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Allergien und Schnupfen
«Hatschi!» – Warum Niesen gut für uns ist

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Warum niesen wir?

Niesen ist der Versuch des Körpers, Fremdkörper loszuwerden. «Es ist ein Reflex, den wir nur schwer beeinflussen können», sagt Philipp Kulas, Spezialarzt für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen (ORL) vom Universitätsklinikum des Saarlandes (D). Häufig ist das Niesen bei Infektionen der oberen Atemwege. Auslöser sind in vielen Fällen Rhinoviren, die für lokale Entzündungsreaktionen in der Nase sorgen und dadurch die Auslöseschwelle für den Niesreflex senken. Ähnliches passiert beim Heuschnupfen: Die allergische Reaktion auf Stoffe in Pollen führt zu Entzündungsreaktionen in der Nasenschleimhaut, was das Niesen begünstigt. Schliesslich können auch helles Licht oder Reizstoffe wie Menthol, Lösungsmittel oder Kaffee den Reflex auslösen.

Wo liegt das Nieszentrum?

Fachleute gehen davon aus, dass der Mensch ein Nieszentrum hat – wissen tut das aber niemand so genau. Nachgewiesen wurde es bislang erst in Katzen. Beim Menschen dürfte die Struktur am gleichen Ort im Gehirn liegen: beim Übergang zum Rückenmark, in der sogenannten Medulla oblongata. Dort sind auch die Steuerzentralen weiterer Vitalfunktionen und Reflexe angesiedelt. Im Nieszentrum werden die reizauslösenden Signale zusammengeführt und an Zwerchfell sowie Bauch-, Brust- und Rachenmuskulatur weitergesendet.

Wie läuft das Niesen im Körper ab?

Der Niesreflex besteht aus zwei Teilen. In der ersten Phase werden Reize aus der Nase weitergeleitet, was den Reflex auslöst. Dies läuft über den sogenannten Trigeminusnerv. Es handelt sich um einen Hirnnerv, der aus drei Hauptästen besteht und grosse Teile des Gesichts mit dem Gehirn verbindet: den Bereich der Augen sowie Ober- und Unterkiefer inklusive Nase. Mechanische oder chemische Reize in der Nasenschleimhaut führen zu einer Aktivierung der Trigeminusfasern, die ein Signal an das Nieszentrum weiterleiten.

Dort wird die zweite Phase ausgelöst: Man atmet tief ein und stösst die Luft wieder aus der Lunge. Die Stimmritze ist anfangs geschlossen, wodurch sich ein Druck aufbaut, der sich durch plötzliches Öffnen mit einem explosionsartigen Ausatmen entlädt. «Die Atemluft erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern pro Stunde und mehr», sagt Niesspezialist und ORL-Arzt Philipp Kulas. Selbst kleine Tröpfchen – in der Erkältungssaison mit ansteckenden Krankheitserregern – werden mit einer Anfangsgeschwindigkeit von über 30 Kilometern pro Stunde ausgestossen, wie Messungen ergaben. Der Luftstoss reinigt die Schleimhäute von Staub, Pollen und Krankheitserregern.

Wieso niesen manche Menschen, wenn sie ins Licht schauen?

Es ist häufiger, als man denkt: In einer Studie mit über 1000 Patienten fanden Autoren um Philipp Kulas vom Universitätsklinikum des Saarlandes, dass 57 Prozent zumindest zeitweise niesen müssen, wenn sie in helles Licht schauen. Wieso es diesen lichtinduzierten Niesreflex gibt, ist bis heute ein Rätsel. Das Phänomen mit der unhandlichen Fachbezeichnung ACHOO (Autosomal Cholinergic Helio-Ophthalmologic Outburst) tritt bei Kindern in den ersten drei Lebensjahren häufiger auf und ist teilweise vererbt. Es wird vermutet, dass das Sonnen-Niesen über einen Ast des Trigeminusnervs ausgelöst wird, der Auge und Augenhöhle partiell versorgt. Bei einem starken Reiz gelangt das Nervensignal durch eine Fehlschaltung ins Nieszentrum und löst den Reflex aus. Eine andere, weniger favorisierte Hypothese geht davon aus, dass das Niesen durch eine Überreizung der Sehrinde im Gehirn geschieht.

Wieso lösen Kaffee oder Kaugummi den Reflex aus?

So wie helles Licht können zahlreiche andere Reize ein Niesen auslösen: Kaffee, Kaugummi, Lacke, Farben – oder ein Druck an der richtigen Stelle im Gesicht. «Wer auf welche Stimuli mit einem Niesreflex reagiert, ist sehr individuell», sagt Philipp Kulas. Die Reizung erfolgt wahrscheinlich wie bei Schnupfen und Allergien über die Nasenschleimhaut, von wo der Reiz vom Trigeminusnerv zum Nieszentrum geleitet wird. Der Riechnerv scheine hierbei keine Rolle zu spielen, sagt Niesspezialist Philipp Kulas. Als weitere Nies-Auslöser sind Erkrankungen des Zentralnervensystems, psychische Faktoren oder sexuelle Erregungen bekannt.

