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Lesung in Berner Dampfzentrale
Pro-Palästina-Aktivisten wollen Auftritt von Sophie Hunger verhindern

Sophie Hunger spielt Gitarre auf der Zeltbühne des Gurtenfestivals 2022.
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Sophie Hunger und die Dampfzentrale geraten ins Kreuzfeuer von Pro-Palästina-Aktivistinnen und -Aktivisten. In Kommentaren auf Social Media kritisieren sie die Berner Künstlerin für ihre Israel-nahe Position. Die Kritik richtet sich auch gegen den Kulturbetrieb, dass dieser Sophie Hunger überhaupt eine Plattform bietet. Einzelne fordern sogar, die Aufführungen abzusagen.

Zuletzt trat Sophie Hunger in Hamburg an einem Festival in der Elbphilharmonie auf. Nun geht sie mit ihrem Debütroman «Walzer für Niemand», der vor zwei Wochen erschienen ist, auf Tournee. In Bern liest sie vom 10. bis zum 12. April in der Dampfzentrale. Die drei Auftritte, an denen die international bekannte Künstlerin auch Lieder singen wird, sind ausgebucht.

Aussenansicht der Dampfzentrale mit Schriftzug und Backsteinfassade in Bern. Foto von Adrian Moser / Tamedia AG

Im Zentrum der Kritik steht das Lied «Oktober in Europa» der deutschen Hip-Hop-Gruppe Antilopen Gang, in dem es um den zunehmenden Antisemitismus in Europa seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem Aufflammen des Nahostkonflikts geht. Einer zweiten Version des Songs, die im Herbst 2024 veröffentlicht wurde, hat Sophie Hunger ihre Stimme geliehen.

Einige Textzeilen von Sängern der Antilopen Gang lauten etwa: «Heute sind die grössten Antisemiten alle Antirassisten», «auch Greta (Thunberg) hasst Juden» oder «Davidsterne werden an die Haustüren gesprüht. Ist das jetzt diese sogenannte Israelkritik?». Am Schluss singt Sophie Hunger: «Und ihr Lachen schallt im Nebel / Du sollst nirgendwo mehr leben / Der Sadisten grösster Segen / Ist dein verreckendes Geschrei.»

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In einem Interview mit dieser Redaktion im März sagte Hunger, das Lied sei «aus einer tiefen Trauer um die Opfer, unsere jüdischen Freunde und Mitbürgerinnen geboren» worden. «Mit dem eiskalten Hauch der deutschen Hamas-Fans im Nacken war ich sehr dankbar, in der Antilopen Gang Gleichgesinnte gefunden zu haben.»

Konflikt in der Kommentarspalte

Die Aktivisten beschuldigen die Sängerin, Propaganda der israelischen Streitkräfte zu verbreiten. In den Kommentarspalten des Instagram-Profils der Dampfzentrale wirft etwa das Ciné Résistance dem Kulturbetrieb einen Mangel an «Feingefühl, Sensibilität und Konsistenz» vor. Kritisiert wird, dass Greta Thunberg als Antisemitin und ein Taxifahrer als Nazi bezeichnet wird. Taxifahrer seien in Deutschland häufig «migrantischer Herkunft».

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Das Ciné Résistance gehört zum früheren Technoclub Kapitel Bollwerk, der sich nun unter dem Namen In Transformation neu positioniert. Jeweils dienstags werden dort Filme zum Nahostkonflikt und zu anderen Themen gezeigt. Nach eigenen Angaben widmet es sich derzeit mit seinen Veranstaltungen vor allem der «palästinensischen Sache».

«Orchestrierte» Attacke?

Zum Kollektiv des Eventorts gehört Dino Dragić-Dubois, Mitglied der städtischen Kulturkommission. Dragić-Dubois wurde zuletzt Hatespeech gegen Kulturschaffende wie Jürg Halter vorgeworfen. Wegen der mit Kraftausdrücken gespickten Posts wurde Dragić-Dubois von der Stadt abgemahnt und «zu einer Verhaltensänderung» aufgefordert. Ob Dragić-Dubois die Zeilen gegen den Auftritt von Sophie Hunger verfasst hat, ist offen. Dino Dragić-Dubois reagierte bisher nicht auf eine Anfrage dieser Redaktion.

In anderen Posts wird die Haltung von Sophie Hunger unterstützt. Eine Userin kritisiert, es gehe nicht um Dialog, sondern um «gezielte Angriffe». Hier werde von einer «orchestrierten Crew» Druck auf eine «differenzierte Künstlerin» und ihren Veranstaltungsort ausgeübt, weil «Hamas-Freund:innen» sie zum Feindbild erklärt hätten.

Auf die Frage, ob sie für das Lied «viel Hass abbekommen» habe, antwortete die 1983 in Bern geborene Sängerin im Interview mit dieser Redaktion: «Aber ja, viele sind sehr hart geworden. Das ist das, was Social Media mit Menschen macht. Es scheint, man kann über diese Verhärtung kaum hinwegkommen.»

Laut ihrem Management will sich Sophie Hunger nicht zu den Vorkommnissen äussern.

Anneli Binder, Co-Geschäftsleiterin der Dampfzentrale, sagt, dass man die Personen, die hinter Ciné Résistance stünden, zu einem gemeinsamen Austausch eingeladen habe. «Das Fördern des Dialogs zu komplexen Themen aus unterschiedlichen Perspektiven ist uns ein Anliegen.» Die Absage der Lesungen stehe für die Dampfzentrale jedoch nicht zur Diskussion.

Einer anderen Band wurde der Druck zu viel

Wer sich in der linken und alternativen Kulturszene gegen Antisemitismus einsetzt, kann zur Zielscheibe von Druck- und Boykottversuchen werden. Das zeigt auch das Beispiel der deutschen Punk- und Hardcore-Band Guts Pie Earshot. Diese sagte Auftritte in der Brasserie Lorraine in Bern und an anderen Orten in der Schweiz ab. Die Konzerte hätten im Februar stattfinden sollen.

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Die Band, die sich als antifaschistisch und antiautoritär bezeichnet, schrieb in einer Stellungnahme, dass ihr «zionistische Tendenzen» vorgeworfen worden seien. Sie habe sich nicht vom Staat Israel distanziert. Offenbar ging der Druck weit: «Inzwischen wurde uns klar, wie tief diese Dynamiken mittlerweile greifen – bis hin zu Drohungen und einer Atmosphäre, die eine sichere Durchführung der Shows infrage stellt.»

Um eine Eskalation zu vermeiden und niemanden in Gefahr zu bringen, sagte Guts Pie Earshot die Konzerte ab.