Kommentar zum elektronischen PatientendossierBerset hätte früher eingreifen sollen
Der elektronische Datenaustausch im Gesundheitswesen funktioniert schlecht. Die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich.
Irgendwie passt es: Selbst der Schweizer Gesundheitsminister hat noch kein elektronisches Patientendossier. Alain Berset befindet sich damit in guter Gesellschaft. Mehr als 99 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer haben es bislang nicht für nötig befunden, ihre Krankengeschichte digital speichern zu lassen. Oder sie haben sich vom komplizierten Eröffnungsprozedere abschrecken lassen.
Dies bleibt nicht ohne Folgen. Wenn die verschiedenen Ärzte nicht wissen, wie die jeweils anderen eine Patientin behandelt haben, kann dies gefährlich werden und zu unnötigen Doppeluntersuchungen führen. Dennoch ignoriert auch die grosse Mehrheit der Praxen, Spitäler und Heime das elektronische Patientendossier (EPD). Einige legen die Krankengeschichten noch immer in Papierform ab. Die meisten haben ihre Informatik am EPD vorbeigeplant. Sie halten das elektronische Patientendossier für unnütz, solange es lediglich eine PDF-Ablage ist. Und solange die wenigsten Patientinnen und Patienten davon Gebrauch machen.
Der Föderalismus, der bei der EPD-Geburt vom Parlament hochgehalten wurde, ist hier nicht förderlich.
Es wird einen grossen Kraftakt brauchen, damit sich das elektronische Patientendossier doch noch durchsetzen kann. Dafür reicht es nicht, die Arztpraxen und Apotheken zum Mitmachen zu zwingen. Das EPD muss auch für die Versicherten attraktiver werden. Dies beginnt bereits beim Eröffnen. Es muss sowohl online als auch bei einem Beratungsgespräch möglich sein, zu einem solchen Dossier zu kommen. Und es darf nicht sein, dass dies nur an einem bestimmten Wochentag zu Bürozeiten möglich ist.
Die sieben Anbieter sollten sich zusammenschliessen und ihre Mittel konzentrieren, damit sie ein kundenfreundlicheres Angebot stemmen können. Der Föderalismus, der vom Parlament bei der EPD-Geburt hochgehalten wurde, ist hier nicht förderlich, wie sich inzwischen gezeigt hat. Es wäre denn auch viel zu einfach, die Schuld nur Alain Berset zuzuschieben. Er hat die Digitalisierung vernachlässigt und zu spät angepackt. Damit ist er aber leider nicht der Einzige.
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