nach. Der britischen Botschafterin in Moskau werde eine scharfe Protestnote übergeben.

Moskau fühlt sich provoziert

Der Zeitpunkt des Zwischenfalls ist brisant. Russland empfindet das bevorstehende internationale Manöver «Sea Breeze» (Meeresbrise) als Provokation. Tausende Soldaten sowie Dutzende Schiffe und Flugzeuge aus 32 Ländern trainieren vom kommenden Montag an gemeinsam im Schwarzen Meer. Russland fordert, auf das Manöver zu verzichten. Der gegen den britischen Zerstörer gerichtete Beschuss wurde in der Ukraine deshalb auch als möglicher Versuch gewertet, die Übung noch zu verhindern.

Die Besorgnis in Grossbritannien gross. Der frühere Armeechef Richard Dannatt sagte bei Sky News, Präsident Wladimir Putin wolle die Entschlossenheit des Westens testen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Tom Tugendhat, nannte das russische Vorgehen kriminell. «Sie sind wie Gorillas, die sich auf die Brust klopfen und vorgeben, etwas zu tun», spottete Tugendhat.

Die Beziehungen zwischen London und Moskau sind seit Jahren stark belastet. So wirft die britische Regierung der russischen vor, sie sei verantwortlich für die tödliche Vergiftung des Ex-Spions Alexander Litwinenko in London 2006 sowie für den Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in Salisbury 2018. Moskau weist die Anschuldigungen zurück.

Äusserst kühle Beziehung

Wie sich die Beziehungen nun entwickeln bleibt abzuwarten. Seit dem Brexit meldet sich die britische Regierung vehement bei Menschenrechtsverletzungen zu Wort, kritisierte lautstark die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny. Direkten Kontakt zwischen Moskau und London gibt es offenbar kaum.

Beide Seiten zeigen sich allerdings bereit, das zu ändern. Der Chef des russischen Auslandsgeheimdiensts SWR, Sergej Naryschkin, sagte, er stehe für Gespräche mit dem britischen Geheimdienst MI6 zur Verfügung und habe bereits dessen Chef Richard Moore geschrieben. Und der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sagte nach Putins Treffen mit US-Präsident Joe Biden, auch ein Gipfel des Kremlchefs mit Johnson sei möglich. Doch dafür müsse Russland erst einmal seine «bösartigen Aktivitäten» gegen Grossbritannien und dessen Verbündete beenden.

SDA/fal