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Entwicklungszusammenarbeit
Berset feiert die Schweizer Hilfe für Kolumbien, obwohl sie halbiert wird

Bundespräsident Alain Berset posiert mit früheren Mitgliedern der Guerilla Farc und deren Kindern in einem Reintegrationszentrum. 
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Alain Berset ist umringt von ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfern der Fuerzas Armadas de Colombia, kurz Farc. Die Bilder, die er twittert, zeigen ihn beim Besuch der Kleinstadt Dabeiba. Hier wurde während des internen Konflikts in Kolumbien heftig gekämpft. Nun besucht Berset ein Projekt, das den Farc helfen soll, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Auf Twitter schreibt der Bundespräsident dazu: «Ich bin sehr stolz, festzustellen, welche positive Rolle die Schweiz hier gespielt hat.» Man spüre, wie wertvoll der Frieden sei.

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Was Berset in diesem und rund einem Dutzend weiterer Tweets von der Reise nicht erwähnt: Der Bund will die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit in Kolumbien in den nächsten fünf Jahren drastisch reduzieren. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) soll alle seine Projekte vor Ort bis 2028 beenden. Aktuell hat es für vier Jahre 45 Millionen Franken zur Verfügung. Insgesamt gibt der Bund von 2021 bis 2024 100 Millionen für die Unterstützung in Kolumbien aus. Fast die Hälfte davon soll also künftig wegfallen. 

Die Wirtschaftshilfe des Seco soll beendet werden. Derweil will der Bund die humanitäre Hilfe und die Unterstützung der Friedensförderung, welche unter anderem bei der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (Deza) angesiedelt sind, weiterführen. Zusätzliche Kürzungen sind aber wahrscheinlich. Beim Aussendepartement heisst es auf Anfrage, es sei noch offen, wie viel Geld der Bund künftig noch für Projekte in Kolumbien vorsehe. Geplant ist aber, dass auch die Deza bei Projekten weltweit Gelder streichen muss. So sieht es die Strategie zur internationalen Zusammenarbeit für die Zeit ab 2025 vor. Das Dokument ist derzeit in der Vernehmlassung, bis im September können sich Parteien, Kantone und Organisationen noch dazu äussern. 

«Für die Umsetzung des Friedensvertrags spielt der Kampf gegen Armut und Diskriminierung eine entscheidende Rolle.»

Daniel Ott Fröhlicher, Programmverantwortlicher Kolumbien Swissaid

Nichtregierungsorganisationen betonen, Kürzungen in einem Bereich der Hilfsprojekte könnten grosse Konsequenzen haben für andere Bereiche. So sagt etwa Daniel Ott Fröhlicher, Programmverantwortlicher von Swissaid für Kolumbien: «Es ist schade, dass die Schweizer internationale Zusammenarbeit ihre Unterstützung verringert.» Insbesondere jetzt, da Kolumbien im Kampf gegen die Armut und für die Demokratisierung des Landes auf dem richtigen Weg sei. « Für die Umsetzung des Friedensvertrags zwischen der Farc und der kolumbianischen Regierung spielt der Kampf gegen Armut und Diskriminierung eine entscheidende Rolle.»

Ähnlich klingt es beim Hilfswerk der evangelisch-reformierten Kirche Heks. Mediensprecher Dieter Wüthrich sagt: «Kolumbien befindet sich in einer humanitären Krise.» Die Kluft zwischen den Reichsten und den Ärmsten im Land sei extrem gross und während der Covid-Pandemie noch gewachsen. «Zudem haben gerade in ländlichen Gebieten politische und soziale Instabilität und Gewalt gegen die Bevölkerung in den letzten Jahren trotz des Friedensabkommens drastisch zugenommen.» 

Kolumbien erhofft sich eine engere Beziehung

Bersets dreitägiger Besuch in Kolumbien ist der erste eines Schweizer Bundespräsidenten seit 2016 – und damit auch der erste, seit die kolumbianischen Regierung und die Farc ihr Friedensabkommen unterzeichnet haben. Anlass für die Reise war die Unterzeichnung eines bilateralen Abkommens. Die Schweiz soll künftig eine digitale Sicherheitskopie der Archive der kolumbianischen Wahrheitskommission aufbewahren. In einer Medienmitteilung betonte das Innendepartement, die Schweiz sei für Kolumbien ein wichtiger Partner  – auch in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Dennoch hat Berset keines der Projekte besucht, die eingestellt werden sollen, wie es auf Anfrage heisst: «Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des Seco ist aber ein Thema der Gespräche von Bundespräsident Berset mit seinen kolumbianischen Gesprächspartnern.» Ob die Budgetkürzungen dabei besprochen wurden, bleibt offen.

