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Weltberühmter Techno-Club
Mit der Wilden Renate steht auch Berlin als Techno-Stadt vor dem Aus

Schmutziger Glitter: Besucherinnen der Wilden Renate.
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Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Wenige Monate nachdem Berliner Techno offiziell zum immateriellen Unesco-Weltkulturerbe ernannt wurde, steht einer der beliebtesten Clubs der Stadt vor dem Aus: Die Wilde Renate hat angekündigt, dass sie 2025 dichtmachen muss.

Und das nicht einmal wegen des geplanten Baus der Stadtautobahn A 100, der schon seit einiger Zeit drohend über Teilen der Berliner Technoszene hängt – nein, der Vermieter, Gijora Padovicz, hat laut Aussage der Betreiber die Miete verdoppelt, und die Verlängerung des Vertrages ist trotz intensiver Bemühungen seitens des Clubs gescheitert. Auch der Club Watergate ist bedroht.

Padovicz’ Praktiken sind in Berlin derart bekannt und umstritten, dass es sogar einen eigenen WatchBlog zu ihm gibt. Demnach sei er «einer der grossen Profiteure der öffentlichen Sanierungsförderungen im Rahmen des Stadtumbaus der 2000er-Jahre. Allein im Stadtteil Friedrichshain hat er die Hälfte aller Subventionen für die Altbausanierung bekommen.

Wilde Renate ist Institution im Berliner Nachtleben

Die Wilde Renate, ehemals «Salon zur Wilden Renate», wurde 2007 gegründet und befindet sich in einem unsanierten ehemaligen Mietshaus in der Nähe der Elsenbrücke. Partyvolk aus der ganzen Welt besucht das Lokal, auch unter Schweizer Club-Gängern ist der Club beliebt. Die Renate ist eine Institution des Nachtlebens; in frühen Jahren gab es dort ein Labyrinth, eine betretbare Kunstinstallation von Karmanoia, die über Berlin hinaus berühmt wurde. Es soll dort sogar eine Katze gegeben haben.

«Einmal brachte ich meinen Freund in das Labyrinth, und er behauptete, er habe eine Katze dort gesehen», schreibt ein ehemaliger Besucher auf Reddit. «Als er herauskam, stellte er fest, dass er in Katzendreck gekniet hatte. Er erzählte es jemandem an der Bar, aber ein paar andere Gäste hörten es, und so wurde er den ganzen Abend anmiaut.»

Die Renate war immer die heiterere Cousine des Berghain, des wahrscheinlich berühmtesten Technoclubs der Welt. Es ging dort weniger um demonstrierte Coolness (das Berghain, respektive ein Besuch dort, ist auch immer ein Statussymbol), sondern um die gemeinschaftliche Fantasie, Schaumkanonen, schmutzigen Glitter. Ein Ort wie aus einem Fiebertraum der Zwanzigerjahre, der schwer zu verpflanzen sein wird, selbst wenn die Betreiber einen neuen Standort finden.

Weltkulturerbe Techno im Kampf gegen Gentrifizierung

Dabei ist das Problem nicht, dass einem Club mal der Mietvertrag gekündigt wird, sondern die systematische Verdrängung solcher Orte, weil es immer weniger Ausweichmöglichkeiten gibt. Wenn die gesamte Stadt aussieht wie das Umfeld des Hauptbahnhofs, ist sie steril. Der Immobilienmarkt ist ein gesellschaftliches Problem – ein extrem komplexes, bei dem viele Lösungsansätze zu kurz greifen.

Wilde Renate in Berlin: Ein Club, der schwer zu verpflanzen sein wird, selbst wenn die Betreiber einen neuen Standort finden.

Natürlich stellt sich etwa die Frage, ob man die Schäden der Gentrifizierung wirklich realistischerweise durch Musealisierung der Clubkultur lösen kann. Clubs sind ja eigentlich immer etwas Temporäres, sie existieren für den Moment, spriessen hier aus dem Boden, verschwinden, machen dort wieder auf. Viele berühmt gewordene Clubs haben nur wenige Jahre existiert oder jedenfalls nur über einen kurzen Zeitraum wirklich geblüht. «Unter Naturschutz stellen» mag manchmal durchaus legitim und wirksam sein, aber wonach entscheidet man, was bewahrt werden soll?

Und wie verhindert man dann, dass öde Selbstzufriedenheit an die Stelle von Unternehmergeist und Aufbruchsstimmung tritt? Eine Stadt muss sich auch verändern dürfen, aber wenn es so weitergeht, wird das Weltkulturerbe «Berliner Techno» bald wirklich immateriell sein, weil es in der Stadt keinen bezahlbaren Raum mehr dafür gibt. Das Berlin von Anfang der Neunziger- bis Mitte der Nullerjahre ist im Verschwinden begriffen. Und es wird so nicht mehr zurückkehren.