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Antritt des neuen Bundesrats
Sieben Knackpunkte für Neo-Bundesrat Beat Jans

Der neu gewaehlte Bundesrat Beat Jans trifft sich auf dem Bundesplatz mit seinen Anhaengerinnen und Anhaengern, nach den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates durch die Vereinigten Bundesversammlung, am Mittwoch, 13. Dezember 2023 in Bern. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
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Die Überraschung nach den Bundesratswahlen war gross: Nach nur einem Jahr wechselt Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ins Innendepartement. Nun übernimmt Beat Jans das Zepter im Justiz- und Polizeidepartement.

Das sind seine grössten Herausforderungen:

1. Antworten auf Zuwanderungskritik und Fachkräftemangel finden

Die Zuwanderung hat im Jahr 2023 einen Rekordwert erreicht: Bis Ende November wanderten unter dem Strich rund 96’000 Personen in die Schweiz ein – fast so viele wie im Spitzenjahr 2008. Das ist die Zunahme der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung. Asylsuchende, Personen mit Status S und vorläufig Aufgenommene zählen nicht dazu. Beim grössten Teil handelt es sich um Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Während vor allem die SVP die hohen Zahlen kritisiert, beklagt die Wirtschaft den Fachkräftemangel. Experten gehen davon aus, dass dieser eher noch zunehmen wird. 

Sollte Jans nicht nur kurze Zeit im Justiz- und Polizeidepartement bleiben, wird er zu diesem Thema einen Abstimmungskampf bestreiten müssen: Die SVP sammelt Unterschriften für die «Nachhaltigkeitsinitiative», mit der sie die Zuwanderung begrenzen will. Schon in den kommenden Monaten steht eine Bilanz über die Massnahmen an, die seit der Annahme der «Masseneinwanderungsinitiative» im Jahr 2014 ergriffen wurden, um das Potenzial im Inland besser auszuschöpfen. Der Bundesrat muss entscheiden, ob es weitere Massnahmen braucht. In den Hauptrollen: Beat Jans und Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Jans ist ausserdem zuständig für die Drittstaatenkontingente.

2. Eine Schlüsselrolle in der Europapolitik spielen

Die Verhandlungen mit der EU werden die Schweiz in den kommenden Monaten stark beschäftigen. Hier könnte Jans eine Schlüsselrolle spielen: Er gehört dem Europaausschuss des Bundesrats an und ist für die Personenfreizügigkeit zuständig. Welche Ausnahmen die EU der Schweiz bei den Aufenthaltsrechten für EU-Bürger gewährt, dürfte zu den heiss diskutierten Fragen werden.

Ex-Justizministerin Baume-Schneider hat jüngst vor den Medien erläutert, worauf sich die Schweiz und die EU einigen könnten. Jans dürfte dereinst im Abstimmungskampf erklären, worauf sie sich geeinigt haben. Bei den offenen Fragen rund um den Lohnschutz könnte er ebenfalls eine Rolle spielen: Nach seiner Wahl kündigte er an, alles tun zu wollen, um die Sozialpartner zu einer Lösung zu bewegen. 

3. Die Schweiz in der europäischen Asylpolitik positionieren

Die Zusammenarbeit mit Europa spielt auch in der Asylpolitik eine wichtige Rolle. 2023 haben sich die EU-Staaten auf eine Asylreform geeinigt – aus der Einsicht heraus, dass sie die Probleme nur gemeinsam lösen können. Die EU-Staaten beschlossen einen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen, der auf Solidarität basiert. Für Asylsuchende mit eher geringer Chance auf Asyl soll es schnelle Verfahren an den Aussengrenzen der EU geben. 

Die Umsetzung ist ab 2026 geplant. Die Schweiz wird entscheiden müssen, wie sie sich positioniert – die Beteiligung am Solidaritätsmechanismus ist für sie freiwillig. Übernimmt die Schweiz Flüchtlinge aus Grenzstaaten? Oder leistet sie finanzielle Beiträge? Auch diese Fragen werden Jans beschäftigen.

4. Mit den Kantonen Wege aus dem Krisenmodus finden

Im Inland wird die Unterbringung von Asylsuchenden ein Thema bleiben. Rund 30’000 Personen haben 2023 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt (per Ende November 28’000). Das sind zwar weniger als im Rekordjahr 2015, als die Schweiz fast 40’000 Gesuche verzeichnete, aber mehr als in den vergangenen Jahren. Hinzu kommen Flüchtlinge aus der Ukraine, die den Schutzstatus S erhalten. Für 2024 rechnet der Bund mit ähnlich hohen Zahlen.

Zwar haben es Bund und Kantone bislang geschafft, alle Asylsuchenden unterzubringen. Das Ziel der grossen Asylreform war aber, die Verfahren zu beschleunigen – vor allem dadurch, dass alle Akteure in sechs Verfahrenszentren unter einem Dach vereint sind. Nun betreibt der Bund Dutzende Standorte. 

Die Folgen: Die Pendenzen stapeln sich, und die Asylverfahren dauern länger als vorgesehen – obwohl das System eigentlich auf 24’000 Gesuche ausgelegt ist. In den Kantonen macht sich zunehmend Unmut breit. Hier ging zuletzt Vertrauen verloren – Vertrauen, das Jans wieder aufbauen muss. Er steht vor der Aufgabe, das System zu optimieren und gemeinsam mit den Kantonen Lösungen zu finden, die dem Sinn der Asylreform nicht zuwiderlaufen.

Bundesrat Beat Jans beim offiziellen Empfang in Basel, am Donnerstag, 21. Dezember 2023. Der neu in den Bundesrat gewaehlte Beat Jans wird mit einem Festumzug, einem Bevoelkerungsempfang und einer Wahlfeier mit anschliessender Freinacht in Basel geehrt. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

5. Das Parlament von Symbolpolitik abhalten

Im Parlament überbieten sich die Politikerinnen und Politiker mit Vorschlägen zur Asylpolitik – darunter auch solche, die kaum zielführend sind. Nur knapp hat der Nationalrat jüngst einen Vorstoss abgelehnt, abgewiesene Asylsuchende in irgendein anderes Land zu schicken, wenn das Herkunftsland sie nicht zurücknimmt – obwohl das kaum realistisch ist. Dafür stimmten die FDP und die SVP. Das Parlament will auch die Asylpraxis für Afghaninnen festlegen – obwohl es dafür gar nicht zuständig ist. 

Will Jans verhindern, dass er fragwürdige Aufträge aus dem Parlament erhält, wird er sich rasch einarbeiten und in den Parlamentskommissionen überzeugender auftreten müssen als seine Vorgängerin. Bereits im Februar hat Jans eine erste Gelegenheit: Dann befassen sich die Staatspolitischen Kommissionen mit der Asylpraxis für Afghaninnen. 

6. Ukrainerinnen in den Arbeitsmarkt integrieren

Längerfristig dürfte Jans im Parlament nur dann eine Mehrheit überzeugen, wenn er eigene Vorschläge präsentiert – beispielsweise zur Integration. In den vergangenen Jahrzehnten ist es der Schweiz gelungen, Flüchtlinge zu integrieren. Damit das weiterhin klappt, braucht es verstärkte Anstrengungen. