Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Beziehung zur EU
Besuch aus der Schweizer Parallelwelt

Hier war die Welt noch in Ordnung, waren die Guten Dienste der neutralen Schweiz noch gefragt: Der Bundesrat mit Staatssekretärin Livia Leu (rechts) vor Kriegsausbruch in der Ukraine mit US-Präsident Joe Biden.  
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Einen ersten Termin mit Livia Leu musste die EU-Kommission kurzfristig absagen. In Brüssel dreht sich derzeit alles um Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine. Immerhin, ein neues Datum für die Schweizer Emissärin wurde nun gefunden. Ausgerechnet am Tag nach Kriegsausbruch in der Ukraine hatte der Bundesrat seine Eckpunkte für den Neuanlauf nach dem Abbruch beim Rahmenabkommen präsentiert. Einen Monat später soll Staatssekretärin Livia Leu jetzt diesen Donnerstag mit den Sondierungen beginnen.

Der Bundesrat scheint ein Gespür für suboptimales Timing zu haben. Die Schweiz hat die Verhandlungen über das Rahmenabkommen in der heissen Phase des Brexit abgeschlossen, obwohl der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Blick auf toxische Querverbindungen einst eindringlich empfohlen hatte, genau dies zu vermeiden. Jetzt fällt der Schweizer Neuanlauf in die grösste Krise für Europas Sicherheit seit dem Zweiten Weltkrieg.

Schweiz keine Priorität

Die Schweiz ist in Brüssel weniger denn je eine Priorität. Um uns herum ist die Zeitenwende angebrochen, werden Tabus über Bord geworfen. In Brüssel summiert sich diese Zeitenwende unter dem Motto der europäischen Souveränität. Die EU steckt mitten in einem neuen Integrationsschub, der diesmal Verteidigung, Aussenpolitik und Energieversorgung erfasst. Wo bleibt da Platz für die Schweiz? Der Bundesrat hat darauf bisher keine Antwort.

Wenn in Brüssel wie letzte Woche die Staats- und Regierungschefs von EU, Nato und der sieben grössten Industriestaaten (G-7) zum Dreiergipfel zusammenkommen, ist die Schweiz nicht einmal informell dabei. Ende dieser Woche folgt ein EU-China-Gipfel. In der Konfrontation zwischen den westlichen Demokratien und den aggressiven Autokratien wird die Schweiz sich womöglich bald definitiv festlegen müssen, wie sie das ad hoc und nach einigem Zögern mit den EU-Sanktionen gegen Moskau getan hat.

Die neutralen Schweden und die bündnisfreien Finnen erwägen sogar ernsthaft, der Nato beizutreten. Vielleicht könnte die Schweiz ja tatsächlich künftig ihre Kampfflugzeuge vom Typ F-35 bei der Verteidigung Europas einbringen, wie es Mitte-Präsident Gerhard Pfister in die Diskussion gebracht hat. Ein Indiz, dass die Zeitenwende auch die Schweiz erfassen und das eine oder andere Tabu fallen könnte.

Frage der Souveränität

Doch vorerst machen wir weiter mit der Tagesordnung und ärgern uns über Kritik an der Umsetzung der Sanktionen in der Schweiz. Das Rahmenabkommen ist einst unter anderem an der Anmeldefrist für Handwerker aus dem süddeutschen Raum gescheitert. Das wirkt angesichts der neuen, grossen Fragen rückblickend seltsam aus der Zeit gefallen. Klar, im Hintergrund gab eine diffuse Angst vor einem Souveränitätsverlust mit den Ausschlag. Allerdings wollen die Ukraine, Georgien und die Republik Moldau lieber heute als morgen in diese EU, gerade aus Sorge um ihre Unabhängigkeit und Freiheit. Die Frage der Souveränität kann man offenbar je nach Perspektive unterschiedlich sehen.

Der Bundesrat will nach dem Abbruch beim Rahmenabkommen den Zugang zum EU-Binnenmarkt mit einem sektoriellen Ansatz regeln. Es ist fraglich, ob die EU diesen Ansatz vom Ende der 90er-Jahre als neues Fundament für die bilaterale Beziehung akzeptiert. Staatssekretärin Livia Leu wird die neue Stimmung nach der Zeitenwende in Brüssel bald selbst testen können.

Zeichen der Zeitenwende: US-Präsident Joe Biden vergangene Woche beim EU-Gipfel in Brüssel zum Krieg in der Ukraine.