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Kein Bankkonto für Homoehe-Gegner
Bei Schweizer Firmen grassiert die Angst vor dem Shitstorm

Empörte Kunden brachten die Migros dazu, die «Mohrenköpfe» von Dubler aus den Regalen von zwei Filialen zu nehmen.
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Der Trägerverein hinter dem Referendum gegen die «Ehe für alle» fühlt sich ungerecht behandelt. «Diverse» Banken – welche, sagt der Verein nicht – hätten ihm ein Konto verweigert. Dagegen bekämen Organisationen, die sich für gleichgeschlechtliche Paare einsetzen, problemlos ein Konto. Das sei unfair.

Ein Beispiel für die Ungleichbehandlung sei die Raiffeisenbank in Zug. Die Bank habe die Kontoeröffnung ohne konkrete Begründung aber mit dem Stichwort «Reputationsschaden» abgelehnt. Zudem habe die Bank «das Gespräch über die wahren Gründe der Absage schlicht verweigert», so der Verein. Das Referendumskomitee hat daher Strafanzeige gegen die Raiffeisenbank Zug eingereicht. Raiffeisen Schweiz verweist auf die Vertragsfreiheit der einzelnen Mitgliedsbanken, Konti zu gewähren oder nicht.

Zoff mit der Zürcher Kantonalbank

Raiffeisen ist kein Einzelfall. So streitet sich Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli seit mehr als zwei Jahren mit der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Denn die ZKB würde sich weigern, Minelli und seinem Sterbehilfe-Verein die Grunddienstleistungen einer Bank zur Verfügung zu stellen. Aus welchen Gründen ist für Aussenstehende nicht klar. Laut Medienberichten, gehe es auch um die Frage, ob Minelli im Ausland Werbung für den assistierten Suizid mache.

«Das Gegenteil von Angst ist Haltung, und dafür braucht es Mut.»

Frank Bodin, Starwerber

«Gesellschaftliche Themen gewinnen in der Wirtschaft an Bedeutung, aber einige Firmen übertreiben es – sie wollen vorbildlicher erscheinen, als sie sind», urteilt Starwerber Frank Bodin: Viele Unternehmen hätten einfach Angst davor, einen Fehler zu machen. «Das Gegenteil von Angst ist Haltung, und dafür braucht es Mut», so Bodin.

Das grelle Schlaglicht der sozialen Medien

Gesellschaftliche Veränderungen sind für Firmen ein heikles Terrain – oft können sie fast nur falschliegen. «Der Druck auf Unternehmen ist gestiegen, soziale und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, wie etwa Themen wie Inklusivität und Diversität zeigen», sagt Albena Björck, Kommunikationsexpertin und Dozentin an der Hochschule ZHAW in Winterthur. Die Digitalisierung und die sozialen Medien verstärken diesen Trend zusätzlich.
Damit mitzuhalten, ist für viele Firmen nicht einfach. Sie müssen laufend eine glaubwürdige Position zu einer Vielzahl von sich schnell entwickelnden Themen einnehmen. «Eine neue Bewegung formiert sich in den sozialen Medien wie aus dem Nichts und bekommt rasant eine Eigendynamik», so Björck.

Hat eine Firma Angst, Kunden mit einem Geschäftspartner vor den Kopf zu stossen, lässt sie die Beziehung lieber bleiben – was dann prompt den Vorwurf der Cancel Culture auslöst: sprich, dass Firmen unliebsame Meinungen totschweigen.

So verteilte die Airline Swiss bei Unannehmlichkeiten ihren Passagieren Pralinenschachteln des Glarner Chocolatiers Läderach als Wiedergutmachung – zehn Jahre ging das so. Dann kündigte die Fluggesellschaft die Zusammenarbeit per April 2020 auf, weil sich einige Swiss-Kunden an den Meinungen des Läderach-Inhabers störten. Jürg Läderach ist bekannt für seine konservativen Ansichten gegen Homosexuelle und Abtreibung.

