Gegenvorschlag zur GletscherinitiativeBenzinverbot ab 2040 – ein «Unsinn»?
Die Schweiz soll klimaneutral werden – aber wann und auf welchem Weg? Der Plan des Bundesrats sieht kein absolutes Verbot fossiler Energieträger vor. Die FDP applaudiert, die GLP nicht: Das liberale Lager ist zerstritten.
Es geht Schlag auf Schlag. Noch ist unklar, wie die Klimapolitik bis 2030 aussieht, da das Stimmvolk aller Voraussicht nach noch über das neue CO2-Gesetz befinden muss. Und doch öffnet sich bereits das nächste klimapolitische Streitfeld: Wie weiter danach?
Der Bundesrat hat einen Plan entworfen – in Form eines direkten Gegenvorschlags zur sogenannten Gletscherinitiative. Das Volksbegehren verlangt, dass ab 2050 die Schweiz nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Dieses Ziel teilt der Bundesrat mit den Initianten – viel mehr aber nicht. Laut Initiative soll es ab 2050 im Grundsatz verboten sein, in der Schweiz fossile Energieträger zu verbrennen. Es wäre das definitive Ende von Benzinautos sowie Öl- und Gasheizungen. Ausnahmen wären nur zulässig, sofern Alternativen technisch nicht möglich wären. Zudem müssten sie durch CO2-Senken neutralisiert werden, und zwar zwingend im Inland.
Nur Die Mitte ist zufrieden mit dem Bundesrat
Der Bundesrat dagegen geht weniger weit. Er will den Verbrauch fossiler Energieträger weiter zulassen, wenn alternative Technologien wirtschaftlich nicht tragbar oder nur in ungenügendem Ausmass vorhanden sind. Die Ausnahme gälte auch für den Fall, wenn durch das Verbot die nationale Sicherheit leiden würde. Armee, Polizei oder Rettungsdienste sollen für Schutz- und Rettungseinsätze auf fossile Treibstoffe zurückgreifen können. Der Bundesrat will auch offenlassen, ob die CO2-Emissionen durch Senken im In- oder Ausland zu neutralisieren sind, da jene in der Schweiz nur ein begrenztes Potenzial hätten. Den Initianten geht der Gegenentwurf zu wenig weit, sie halten an ihrem Anliegen fest.
Auch die Parteien sind sich uneins über die Schweizer Klimapolitik bis 2050. Das zeigt die Vernehmlassung zum bundesrätlichen Gegenentwurf, die am Mittwoch geendet hat. Zufrieden mit dem Bundesrat scheint nur die CVP, die mit der BDP fusioniert und neu «Die Mitte» heisst. An den Polen sieht es anders aus. Während die SVP den Gegenvorschlag ablehnt, geht dieser den linken Parteien zu wenig weit. Die SVP lehnt auch die Initiative ab – anders als die linken Parteien.
«Das Verbot per 2040 wird zur Vollzugsmeldung des Wandels, den wir ermöglichen.»
Und noch etwas macht die Vernehmlassung deutlich: Es klafft ein tiefer Graben zwischen jenen Parteien, die sich als liberal bezeichnen. Die FDP begrüsst ausdrücklich den Spielraum, den der Bundesrat mit der Aufweichung des Verbots fossiler Energieträger schafft. Nur so sei das Ziel von netto null bis 2050 sozial und wirtschaftsverträglich umsetzbar. Anders die Grünliberalen. Sie verlangen ein grundsätzliches Verbot fossiler Energieträger, und das schon ab 2040.
Pikant mutet dies an, weil die GLP für sich in Anspruch nimmt, eine ökologische Politik ohne Verbote zu machen – eine Abgrenzung nicht zuletzt von den Grünen. Von einem Widerspruch will Jürg Grossen nichts wissen: «Wir bleiben unserer Linie treu.» Die Grünliberalen zögen Lenkungsinstrumente wie etwa die CO2-Abgabe auf Brennstoffe den Verboten im Grundsatz weiterhin vor. Grossen taxiert den Vorschlag seiner Partei nicht als eigentliches Verbot: «Wirtschaft und Gesellschaft haben bis 2040 genügend Zeit, entsprechend zu planen und ihre Investitionen auf saubere und wirtschaftlich tragbare Lösungen auszurichten.» Das «Verbot» per 2040 werde damit gewissermassen zur Vollzugsmeldung des Wandels, den die GLP mit ihren liberalen Instrumenten ermöglicht habe.
«Es spricht Bände, dass die Grünliberalen vom Verbot aller Brenn- und Treibstoffe bis in 19 Jahren träumen.»
Im Freisinn hält man Grossens Begründung für eine schlecht gelungene Pirouette: GLP und Grüne – gibt es da noch einen Unterschied? «Es spricht Bände, dass die Grünliberalen vom Verbot aller Brenn- und Treibstoffe bis in 19 Jahren träumen», sagt FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen und warnt vor seiner Ansicht nach absurden Folgen zum Beispiel bei den Autos. Kurz vor 2040 würden immer noch Hybridautos mit Verbrennungsmotoren in Verkehr gesetzt, dann aber kurze Zeit später deren Treibstoffe verboten, so Wasserfallen, die Konsequenz wäre ein «massiver Tanktourismus» jenseits der Landesgrenze. Wasserfallen hat für den GLP-Plan deshalb nur ein Wort übrig: «Unsinn.»
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