Bedrohte Lebensmittel Von der Camembert-Krise bis zum Kakao-Sterben
Eine Studie aus Frankreich warnt: Der Camembert-Pilz droht auszusterben. Bei welchen Lebensmitteln die Lage ebenfalls schwierig ist.
Bald könnte es vorbei sein mit Schimmelkäse aus dem Nachbarland. Denn laut einer aktuellen französischen Studie sind die Pilzstämme, die für die Reifung von Camembert und Roquefort verwendet werden, in wenigen Jahren tot. Bei Ersterem ist das Problem am grössten: Der Pilz Penicillium camemberti würde gemäss den Forscherinnen und Forschern so selektiv gezüchtet, dass er schon bald nicht mehr fähig ist, fruchtbare Sporen zu bilden.
Doch die Lösung wäre nicht so schwer: Auch andere Pilzstämme würden sich theoretisch hervorragend für eine schmackhafte Reifung eignen. Mit dem Nachteil, dass der Käse dann nicht mehr den ganz perfekten weissen Pilzflaum des blauen Camembert-Schimmels trägt, den die französischen Produzentinnen und Produzenten erwarten.
Dennoch spricht die Studie ein Thema an, das in anderen Fällen durchaus gefährlich werden kann: Der Camembert-Pilz ist kein Einzelfall. Viele Lebensmittel sind – aus unterschiedlichen Gründen – bedroht oder bereits ausgestorben.
Wegen der fehlenden Vielfalt: Banane und Orange in Gefahr
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann der Mensch erstmals, gezielt Pflanzen zu züchten. Spätestens in den 60er-Jahren nahmen die Hochleistungssorten weltweit Einzug. Dadurch reduzierte sich die genetische Vielfalt der eingesetzten Nutzpflanzen deutlich. Das rächt sich heute: «So können sich Schädlinge und Krankheiten mittlerweile schneller und epidemieartig ausbreiten», sagt Monika Messmer vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau.
Paradebeispiel ist die Banane. Ihre Existenz wird durch die sogenannte Panamakrankheit bedroht. Und das nicht zum ersten Mal: Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die damals vorherrschende Sorte Gros Michel durch den Pilz Tropical Race 1 ausgerottet. Bananenzüchter wichen daher ab den 60er-Jahren auf die resistente, aber weniger schmackhafte Sorte Cavendish aus. Heute macht sie über 95 Prozent des weltweiten Bananenhandels aus – und ist mittlerweile auch gefährdet.
Denn der Pilz befällt seit den 90er-Jahren in einer neuen Rasse auch die Cavendish-Bananen. Laut Fachleuten könnte der Erreger bis zu 85 Prozent der weltweiten Bananenpflanzen zerstören. Denn beim Bananenanbau gibt es sozusagen keine genetische Vielfalt: Die heutigen Zuchtpflanzen werden nicht mehr durch Samen, sondern durch Sprösslinge vermehrt. Sie sind also sozusagen Klone und besitzen immer dieselben Gene.
Ein ähnliches Schicksal droht auch der Orange: Das sogenannte «Citrus Greening» verwüstet mittlerweile weltweit ganze Plantagen. Im US-Bundesstaat Florida, dessen Plantagen den Grossteil der Orangen-Nachfrage Nordamerikas abdecken, sind die Erträge seit dem Auftreten des von Blattläusen übertragenen Bakteriums um mehr als zwei Drittel eingebrochen. 2023 resultierte die schlechteste Ernte seit 100 Jahren. Auch in Brasilien und in Asien wütet der Erreger. Orangen besitzen zwar eine weitaus höhere Sortenvielfalt als etwa Bananen. Dennoch ist bis heute keine natürlich-resistente Orangenpflanze gegen die Krankheit bekannt.
Wegen der Klimaerwärmung: Angst um Reis und Kaffee
Italien ist in Aufruhr: Wegen anhaltender Dürre fällt ein grosser Teil der Risottoreisernte im südlichen Nachbarland aus. Bereits 2022 brach der Ertrag um die Hälfte ein. Ausgerechnet die «Königin des Risottos», die Sorte Carnaroli, ist überaus empfindlich für klimatische Veränderungen. Auch in anderen europäischen Ländern treffen die klimatischen Veränderungen den Reisanbau empfindlich.
«Der Klimawandel ist die grösste Herausforderung», sagt Agroscope-Pflanzenforscher Etienne Bucher. Denn die klassische Züchtung sei zu langsam, um rechtzeitig Sorten zu erhalten, die genügend hitze- und trockenheitsresistent sind. «Zudem können neue Krankheiten und Schädlinge lokal angepasste Sorten stärker treffen.»
Andere Landwirtschaftszweige leiden genauso: beispielsweise der Weinbau oder die Kakaoplantagen. In Westafrika verzeichneten Letztere in den vergangenen Monaten klimabedingt grosse Ausfälle. Die Branche erlebt folglich einen explodierenden Handelspreis. Seit Anfang Jahr ist er um beinahe die Hälfte angestiegen. Das gleiche Problem plagt auch den Kaffee: Geeignete Anbauflächen werden weniger, die Erträge sinken fortlaufend, und auch Krankheitserreger machen den Pflanzen zu schaffen.
Auch wenn die Veränderungen mittlerweile immer rascher einträten, werde die klassische Pflanzenzüchtung trotzdem noch lange eine zentrale Rolle spielen, sagt Etienne Bucher. «Bei ihr entsteht bei jeder Kreuzung Neues und manchmal auch Überraschendes.» Neue Züchtungsmethoden, wie etwa mithilfe des Crispr/Cas-Verfahrens, seien daher kein Ersatz für die klassische Züchtung. «Sie sind ein zusätzliches Werkzeug, um den doch sehr langwierigen Züchtungsprozess stark zu beschleunigen und gezielter zu machen.»
Wegen des Bienensterbens: Nutzpflanzen werden nicht mehr richtig bestäubt
Der weltweite Bestand der Honigbienen ist in den letzten drei Jahrzehnten zwar gestiegen. Doch die Wildbienen sterben weg. Die Hälfte der hierzulande verbreiteten Arten steht auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Klimawandel, Pestizide und abnehmende Grünflächen und Nistplätze setzen den Insekten zu.
Das hat direkte Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Laut der Welternährungsorganisation FAO sind geschätzt 71 der 100 Nutzpflanzenarten, aus denen 90 Prozent der Lebensmittel weltweit gewonnen werden, von Bienen bestäubt. In Kalifornien werden wegen des Wildbienenschwunds bereits seit mehreren Jahren Honigbienen durch Mandelplantagen gekarrt. In Japan und Teilen von China müssen Obstbäume bereits manuell mit Pinseln bestäubt werden. Geforscht wird deshalb an alternativen, künstlichen Bestäubern: Bienenroboter etwa – oder mit Pollenkörnern gefüllte Seifenblasen, die aus Drohnen geschossen werden.
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