Abstimmung zur ArtenvielfaltDie Schweiz hält bei der Biodiversität ihre eigenen Gesetze nicht ein
Der Bund tut weniger für die Artenvielfalt, als es das Gesetz verlangt. Das stört nicht nur Befürworter der Biodiversitätsinitiative. Umweltminister Albert Rösti verteidigt sich.
Will Umweltminister Albert Rösti demonstrieren, dass die Schweiz schon heute viel für die Biodiversität unternimmt, lobt er den Einsatz der Bauern. Will er zeigen, wie viel der Bund selbst beisteuert, spricht er über Schutzgebiete. Und zwar über sogenannte «Biotope von nationaler Bedeutung». Das sind diejenigen Gebiete, die den höchsten Naturschutz geniessen. So will es das Gesetz. Und es sieht nicht nur vor, dass die Biotope unverbaut bleiben – sondern auch, dass dort die Artenvielfalt gefördert wird. Nur: Genau das kann seit Jahren nicht ausreichend sichergestellt werden. Denn es fehlt an Geld.
Zu diesem Schluss kam das Bundesamt für Umwelt (Bafu) bereits unter Röstis Vorgängerin Simonetta Sommaruga (SP). Nun bestätigte Rösti an einer Medienkonferenz, dass sich daran nichts geändert hat. Die Schweiz verstösst gegen ihr eigenes Gesetz. Aus Sicht des Umweltministers lässt sich das Problem aber managen: «Wir brauchen einfach mehr Zeit für die Aufwertung der Biotope», so Rösti.
«Wir brauchen mehr Geld und mehr Personal»
Das letzte Mal, als das Bafu eingehend prüfte, wie es um die Schutzgebiete steht, war 2021. Damals kam es zum Schluss, dass der Schutz in 75 Prozent der Schweizer Biotope ungenügend sei. In einem Bericht dazu hiess es: «Zum Teil sind die Umsetzungsdefizite sehr gross.» Wenig später schickte der Bundesrat einen Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative ins Parlament. Er wollte jährlich rund 90 Millionen Franken mehr ausgeben für die Artenvielfalt. Doch das Parlament lehnte den Gegenvorschlag ab. Daraufhin strich der Bundesrat sämtliche geplanten Zusatzausgaben für die Biodiversität wieder.
Die Initianten der Biodiversitätsinitiative kritisieren dies. Sie betonen, dass das Parlament das zusätzliche Geld im Voranschlag für die nächsten Jahre bereits bewilligt hatte. Und sie sagen, dass es unabhängig von ihrer Initiative mehr Geld brauche, um den gesetzlichen Schutz der Biotope sicherzustellen. Doch sie sind nicht die Einzigen, die sich daran stören, dass der Bund bei den Schutzgebieten eine «Finanzierungslücke» von 43 Millionen Franken pro Jahr festgestellt hat – diese aber nicht schliesst.
Mitte und GLP fordern Schutz für Biotope
Zwei Parlamentarier von Mitte und GLP haben bereits Ende 2023 Vorstösse dazu eingereicht. Sie fordern, dass der Bund sicherstellt, dass die Biotope so geschützt und gefördert werden, wie es das Gesetz verlangt. Die Mitte lehnt die Biodiversitätsinitiative ab, Teile der GLP waren im Parlament ebenfalls dagegen.
Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen hat einen davon eingereicht. Sie hat den Gegenvorschlag zur Initiative auch abgelehnt – weil sie fand, er hätte zu sehr in die Hoheit der Kantone eingegriffen. Doch sie sagt: «Wir brauchen mehr Geld und mehr Personal, um die bestehenden Biotope aufzuwerten und die Artenvielfalt zu fördern.» Z’graggen erhofft sich, dass das Geld, das ursprünglich für den Gegenvorschlag eingeplant war, stattdessen für die Biotope aufgewendet wird. Die Kantone bräuchten mehr Unterstützung, damit die «grossen Defizite beim Vollzug des Gesetzes» überwunden werden könnten.
Der Vorstoss war noch nicht im Parlament. Am Dienstag hat es die Umweltkommission des Nationalrats aber im Rahmen einer anderen Vorlage abgelehnt, zusätzliches Geld für den Naturschutz zu sprechen.
Rösti erklärt, warum die Mittel tief bleiben
Röstis Begründung dafür, dass die Ausgaben für den Schutz der Biotope nicht erhöht werden: Das Nein zum Gegenvorschlag sei als «Bewertung der Problematik» zu verstehen gewesen. Sprich: Das Parlament wolle nicht mehr Geld sprechen.
Der Umweltminister weist zudem darauf hin, dass der Bund sparen müsse. Er betont, dass die Mittel nicht gekürzt würden, sei in der aktuellen finanziellen Lage bedeutend. Rösti sagt: «Es ist richtig, dass wir uns noch verbessern können.» Ein Drittel der Arten sei weiterhin gefährdet in der Schweiz. Doch man arbeite an Verbesserungen, und das gelinge auch: Die Zahl der gefährdeten Arten sei seit dem Jahr 2000 nicht angestiegen.
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