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Kampf gegen Littering
Bis zu 300 Franken Busse für den Kaugummi am Boden

Abfallsünderinnen und Abfallsünder kommen meist ungestraft davon: Rheinufer in Basel.
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Nach einem warmen Sommerabend gleicht das Basler Rheinufer einer Müllhalde. Überall liegen leere PET-Flaschen und Bierdosen, Essensreste, Zigarettenstummel und sogar Einweggrills. Die Stadt gibt jährlich 21 Millionen Franken für die Reinigung aus, davon beträgt der Aufwand für das Littering rund ein Drittel.

Nicht nur Basel hat ein Littering-Problem. Überall in der Schweiz lassen Leute Abfälle einfach liegen, statt einen der öffentlichen Mülleimer zu benutzen. Die Reinigungskosten belaufen sich landesweit auf gegen 200 Millionen Franken pro Jahr. Das hat das Bundesamt für Umwelt ermittelt. Die Studie ist jedoch ziemlich angestaubt, sie stammt aus dem Jahr 2011. Aktuelle Zahlen liegen nicht vor; damit ist offen, wie sich die Kosten in der Zwischenzeit entwickelt haben.

Bis jetzt existiert keine nationale Strategie im Kampf gegen das Littering. Die Kantone gehen das Problem unterschiedlich an. Im Bundeshaus laufen nun aber Bestrebungen, mit einer einheitlichen Regelung gegen die Abfallsünder vorzugehen. Wer nach dem Mittagessen im Park die Reste seines Sandwichs auf der Bank zurücklässt und dabei erwischt wird, soll in Zukunft überall bis zu 300 Franken Busse bezahlen; so sieht es zumindest der Plan der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) des Nationalrats vor.

Vorbild USA

«Littering belastet die Umwelt, verhindert Recycling und beeinträchtigt öffentliche Räume», sagt Urek-Präsident Bastien Girod (Grüne). Die Kommission hat am Dienstag ihren Bericht zur parlamentarischen Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» vorgestellt. Darin sind Beispiele aufgelistet, für welche Vergehen die Strafe gelten soll.

Demnach würde sich auch strafbar machen, wer die Take-away-Verpackung wegwirft, aber auch Kaugummis, Zigarettenstummel oder Zeitungen, ferner Plastiksäcke oder Getränkedosen. Die Kantone hätten die Möglichkeit, Ausnahmen für kulturelle, sportliche und weitere öffentliche, bewilligungspflichtige Veranstaltungen vorzusehen.

«Wenn es um eine einzelne Zigarettenkippe geht, dann sind 300 Franken unverhältnismässig hoch.»

Ralph Hansmann, Umweltpsychologe

Doch sind 300 Franken verhältnismässig? Andere Vergehen werden weit weniger stark bestraft: Wer zum Beispiel als Autofahrerin oder Autofahrer einer Passantin oder einem Passanten bei einem Fussgängerstreifen den Vortritt verwehrt, wird mit 140 Franken gebüsst – obschon er dabei vielleicht Menschenleben gefährdet hat.

Ja, findet Nationalrat Matthias Jauslin (FDP) und sagt: «Wir senden damit ein klares Signal aus: Wir tolerieren Littering nicht.» Er erhofft sich davon eine abschreckende Wirkung und verweist auf die USA. Dort gebe es noch höhere Bussen – mit der Folge, dass sich deutlich weniger Personen getrauten, Abfall auf den Boden zu werfen.

Der ETH-Umweltpsychologe Ralph Hansmann entgegnet: «Wenn es um ein Nastuch oder eine einzelne Zigarettenkippe geht, dann sind 300 Franken unverhältnismässig hoch und daher fragwürdig.» Hohe Strafen für Bagatelldelikte passten eher zu einer Diktatur als zu einem freiheitlichen Gemeinwesen.

80 Franken in Bern und Zürich

Auch die SVP äussert sich kritisch: «Ich glaube nicht, dass wir mit einer Bussenandrohung eine grosse Wirkung erzielen werden», sagt Nationalrat Mike Egger. Die neue Bestimmung suggeriere, dass die Politik Littering bekämpfen wolle, faktisch sei sie aber «für die Galerie» – nicht zuletzt, weil Littering nur schwer, wenn überhaupt, kontrollierbar sei. Egger plädiert deshalb für einen anderen Ansatz: Aufklärungsarbeit, die bereits an der Schule beginne. «Wir müssen aufzeigen, welche Konsequenzen Littering hat, etwa für Kühe, wenn sie mit dem Gras Abfall fressen.» Natürlich lasse sich auch bei dieser Massnahme darüber streiten, wie stark sie wirke. Er hält sie gleichwohl für die bessere Lösung.

Die nun aufgegleiste nationale Lösung soll zudem die Bussenregimes der Kantone vereinheitlichen. Im Kanton Aargau sind Bussen bis zu dieser Höhe heute schon möglich, andere Kantone gehen weniger weit.

«Sünder müssen in flagranti überführt werden. Das ist nicht ganz einfach.»

Matthias Nabholz, Leiter Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt

In Zürich und Bern beträgt die Bussenhöhe 80 Franken. «Grundsätzlich können Bussen einen Beitrag zur Verhinderung von Fehlverhalten leisten», sagt der Sprecher des Sicherheitsdepartements der Stadt Zürich. Bern mache grundsätzlich gute Erfahrungen mit der Kombination von präventiven und repressiven Massnahmen, schreibt der Informationsdienst der Stadt auf Anfrage.

Basel etwa büsst Littering mit 100 Franken. Der Leiter des Amts für Umwelt und Energie, Matthias Nabholz, hält eine Erhöhung auf bis zu 300 Franken durchaus für gerechtfertigt. Vor allem, weil Littering in einer Stadt wie Basel jährliche Kosten in Millionenhöhe verursache, sagt er. Bussen würden in der Regel «anstandslos bezahlt». Allerdings sei es nicht ganz einfach, die Sünder zu erwischen. «Sie müssen in flagranti überführt werden. Das ist in der Praxis nicht ganz einfach, da man praktisch danebenstehen muss.»

Neben dem Littering will die Urek auch den Gebrauch von Produkten wie Einweggeschirr, Plastiktüten oder -röhrchen reduzieren. Die Kommission verzichtet selber jedoch auf Verbote und überlässt den Entscheid mit einer «Kann»-Formulierung dem Bundesrat. In der EU sind Einwegprodukte aus Plastik seit vergangenem Juli verboten. Die Urek will den Bundesrat zudem damit beauftragen, eine Lenkungsabgabe für die Deponierung von Bauabfällen zu prüfen. Das entsprechende Postulat wird als Nächstes vom Nationalrat behandelt.