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Bezirksgericht Zürich
Staatsanwalt­schaft hat im Fall der «Parkhaus­mörderin» Berufung angemeldet

Galt als «gefährlichste Frau der Schweiz»: Caroline H. (Mitte) hat erstaunliche Fortschritte hinter sich.
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Einst nannten die Medien sie «die gefährlichste Frau der Schweiz». Seit 23 Jahren ist die sogenannte Parkhausmörderin Caroline H. verwahrt. Das soll sich nun ändern. Das Bezirksgericht Zürich hat am Freitag auf Antrag des Zürcher Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung (Juwe) entschieden, die Verwahrung in eine stationäre Massnahme umzuwandeln.

Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft will dies verhindern und hat vorsorglich Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Zürich angemeldet, wie sie am Montag mitteilte.

Die vorsorgliche Berufung ist die Voraussetzung dafür, ein Urteil definitiv ans Obergericht weiterziehen zu können. Den endgültigen Entscheid über den Weiterzug will die Staatsanwaltschaft dann fällen, sobald das schriftliche Urteil des Bezirksgerichts vorliegt.

Caroline H. auf Jahre hinaus nicht frei

Frei würde die heute 51-jährige Caroline H. aber ohnehin auf Jahre hinaus nicht. Eine stationäre Massnahme kann zwar maximal für fünf Jahre angeordnet werden, aber sie kann so lange immer wieder verlängert werden, wie eine Rückfallgefahr besteht.

Der vorsitzende Richter liess am Freitag in seiner mündlichen Urteilsbegründung keinen Zweifel daran, dass eine Entlassung in die Freiheit für Caroline H. noch in weiter Ferne liegt, «sofern sie überhaupt je realistisch ist».

Dennoch ändert sich für Caroline H. einiges, wenn das Urteil rechtskräftig wird: Sie hat dann ein Recht auf intensive psychotherapeutische Behandlung. Zwar gestand ihr die Justizvollzugsanstalt Hindelbank schon in den letzten Jahren eine solche Therapie zu, aber auf freiwilliger Basis. Nun ist die Behandlung verbindlich.

Aussicht auf Öffnungsschritte

Vor allem aber hat Caroline H. Aussicht auf Öffnungsschritte, die in einer Verwahrung unmöglich wären. Zum einen erhält sie Zugang zu Gruppentherapien, was das Gericht als «angezeigt» erachtet.

Zum anderen müsse sie regelmässige begleitete und gesicherte Ausgänge absolvieren können: «Sie muss die Möglichkeit erhalten, zu beweisen, dass sie sich bewähren kann. Alle Beteiligten, die mit Caroline H. direkt zu tun haben, sind sich ausdrücklich einig, dass es dafür Zeit ist.» Schon in den letzten Jahren hatte Caroline H. drei gesicherte und begleitete Ausgänge pro Jahr – etwas, was Verwahrten kaum je bewilligt wird. Sie bewältigte diese stets problemlos.

Caroline H. dürfe aber keine überzogenen Erwartungen an die stationäre Massnahme haben, sagte der Richter weiter: «Es wird in sehr kleinen Schritten vorwärtsgehen. Unbegleitete Ausgänge sind aus unserer Sicht mindestens für die nächsten fünf Jahre kein Thema. Und auch ein Arbeitsexternat sehen wir vorerst kritisch.»

Wäre dies möglich gewesen, hätte das Gericht in seinem Entscheid eine Auflage gemacht, dass unbegleitete Ausgänge vorerst nicht zulässig seien, sagte der Richter weiter. Doch der Entscheid über solche Lockerungen liegt in der Kompetenz des Juwe. Der Richter mahnte aber, dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft müsse Rechnung getragen werden.

Hoch motiviert für Therapien

Eine Mahnung, die wohl nicht von ungefähr kommt. Nach einem Tötungsdelikt in Basel diskutiert die Politik gerade wieder über die Verwahrung und über unbegleitete Ausgänge. Dort erstach kürzlich ein Mörder, der zu einer stationären Massnahme verurteilt worden war, auf einem unbegleiteten Ausgang eine Frau.

Caroline H. hat in den letzten Jahren eine Entwicklung durchlaufen, die selbst Fachleute für völlig unwahrscheinlich gehalten hatten. Verurteilt worden war sie, weil sie 1991 im Parkhaus Urania und 1996 im Chinagarten zwei ihr unbekannte Frauen mit Messerstichen brutal getötet, 1997 eine weitere Frau schwer verletzt und überdies mehrere Jahre lang Dutzende Brände gelegt hatte. Sie hatte Gewalt- und Tötungsfantasien, die ihr selbst Angst machten.

Urania Parkhaus.
30.08.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

In den ersten Jahren war sie aus Sicherheitsgründen im Gefängnis komplett isoliert, heute lebt sie in einer Abteilung mit sechzehn anderen Frauen, in der die Zellentüren von 7 bis 21 Uhr offen sind. «Diese sehr deutlichen Fortschritte sind ihr hoch anzurechnen», sagte der vorsitzende Richter. «Sie hat gut mitgearbeitet.» Caroline H. sei nicht mehr so leicht reiz- und kränkbar wie früher, könne über ihre Gefühle reden und sei vor allem hoch motiviert für weitere Therapien.

Oberstaatsanwaltschaft gegen Umwandlung

Die Oberstaatsanwaltschaft hatte sich als einzige Instanz gegen die Umwandlung ausgesprochen. Dass Caroline H. ihr Mordgeständnis drei Jahre nach der Verurteilung widerrufen hat, zeige, dass sie in Bezug auf das Rückfallrisiko nur beschränkt therapierbar sei. Eine stationäre Massnahme komme gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung aber nur infrage, wenn sich damit das Risiko innert fünf Jahren deutlich senken lasse.

Auch für das Gericht liegt hier der grosse Haken – der Entscheid fiel denn auch nicht einstimmig. «Dass Caroline H. ihre Delikte nicht eingestehen kann, hat für uns ein hohes Gewicht», betonte der Richter. Allerdings sei der Gutachter der Ansicht, dass sich die Rückfallgefahr «mit einiger Wahrscheinlichkeit» senken lasse und «durchgreifende therapeutische Erfolge» möglich seien. Und daran sei das Gericht gebunden.

Deshalb stehe eine Umwandlung der Verwahrung in eine stationäre Massnahme auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichts.

Caroline H. hatte schon 2017 eine Umwandlung der Verwahrung in eine stationäre Massnahme beantragt, aber ohne Unterstützung des Juwe und der Gefängnisleitung. Damals war sie durch alle Instanzen gescheitert.