Laut Kommunikationsexpertin Björck würden viele Firmen einfach abwarten und hoffen, dass sich das Problem von selber löst. Dieses Zögern könne zu einem Shitstorm führen. «Meiner Meinung nach haben viele Unternehmen ein unzureichendes Verständnis der modernen Konfliktdynamik und der damit verbundenen Risiken», so Björck.

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Das zeigt sich etwa am Fall des Aargauer «Mohrenkopf»-Herstellers Dubler. Migros-Kunden hatten sich im Sommer 2020 in den sozialen Medien darüber aufgeregt, dass der orange Riese in Zürcher Filialen die klebrige Süssspeise mit dem umstrittenen Namen anbietet. Daraufhin nahm der Detailhändler dort das Produkt aus den Regalen. Dubler-Inhaber Robert Dubler lehnte es danach ab, den Namen seiner «Mohrenköpfe» zu ändern. Doch die Auslistung der Dubler-Köpfe löst gleich den nächsten Proteststurm aus.

Ein Shitstorm in den sozialen Medien wurde im Juni 2020 der Werbeträgerin Mimi Jäger zum Verhängnis. Die Post beendete umgehend die Zusammenarbeit mit der ehemaligen Ski-Freestylerin. Jäger hatte sich in den sozialen Medien über einen Stau aufgeregt, in den sie wegen einer Antirassismus-Demo geraten war. Die Post kündigte daraufhin Jäger, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Später entschuldigte sich der Staatsbetrieb bei der Influencerin.

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Sexismusverdacht gegen Künstlerinnen

Mit einer speziellen Tragetasche-Edition zu Covid-19 wollte die Genossenschaft Migros Zürich im Frühling 2020 der Kundschaft eine spezielle Freude machen. Das renommierte Schweizer Künstlerinnentrio Mickry 3 gestaltete die Taschen.

Doch dann kam der Sexismusverdacht: Die Illustrationen zeigen eine künstlerisch stilisierte nackte Frau und eine Katze in lustigen Alltagssituationen. Das Unternehmen stoppte daraufhin die Verteilung der Taschen an die Kunden im letzten Moment. Die Migros liess 60’000 Tüten einstampfen. Die Begründung: Es fehle ein klarer Bezug zur Pandemie.

Die vorsorglich eingestampfte Einkaufstasche der Migros ist für Werber Bodin ein typisches Beispiel: «Migros ist kein sexistisches Unternehmen, die hätten die künstlerischen Taschen zeigen können.» Vorschnell auf potenziellen Gegenwind zu reagieren, sei eine gefährliche Entwicklung. «Das ist schon fast Selbstjustiz», so Bodin.

Heute bestreiten die betroffenen Unternehmen vehement, Cancel Culture betrieben zu haben. Bei den «Mohrenköpfen» habe es sich um einen «unternehmerischen Entscheid» gehandelt, teilt die Migros mit. Das Produkt sei in lediglich 2 von total 630 Supermärkten entfernt worden. Zu den zurückgezogenen Einkaufstaschen nahm das Unternehmen keine Stellung.

Die Post habe nach dem Zwischenfall mit Mimi Jäger intern mit den Verantwortlichen der Social-Media-Kanäle Gespräche geführt, um diese für das Thema zu sensibilisieren, sagt eine Firmensprecherin. Eine Post-Mitarbeiterin habe voreilig und ohne Rücksprache auf die Äusserungen von Jäger reagiert. Die Angestellte und Jäger hätten die Angelegenheit inzwischen bereinigt.

Bei der Swiss heisst es, sie habe den Vertrag mit Läderach ordnungsgemäss auslaufen lassen, weil sie die Pralinenschachteln nicht mehr an Bord führe. Bei einer erneuten Ausschreibung spreche indes nichts dagegen, Läderach wieder zu berücksichtigen – ausser die Firma hat Angst vor dem Gegenwind.