Tamedia-Umfrage zum BundesratAlain Berset verliert den Spitzenplatz
Die Negativschlagzeilen haben Folgen: Das Ansehen des Innenministers in der Bevölkerung sinkt. Die beste Note erhält neu Viola Amherd.
Teflon-Bundesrat ist aktuell einer der am häufigsten genannten Beinamen von Alain Berset. Dass am amtsältesten Mitglied der Schweizer Regierung scheinbar kein Fehltritt haften bleibt, macht seine politischen Konkurrentinnen und Konkurrenten ratlos.
Dies galt selbst dann noch, als sich vor einem Jahr die Negativschlagzeilen zu häufen begannen. Im August erhielt der SP-Innenminister in der letzten repräsentativen Umfrage im Auftrag von Tamedia und «20 Minuten» zur Arbeit der Regierung erneut die beste Note.
Ein halbes Jahr später gilt das nicht mehr. Bersets Teflonschicht hat Kratzer bekommen. In der neusten Tamedia-Umfrage rutscht er auf den dritten Platz ab. Auf einer Skala von 1 (miserabel) bis 6 (hervorragend) ist Berset mit der Note 3,92 knapp ungenügend. Im letzten August erhielt er noch eine 4,11, vor einem Jahr eine 4,33. An der jüngsten Onlinebefragung von Mitte Februar nahmen 27’668 Personen teil.
Corona-Leaks und Prämienhammer
Genau einen Monat zuvor war bekannt geworden, dass Bersets ehemaliger Kommunikationschef während der Pandemie eine Standleitung zum Chef des Ringier-Verlags hatte und diesen mit Informationen zur Corona-Politik des Bundesrates versorgte. Die schlechtere Note dürfte auch mit der Debatte um die Corona-Leaks zusammenhängen, sagt der Politologe Lucas Leemann vom Institut Leewas, das die Umfrage durchgeführt hat.
Am stärksten zurück ging Bersets Note bei den Wählerinnen und Wählern der FDP, gefolgt von jenen der SP – seiner eigenen Partei. Nach einer Begründung für ihre Notengebung wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht gefragt.
Auch eine Rolle bei der tieferen Benotung dürfte jedoch gespielt haben, dass Berset seit dem Ausklingen der Pandemie in der Öffentlichkeit deutlich weniger präsent war, sagt Politologe Leemann. Bersets Note war denn auch schon im August im Vergleich zur vorletzten Umfrage gesunken. Trotzdem hatte es nochmals für Platz 1 gereicht.
Hinzu kommt, dass Berset für jene Bereiche zuständig ist, die der Bevölkerung aktuell am meisten Sorgen machen: die Gesundheitskosten und die Altersvorsorge. Im Herbst konnte er sich zwar zuerst an der Urne mit der Reform der AHV durchsetzen, kurz darauf musste er aber den heftigsten Aufschlag bei den Krankenkassenprämien seit über zehn Jahren bekannt geben.
Die beste Note erhält mit 4,22 neu Viola Amherd (Mitte). Als Verteidigungsministerin steht sie seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich stärker im Fokus. Zudem hat sie im Herbst mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags für die neuen Kampfjets eine der heftigsten politischen Debatten der letzten Jahre beendet.
Auf Platz 2 bleibt Karin Keller-Sutter (FDP). Als neue Finanzministerin erhält sie mit 4,09 praktisch die gleiche Note wie noch im August als Justizministerin. Damals stand sie wegen der hohen Flüchtlingszahlen im Fokus, aktuell weil sie die Bundesfinanzen nach der Pandemie wieder ins Lot bringen muss.
Die übrigen Regierungsmitglieder erhalten alle ungenügende Noten. Auf dem letzten Platz landet die frisch gewählte Elisabeth Baume-Schneider mit einer 3,64. Beurteilen lässt sich die Arbeit der SP-Bundesrätin nach so kurzer Zeit im Amt eigentlich noch nicht. Das Gleiche gilt für Albert Rösti (SVP), der sich mit der Note 3,89 knapp vor Parteikollege Guy Parmelin einreiht.
Dank Elisabeth Baume-Schneider erhält Ignazio Cassis (FDP), anders als bei den früheren Umfragen, nur noch die zweitschlechteste Note. Weiterhin am schlechtesten schneidet Cassis jedoch bei der Frage ab, wer von den Bundesräten die Wiederwahl verdient hat: Nur ein Drittel der Befragten kreuzten seinen Namen an – immerhin ein paar Prozentpunkte mehr als im letzten August.
Auch in dieser Rangliste fällt Alain Berset im Vergleich zum Sommer vom ersten auf den dritten Platz zurück. Neu würden ihn noch 49 Prozent wählen. Im August waren es 56 Prozent, vor einem Jahr gar 64 Prozent.
Zufriedenheit mit Regierung und Parlament wächst
Etwas verbessert hat sich nach einem Tief im Sommer die Zufriedenheit der Befragten mit der Regierung und dem Parlament. 55 Prozent sind mit der Arbeit des Gesamtbundesrats zufrieden oder eher zufrieden, 50 Prozent sind es beim Parlament.
Auffällig ist schliesslich, dass die Befragten wenig an der aktuellen politischen Zusammensetzung des Bundesrates mit je zwei Vertretern von SVP, FDP und SP und einem der Mitte hängen. Nur 19 Prozent bevorzugen die sogenannte Zauberformel. Indes erhält auch keine der anderen abgefragten Varianten – etwa 1 Sitz für Grüne oder GLP auf Kosten von SP oder FDP – mehr Unterstützung.
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