Ein Tweet der kolumbianischen Regierung hinterlässt nicht den Eindruck: «Die Schweiz war eine wichtige Verbündete für den Frieden. Heute wurde mit dem Besuch von Bundespräsident Alain Berset die Schweizer Unterstützung und die künftige Zusammenarbeit bestätigt – damit Kolumbien ein Land in Frieden sein kann.»

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Auf Anfrage kommentiert die kolumbianische Botschaft in Bern die geplante Halbierung der Mittel nicht. Stattdessen weist sie auf ein geplantes weiteres bilaterales Treffen hin, bei dem die Wirtschaftshilfe thematisiert werden soll. So reise Staatssekretärin und Seco-Chefin Helene Budliger-Artieda im Oktober nach Kolumbien. Die kolumbianische Regierung erhofft sich «eine Stärkung der Handelsbeziehungen und einen Impuls für gemeinsame Projekte, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen». 

Das Seco versichert, der Rückzug aus Kolumbien sei schrittweise geplant. Zudem sei es möglich, dass einige Schlüsselprojekte beibehalten würden. Wäre dies der Fall, müssten aber wohl im Gegenzug andere Projekte eingestellt werden. Denn das Aussendepartement sagt klar, dass die 45 Millionen des Seco nicht auf Projekte der Deza in Kolumbien übertragen werden.

Kürzungen auch wegen Geld für die Ukraine 

Bei bestehenden Entwicklungsprojekten weltweit ist künftig auch deshalb Sparen angesagt, weil fünf bis zehn Prozent des gesamten Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit für die Ukraine vorgesehen sind. Auch das steht in der neuen Strategie.

Daniel Ott Fröhlicher von Swissaid sagt: «Die Absicht des Bundesrats, die für den Wiederaufbau der Ukraine benötigten Mittel aus dem Finanzrahmen der internationalen Zusammenarbeit zu streichen und damit eine Kürzung der für den globalen Süden zur Verfügung stehenden Mittel zu bewirken, ist sehr besorgniserregend.» Eine Erhöhung der Beträge sei überfällig. 

Während die Mittel für Kolumbien beinahe halbiert werden, zieht sich die Schweiz aus drei anderen lateinamerikanischen Staaten ganz zurück. In Bolivien, Nicaragua und Honduras wird die internationale Zusammenarbeit 2024 beendet. Zusätzlich hat das Aussendepartement vor kurzem entschieden, die Schweizer Botschaft in Bolivien im nächsten Sommer zu schliessen, wie die NZZ berichtet hat. Grund dafür seien neue Sparmassnahmen, die sämtliche Departemente umsetzen müssen. 

«So kann man das Geld teilweise auch als Verhandlungsmasse nutzen, um Rücknahmeabkommen für Migranten abzuschliessen.»

Franz Grüter, SVP-Nationalrat 

Der Rückzug aus Lateinamerika ist nicht nur finanziell, sondern auch strategisch begründet. Der Bund will sich künftig stärker auf Subsahara-Afrika, Asien, Nordafrika und den Mittleren Osten fokussieren. Damit soll die Entwicklungszusammenarbeit stärker mit dem Thema Migration verknüpft werden. Das hatten bürgerliche Parteien seit Jahren gefordert, insbesondere die SVP. 

Franz Grüter, SVP-Nationalrat und Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, sagt, es sei sinnvoll, die Mittel in denjenigen Ländern einzusetzen, aus denen viele Flüchtlinge in die Schweiz kommen: «So kann man das Geld teilweise auch als Verhandlungsmasse nutzen, um Rücknahmeabkommen für Migranten abzuschliessen.» Die starke Reduktion der Hilfe in Kolumbien sei zudem gerechtfertigt: Das Land habe sich sehr positiv entwickelt in den letzten Jahren. Die Schweiz solle sich nun nur noch auf die Friedensförderung konzentrieren.

Hilfsorganisationen und linke sowie Mitte-Parteien kritisieren die Pläne für ein Ende des Engagements in Lateinamerika bereits seit langem. Sie betonen, man riskiere, dass bei einem völligen Rückzug aus der Region «jahrelange Aufbauarbeit zunichtegemacht» werde.