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Plädoyer gegen Kofferberge
Bitte nur Handgepäck!

Unbeschwert reisen: Ein kleiner Rollkoffer reicht je nach Saison für ein bis zwei Wochen Ferien völlig aus.
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Ach, Sommer. Die echte Plackerei beginnt ja erst, wenn der letzte Arbeitstag im Büro hinter uns liegt. Vor dem Verreisen noch rasch Wäsche machen, sagen wir uns, und schnell mit dem Staubsauger durch die Wohnung, man will ja nach den langen Ferien nicht in ein schmutziges Zuhause heimkehren. Und dann die Packliste abarbeiten. Der Kleine braucht neue Sandalen, und eine Tube Sonnencreme Schutzfaktor 50 auf Vorrat wär nicht schlecht. Und nicht vergessen, Strandlektüre kaufen! 

Kennen Sie? Kennen wir alle. Die Vorbereitungen auf die langen Ferien sind manchmal so anstrengend, dass man Erholung bräuchte, bevor man überhaupt in den Zug oder das Flugzeug steigt. Am Ende wuchten wir einen riesigen Koffer aus der Wohnung, gefüllt mit lauter Dingen, von denen wir glauben, dass wir sie unbedingt benötigen in den paar Tagen fern von zu Hause. 

Die Leichtigkeit eines Rollkoffers

Meinerseits habe ich damit schon lange aufgehört. Vor einigen Jahren teilte ich in Seattle das Hostelzimmer mit einer jungen Amerikanerin, die seit mehreren Monaten auf Reisen war. Ich fragte nach ihrem Gepäck, denn ich konnte nirgends einen Rucksack sehen. Sie wies auf eine Tasche neben ihrem Bett, auf eines jener Modelle, die man sich über die Schulter wirft, wenn man übers Wochenende wegfährt. Darin sei alles, was sie benötige. Zwei Paar Schuhe, Jeans und T-Shirts, ein elegantes Kleid zum Ausgehen. Das beeindruckte mich so sehr, dass ich begann, Jahr um Jahr mein Gepäck zu reduzieren – und mittlerweile so geübt bin, dass ich fast ausschliesslich mit einem Handgepäck-Rollkoffer reise, ganz gleich, wie ich unterwegs bin. Letzten Sommer fand darin alles Platz für zehn Tage Mallorca und Südfrankreich, inklusive eines Outfits für eine Hochzeitsfeier.

Was soll mir das bringen, mögen Sie nun fragen, ich habe lieber gerne alles dabei, und überhaupt, wer fliegt denn noch in die Ferien, der Kluge reist im Zuge und kann so viel Gepäck mitnehmen, wie er will. Nun, es geht um etwas anderes: die überraschende Erkenntnis, wie wenig man tatsächlich benötigt. Mit leichtem Gepäck zu reisen, ist befreiend – egal, ob man nun mit Zug, Auto, Velo oder Flugzeug aufbricht. Ich mag die Leichtigkeit eines kleinen Rollkoffers, im doppelten Sinne: Nicht nur ist er wunderbar handlich, er nimmt mir auch Kleiderwahl-Entscheidungen ab (am Ende tragen wir doch meist dasselbe) und gibt mir das Gefühl, alles dabeizuhaben und jederzeit aufbrechen zu können. Das Leben ist kompliziert genug – loslassen und sich auf das Wesentliche beschränken ist das Gebot der Stunde. Wo sonst als in den Ferien sollen wir uns darin üben?

Vergessen Sie den Spass nicht, Sie sind schliesslich in den Ferien!

Bei den Passagieren der Swiss scheint die Lust am Reisen mit kleiner Equipage zu wachsen: Die Anzahl eingecheckter Gepäckstücke pro Fluggast sei «seit einigen Jahren tendenziell sinkend», heisst es bei der Airline auf Anfrage. Auf Handgepäck umzusteigen lohnt sich auf Flugreisen ganz besonders, zumal in absehbarer Zeit viele Flughäfen die 100-ml-Beschränkung für Flüssigkeiten im Handgepäck abschaffen dürften: Man spart Geld (keine Extragebühren für Check-in-Gepäck) und Zeit (kein Warten am Rollband nach der Ankunft) und muss nicht befürchten, dass etwas verloren geht. Noch einfacher gehts übrigens bei Japan Airlines, die ihren Fluggästen neuerdings einen Leihservice für Kleidung während des Japan-Aufenthalts anbietet. Auch der Schweizer Onlinehändler Galaxus stellt einen Trend zum Handgepäckkoffer fest.

Natürlich setzt «travel light» ein wenig Disziplin voraus. Der Mensch ist ein entscheidungsfaules Wesen und packt aus Bequemlichkeit lieber die beige Seidenhose und die blauen Chinos ein, anstatt sich auf eine festzulegen. Ausserdem mögen die meisten von uns Sicherheit und wollen auf alles vorbereitet sein. Ferner ist Kleidung ja oft mehr Sehnsucht als Realität. Das zauberhafte Chiffon-Abendkleid, das seit Jahren im Kleiderschrank hängt, «für eine besondere Gelegenheit»? Die abgewetzte Hose, die man nicht wegschmeissen will, «vielleicht geh ich ja mal campen»? Brauchen wir nicht wirklich, aber die Vorstellung, dass wir diese Dinge benötigen, die gefällt uns. Ähnlich verhält es sich beim Packen – und schon ist der XL-Koffer voll. 

