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Tag der Lohngleichheit 2021
Bis heute haben Schweizer Frauen gratis gearbeitet

Nur ein Teil des Lohnunterschieds zwischen den Geschlechtern ist erklärbar: Eine Angestellte in der Maschinenbaubranche bei der Arbeit.
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Seit dem 1. Januar erhalten alle Berufstätigen in der Schweiz selbstverständlich ihren Lohn. Streng genommen aber nur die Männer. Denn wenn man den Lohnunterschied von 14,4 Prozent zwischen den Geschlechtern berücksichtigt, müssen Frauen bis zum 20. Februar auf ihr Gehalt warten – sie arbeiten also 51 Tage respektive ein Siebtel des Jahres gratis.

Der sogenannte «Equal Pay Day» lässt sich anhand der neusten Daten des Bundesamts für Statistik berechnen. Demnach beträgt der Medianlohn von Frauen im privaten Sektor 5651 Franken pro Monat. Eine Hälfte verdient also weniger, die andere Hälfte mehr als diesen Betrag. Vor allem aber ist dieser Lohn 949 Franken oder besagte 14,4 Prozent tiefer als bei den Männern.

Im öffentlichen Sektor, wo die Löhne grundsätzlich höher sind, sieht es ein bisschen besser aus: Beim Bund, den Kantonen, Gemeinden und öffentlichen Anstalten wie Spitälern oder Universitäten beträgt der Unterschied 11,4 Prozent. Gesamtwirtschaftlich gesehen, sind es 11,5 Prozent. Gemäss diesem Wert haben die Frauen 41 Tage oder bis am 10. Februar gratis gearbeitet.

Wie man es dreht und wendet: Die Lohnungleichheit in der Schweiz ist nach wie vor ausgeprägt. Und zwar umso stärker, je höher die berufliche Stellung und das Anforderungsniveau ist. Bei Jobs ohne Kaderfunktion verdienen Frauen 7,6 Prozent weniger als Männer. Im untersten und unteren Kader nimmt die Verantwortung und damit auch die Lohndifferenz zu. Im oberen und mittleren Kader beträgt sie schliesslich über 18 Prozent.

Unabhängig von der Hierarchiestufe besteht der Geschlechterunterschied über alle Berufsgruppen hinweg – je nach Wirtschaftsbranche variiert er jedoch stark. Bei Finanzdienstleistungen, wie sie etwa Banken erbringen, liegt der Medianlohn von Frauen mehr als 30 Prozent unter demjenigen der Männer. Bei den Versicherungen und im Bereich Information und Kommunikation, zu dem die Medien gehören, ist der Gap ebenfalls gross.

Wesentlich tiefer sind die Lohndifferenzen im Gesundheitswesen und im Detailhandel. Auch hier verdienen Frauen aber über 14 Prozent weniger. Verhältnismässig kleine Unterschiede gibt es in der Gastronomie, bei Kurierdiensten und im Baugewerbe. Als Bürokräfte und kaufmännische Angestellte sind die Frauen punkto Einkommen gleichgestellt.

Ein Teil der Lohnunterschiede kann durch objektive Faktoren wie Bildungsniveau, Qualifikation, Anzahl Dienstjahre oder Ausübung einer Führungsfunktion erklärt werden. Frauen sind in anforderungsreicheren Positionen und in Kaderstellen schwächer vertreten, vor allem weil sie aus familiären Gründen längere Unterbrüche aufweisen als Männer. Das wirkt sich negativ auf die Berufserfahrung und die berufliche Stellung aus und schmälert ihre Verdienstchancen.

Nach der Geburt eines Kindes sind Frauen oft nicht mehr oder nur in einem reduzierten Pensum erwerbstätig. Verschiedene Studien zeigen, dass sie Lohneinbussen erleiden, sobald sie Mutter werden. Demgegenüber führt eine Vaterschaft für die meisten Männer zu einem Lohnanstieg. Frauen übernehmen häufiger Erziehungs- und unbezahlte Pflegeaufgaben in der Familie. Gleichzeitig arbeiten sie häufiger in Tieflohnbranchen und schlecht bezahlten Berufen als Männer.

Ein grosser Teil der Lohndifferenz ist nicht erklärbar.

Um diese strukturellen Unterschiede zu minimieren, bräuchte es eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine gleichmässigere Aufteilung der Haus- und Erwerbsarbeit. Heute ist das noch längst nicht der Fall. In über 70 Prozent der Familien mit Kleinkindern wird die Hausarbeit hauptsächlich von der Frau übernommen. Und je älter das jüngste Kind, desto grösser ist das Ungleichgewicht zuungunsten der Mutter.

Abgesehen davon, ist ein grosser Teil der Lohndifferenz im Berufsleben nicht auf objektive Faktoren zurückzuführen. Eine Auswertung des Bundesamtes für Statistik ergab, dass der unerklärte Anteil im öffentlichen Sektor bei 35 Prozent liegt, im privaten Sektor sogar bei 43 Prozent. Hier handelt es sich um potenzielle Diskriminierung der Frauen.

Immerhin ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern in den letzten Jahren zurückgegangen. 2008 betrug er gesamtwirtschaftlich 16,6 Prozent. Mittlerweile sind es noch 11,5 Prozent.

Um die positive Entwicklung zu forcieren, hat das Parlament im vergangenen Jahr das Gleichstellungsgesetz geändert: Seit Juli 2020 müssen die grössten Unternehmen der Schweiz ihre Löhne auf Diskriminierung kontrollieren und ihre Angestellten über die Analyse informieren. Zusammen stellen die betroffenen Firmen fast die Hälfte aller Arbeitnehmenden hierzulande.

Eine Lösung des Problems ist damit aber nicht erreicht. Das vom Parlament verabschiedete Gesetz sieht keine Sanktionen vor. Und so ist nicht absehbar, wann in der Schweiz wirklich Lohngleichheit herrschen wird. Das Gleichstellungsgesetz gilt seit dem Jahr 1996. Die Gleichstellung der Geschlechter, wonach Frauen und Männer «Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit» haben, ist sogar schon seit 1981 in der Bundesverfassung verankert.