Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Bersets «Schutzkaskade»
Gefährdete sollen sich von der Arbeit freistellen lassen können

Nicht immer lässt sich am Arbeitsplatz ein strenger Corona-Schutz einhalten.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Corona kann für jedermann gefährlich sein, doch für bestimmte Menschen bedeutet die Krankheit ein besonders hohes Risiko. Es handelt sich, nebst den Betagten, vor allem um Leute mit bestimmten Vorerkrankungen: Diabetes, Bluthochdruck, Krebs, Herz-Kreislauf- und Lungenkrankheiten gelten als Risikofaktoren, desgleichen ein geschwächtes Immunsystem sowie Übergewicht.

Diese Personen sollen nun aufgrund der Pandemie spezielle Rechte erhalten, wenn es nach Gesundheitsminister Alain Berset (SP) geht. Gemäss seinem Verordnungsentwurf, der dieser Redaktion vorliegt, könnten sich betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Lohneinbusse von der Arbeit freistellen lassen – zumindest in letzter Konsequenz, wenn alle vorgeschalteten Massnahmen nicht greifen.

Die «Schutzkaskade», die Berset an der Bundesratssitzung vom Mittwoch seinen Kolleginnen und Kollegen vorschlägt, sieht im Einzelnen so aus:

1. Die Firma schickt die gefährdete Person ins Homeoffice – und rüstet sie dafür technisch aus.

2. Kann die Arbeit nicht zu Hause erledigt werden, weist die Firma dem Betroffenen bei gleichem Lohn eine andere Tätigkeit zu, die im Homeoffice möglich ist.

3. Ist die Präsenz am Arbeitsplatz unabdingbar, setzt die Firma für den Gefährdeten strenge Schutzmassnahmen in Kraft.

4. Ist das nicht möglich, erhält der Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit vor Ort zugewiesen, bei welcher der Schutz gewährleistet ist.

5. Geht auch das nicht oder erachtet der Arbeitnehmer die Gefahr als zu gross, kann dieser sich gegen ärztliches Attest freistellen lassen. Der Lohn wird weiterhin ausbezahlt.

Bürgerliche Bedenken

Liefe es nach Berset, wäre dieses Massnahmenbündel bereits umgesetzt. Schon im Dezember stellte er seinen Kolleginnen und Kollegen einen entsprechenden Antrag. Er fand dafür aber in den bürgerlichen Departementen keine Mehrheit. Den Ausschlag gaben dem Vernehmen nach die Angst vor Massenabsenzen und vor zu hohen Kosten, teilweise aber auch eine generelle Abneigung gegen neue Corona-Massnahmen.

Nun versucht es Berset noch einmal – und wiederum ist höchst ungewiss, ob er Erfolg haben wird.

Bei den Gewerkschaften wäre die Enttäuschung über ein erneutes Scheitern gross. Für sie ist der Schutz der besonders Verletzlichen heute klar ungenügend. «Unter der jetzigen Regelung sind die Unternehmen berechtigt, auf die Anwesenheit ihrer Leute zu pochen. Fühlt sich jemand ungenügend geschützt, kann er dies zwar den Arbeitsinspektoraten oder der Polizei melden – aber wer will gegenüber seiner eigenen Firma schon so vorgehen?», sagt Luca Cirigliano, Zentralsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds.

Arbeitgeber wollen Mitspracherecht

Cirigliano gibt zu bedenken, dass die vorgeschlagene Kaskade unter dem Notrechtsregime von März bis Mai 2020 bereits einmal in Kraft war. Sie habe sich bewährt, hält der Gewerkschafter fest. Wichtig sei, dass die Erwerbsersatzordnung die Löhne der Freigestellten bezahle. Auf diese Möglichkeit müsse man die Firmen aufmerksam machen.

Zwiespältiger beurteilt der Arbeitgeberverband die Situation. Man habe mit dem Regime vom letzten Frühling «gemischte Erfahrungen» gemacht, sagt Verbandssprecher Fredy Greuter. Grundsätzlich sei die Kaskade zwar ein guter Mechanismus. «Uns stört aber, wenn die Arbeitnehmer praktisch allein entscheiden können, ob die Bedingungen für eine Freistellung erfüllt sind.» Die Arbeitgeber bräuchten ein Mitspracherecht, so Greuter. «Leider hat sich gezeigt, dass die Regelung sonst manchmal missbraucht wird.»