Was können wir also tun, um unsere Reiseausrüstung zu minimieren, sodass am Ende noch Platz für ein Souvenir bleibt? Haben Sie erstens Mut zur Lücke. Sie müssen nicht auf jede mögliche Situation vorbereitet sein, das sind wir zu Hause auch nicht. Und wenn wirklich etwas vergessen geht: Auch ausserhalb der Schweiz gibt es Drogerien, Supermärkte und Wäschereien, in denen wir ein Shampoo besorgen oder ein paar Socken waschen lassen können. 

Die Schuhe mit Unterwäsche ausstopfen

Bleiben Sie ausserdem realistisch: Sie machen Familienferien am Strand mit drei Kindern im vorschulpflichtigen Alter? Naturferien in einer Schwedenhütte am Fjord? Lassen Sie die Pumps zu Hause. Überlegen Sie, welche Art von Ferien Sie machen, und packen Sie entsprechend.

Setzen Sie zudem Akzente. Man kennt die Ratschläge für einen minimalistischen Kleiderschrank: Auf Basics setzen – weisses Hemd, Blazer et cetera – und gut kombinierbare Stücke wählen, die sich in vielen Situationen tragen lassen. Das erleichtert auch das effiziente Packen. Aber vergessen Sie den Spass nicht, Sie sind schliesslich in den Ferien! Her mit der buntgemusterten Bomberjacke, die Sie im Alltag immer zu aufdringlich finden. Oder dem granatapfelroten Hemd mit Blumenprint, das Sie im Büro nicht tragen können.

Ferner gibt es natürlich einige praktische Kunstgriffe für platzsparendes Packen (die man sich in Youtube-Tutorials abschauen kann): Dazu gehört etwa, Kompressionsbeutel zu verwenden, die Kleidung zu rollen, anstatt zu falten, oder die Schuhe im Koffer mit Socken oder Unterwäsche auszustopfen.

Aber Sie verstehen, es geht hier um die innere Haltung, Sie packen das schon. 

Das empfehlen zwei Vielreisende

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Daniella Gurtner ist Fashion Director bei den Magazinen «myself» und «Donna» sowie Stylistin und Creative Consultant.
Alan Frei ist Unternehmer, Lifehacker und angehender olympischer Curler. In seinem monatlichen Newsletter dokumentiert er, wie man das Leben einfacher und spannender machen kann.
Daniella Gurtner ist Fashion Director bei den Magazinen «myself» und «Donna» sowie Stylistin und Creative Consultant.

Ich packe einfach immer zu viel ein! Was tun?

Alan Frei: Das eigene Gepäck begrenzen, sodass man gar nicht zu viel mitnehmen kann. Unabhängig vom Ziel reise ich nur mit Handgepäck, bestehend aus einem Rollkoffer und einem Rucksack. Auf Wochenendtrips nehme ich sogar nur meinen Rucksack mit. 

Daniella Gurtner: Sich vorher Gedanken machen: Was brauche ich, was lässt sich womit kombinieren? Eventuell eine Liste oder Skizzen erstellen. Nicht erst am Tag der Abreise packen.

Was muss bei Ihnen auf jede Reise mit?

Gurtner: Ein grauer Cashmerepulli. Hält auf der Reise warm oder im heruntergekühlten Hotelzimmer, kann aber auch als Schal benützt werden. Fühlt sich immer gut an. 

Frei: Alles, was in meinen Rucksack oder Koffer kommt, ist entweder klein oder multifunktional. Beispielsweise einen Reiseadapter mit mehreren USB-A- und C-Anschlüssen und mindestens 65 W (Minix Neo P1 ). So kann ich alle Ladegeräte zu Hause lassen und unterwegs iPad, iPhone und Kopfhörer gleichzeitig aufladen. Bei der Kleidung bevorzuge ich Stretch (bequem beim Reisen) oder Merinowolle, weil diese weniger schnell riecht. Im Necessaire fülle ich alles in kleine Behälter von Muji um.

Wovon kann man nie zu viel mitnehmen?

Gurtner: Gibts nicht. Alles kann rasch von Hand ausgewaschen oder vor Ort gekauft werden. Ausser man fliegt auf den Mond.

Frei: Strom. Ich habe immer eine Powerbank mit 10000mAh und mehreren Anschlüssen dabei. Aber Vorsicht, nicht alle Grössen darf man ins Flugzeug mitnehmen.

Häufigster Fehler beim Kofferpacken?

Frei: Für alle Eventualitäten packen. Häufig hat man Angst, dass man nicht alles dabeihat. Im Zweifelsfall benötige ich nur Pass, Mobiltelefon, Noise-cancelling Airpods und eine Kreditkarte. 

Gurtner: Zu viel vom Gleichen einpacken: zu viele Shirts, gleiche Hosen etc. Lieber nimmt man unterschiedliche Teile mit – in den Ferien hat man Lust, etwas Neues auszuprobieren oder mehr Farbe zu tragen.

Ihre persönliche Regel fürs Packen? 

Frei: Ich habe auf meinem iPhone eine persönliche Packliste. Dadurch hat sich meine Packzeit auf 15 bis 20 Minuten reduziert. Auf der Packliste stehen neben den Kleidern und Gadgets auch Punkte wie «Filme auf Netflix herunterladen», damit ich Unterhaltung für Zug- oder Flugreisen habe. Oder dass ich das Wetter nochmals checke, den Flug überprüfe oder meine Fussnägel schneide. Ungepflegte Füsse in den Sommerferien sind ein No-go!

Gurtner: Keine App, keine sonstigen Helfer. Einfach nicht zu viel mitnehmen, das Schleppen nervt. So hat man Platz, vor Ort etwas Schönes zu kaufen, z.B. Keramik, die einen dann noch lange an die Ferien erinnert.