Alternative WährungsreserveSoll die Nationalbank Bitcoin kaufen?
Eine neue Volksinitiative fordert Bitcoin statt Euro und Dollar als Währungsreserve. Wer dahintersteht und was davon zu halten ist.
- Yves Bennaïm lanciert die Bitcoin-Initiative, um SNB-Investitionen in Bitcoin zu fördern.
- Die Initiative soll die Unabhängigkeit der Schweiz durch Bitcoin-Reserven stärken.
- Kritik kommt von Ex-SNB-Präsident Thomas Jordan, der Bitcoin nicht als liquide sieht.
- Adriel Jost unterstützt die Diversifizierung, lehnt jedoch Bitcoin wegen der Volatilität ab.
«Die 100’000 Unterschriften sind kein Problem, da bin ich 100 Prozent sicher», sagt Yves Bennaïm. Der Westschweizer Internetpionier und Autor hat vor wenigen Tagen mit neun Gleichgesinnten die «Bitcoin-Initiative» lanciert. Das Volksbegehren will die Schweizerische Nationalbank (SNB) dazu verpflichten, einen Teil ihrer Währungsreserven in Bitcoin anzulegen.
Währungsreserven sind Vermögenswerte in anderen Anlagen als der Landeswährung, vor allem Staatsanleihen, Gold, Unternehmensanleihen und Aktien. Sie sind ein zentrales Instrument der Geldpolitik, um die Landeswährung vor Entwertung zu schützen. Die Nationalbank hat seit 2009 sehr viele Devisen gekauft, um eine zu starke Aufwertung des Frankens zu verhindern. Ihre Währungsreserven sind dadurch auf über 800 Milliarden Franken angestiegen.
Federführend für die Initiative ist Yves Bennaïm, den die welsche Zeitung «Le Temps» einst als «Krypto-Evangelist auf dem Kreuzzug» bezeichnete. «Das ist lange her. Heute bin ich eher ein Erzieher als ein Evangelist», sagt er. «Ich helfe den Leuten, Bitcoin besser zu verstehen, aber ich versuche nicht, sie zu bekehren.»
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind drei weitere Mitglieder des zehnköpfigen Initiativkomitees. Luzius Meisser ist Verwaltungsrat von Bitcoin Suisse, des ersten Schweizer Kryptofinanzdienstleisters.
Der Thuner Samuel Kullmann ist seit 2017 Berner Grossrat und Mitglied der Geschäftsleitung der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU). Er war der Kopf hinter der Kampagne «Stopp ESC 2025», die mit einem Referendum die Durchführung des Eurovision Song Contest in Basel verhindern wollte. Davor engagierte er sich stark gegen das Covid-19-Gesetz.
Anian Liebrand ist ehemaliger Präsident der Jungen SVP und sitzt in der Geschäftsleitung der EDU Schweiz. Er ist Kampagnenmanager und Chefredaktor der nationalkonservativen Zeitschrift «Schweizerzeit» des SVP-Politikers Ulrich Schlüer sowie Geschäftsführer des Egerkinger Komitees, das hinter den erfolgreichen Volksinitiativen für ein Minarett- und ein Verhüllungsverbot steht.
Die Bitcoin-Initiative sei kein Angriff auf die Nationalbank, sagt Bennaïm: «Die SNB sollte die besten Instrumente zur Hand haben, um ihr Mandat besser auszuführen. Wir stehen heute am Anfang einer neuen Ära, in welcher der Bitcoin so wichtig sein wird wie Gold. Die Nationalbank hat sich bisher nicht dafür interessiert. Die Initiative soll sie dazu zwingen, sich dafür zu interessieren.»
Heute hält die SNB ihre Währungsreserven überwiegend in Dollar und Euro. «Beide verlieren langfristig an Wert. Es wäre deshalb sinnvoll, einen Teil der Euro-Anlagen in Bitcoin umzuschichten», sagt Luzius Meisser. Mit ihren Währungsreserven in Euro und Dollar sei die Schweiz von anderen Staaten abhängig. Eine Bitcoin-Reserve hingegen würde die Unabhängigkeit stärken.
Den Vorwurf, sie versuchten aus Eigeninteresse den Kurs von Bitcoin hochzutreiben, weist Bennaïm zurück: «Ich bin überzeugt, dass Bitcoin langfristig im Wert steigt. Wenn es mir nur um meinen persönlichen Gewinn ginge, könnte ich einfach ruhig dasitzen und warten. Aber ich exponiere mich und opfere die Hälfte meiner Arbeitszeit unentgeltlich für diese Initiative, weil ich denke, dass sie eine gute Sache ist für die Schweiz.»
Fachleute äussern Kritik und Sympathien für Bitcoin-Initiative
Die Nationalbank kommentiert einzelne Initiativen nicht. Der frühere SNB-Chef Thomas Jordan stellte sich jedoch gegen die Idee. Währungsreserven müssten liquide und werthaltig sein, beide Bedingungen erfülle Bitcoin nicht.
Von Fachleuten kommt wenig Unterstützung, auch in den USA, wo ähnliche politische Forderungen erhoben werden. «Bitcoin ist eine spekulative Anlage, die keine Rendite abwirft», sagt Johannes von Mandach, Ökonom bei Wellershoff & Partners, «die Initiative scheint mehr Religion als Ökonomie zu sein. Die Idee überzeugt mich nicht.»
Sympathien für die Initiative hat Adriel Jost, Ökonom am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. «Die Nationalbank sollte ihre Bilanz in vom bestehenden Finanz- und Geldsystem unabhängige Anlagen diversifizieren», findet er. Heute investiere sie ihre Währungsreserven hauptsächlich «in stark überschuldete Staaten».
Aber die Kaufkraft der Währung sei mit Gold besser zu garantieren als mit Bitcoin, weil dessen Preis deutlich weniger stark schwanke. Zudem plädiert Jost für grundsätzliche Vorsicht: «Bitcoin ist im Gegensatz zu Gold ersetzbar. Was ist zum Beispiel, wenn in zehn Jahren eine neue Technologie existiert, die noch mehr Sicherheit verspricht?» Sein Fazit: «Gold ist für Zentralbanken der bessere Bitcoin.»
Yvan Lengwiler, Wirtschaftsprofessor in Basel und mit dem SNB-Observatorium ein kritischer Beobachter der Nationalbank, hat ebenfalls Vorbehalte: «Der Nationalbank vorzuschreiben, Bitcoin kaufen zu müssen, halte ich für falsch. So etwas gehört sicher nicht in die Bundesverfassung.»
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