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Warum schliessen wir beim Niesen die Augen?

Wir können fast nicht anders, beim Niesen schliessen sich unsere Augen reflexhaft. «Wieso wir das tun, ist unklar», sagt Philipp Kulas. Vermutet wird, dass damit verhindert werden soll, dass Krankheitserreger, die wir ausniesen, in die Augen gelangen. Eine andere Erklärung ist, dass damit dem enormen Druck beim Niesen entgegengewirkt werden soll. Wir würden damit sozusagen verhindern, dass die Augäpfel aus der Augenhöhle gedrückt werden, so die Überlegung. Allerdings sind die Augen nur über den schmalen Tränenkanal mit den Atemwegen verbunden und deshalb dem Druck weniger ausgesetzt.

Wie unterdrückt man lautes Niesen?

Es gibt viele Situationen, bei denen lautes Niesen nicht angebracht ist – erst recht während der Erkältungssaison, wenn ansteckende Viren kursieren. Mediziner raten jedoch davon ab, das Niesen zu unterdrücken. «Das sollte man auf keinen Fall tun», sagt Philipp Kulas. Die hohen Drücke, die beim katapultartigen Luftausstoss entstehen, können zu Verletzungen führen: geplatzte Blutgefässe in der Nasenschleimhaut oder eine Schädigung des Trommelfells. In ganz seltenen Fällen hat das Zuhalten von Mund und Nase beim Niesen sogar einen Riss im Rachenraum zur Folge. Kulas empfiehlt, mit offenem Mund zu niesen – während der Erkältungssaison am besten in die Armbeuge, wie wir es während der Pandemie gelernt haben.

Was ist der Unterschied zwischen Husten und Niesen?

Auch das Husten ist ein Reflex unseres Körpers. Während das Niesen die oberen Atemwege reinigt, geht es beim Husten vor allem um die Lungen und Bronchien, die von Sekret, Schmutzpartikeln und Fremdkörpern befreit werden sollen. Ein weiterer Unterschied: Husten kann im Gegensatz zum Niesen auch absichtlich, ohne äusseren Reiz ausgelöst werden.

Warum sind beim Niesen so viele Fragen offen?

Tatsächlich: Obwohl alle Menschen einen Niesreflex haben, ist wissenschaftlich fundierte Erkenntnis dazu nur spärlich vorhanden. «Es ist wie oft in der medizinischen Forschung: Ohne einen relevanten Krankheitswert oder therapeutischen Nutzen lassen sich Projekte, besonders wenn es dabei um Untersuchungen an Menschen geht, oft nur schwer realisieren», sagt Philipp Kulas, der selber zum Niesen geforscht hat. «Heute mag manches als Stammtischwissen gelten, doch vielleicht hat der Reflex auch einen prädiktiven Wert für Erkrankungen, den wir heute noch nicht kennen.» So wisse man beispielsweise, dass ein beeinträchtigter Geruchssinn bei Parkinson ein frühes Krankheitszeichen ist und in die Diagnostik eingebunden werden sollte.

Warum sagen wir «Gesundheit»?

Der Ausspruch «Gesundheit» kam ab Ende des 18. Jahrhunderts in Mode, nachdem die ursprünglichen Nies-Segenswünsche kritisiert worden waren. Wie eine Dissertation von 1994 nachweist, galten Sprüche wie «Gott helf’» oder «Gott möge dich segnen» zunehmend als abergläubisch oder als inhaltsleere Floskeln.

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Welche Bedeutung hatte Niesen bei unseren Vorfahren?

Anders als beim Husten wird dem Niesen in vielen Kulturen eine tiefere Bedeutung zugesprochen. Die alten Griechen und Römer interpretierten es zum Beispiel als Zeichen für Gesundheit und wünschten der niesenden Person «Lebe lange» oder «Möge Jupiter dich segnen». Andere Kulturen gingen hingegen laut einer Übersichtsarbeit im Fachblatt «Therapeutic Advances in Respiratory Disease» davon aus, dass beim Niesen der Teufel dem Körper entweicht, wozu man den Nieser oder die Nieserin überschwänglich beglückwünschte. Mancherorts glaubte man im Gegenteil, dass Satan und böse Geister in den Körper eintreten könnten – oder umgekehrt Teile der Seele aus dem Körper entweichen.

In China und Japan ist gemäss der Veröffentlichung der Glaube verbreitet, dass wenn jemand ohne Grund niest, jemand über sie oder ihn spricht. Bei einem einfachen Niesen werden gute Dinge über die Person gesagt, bei zweifachem schlechte.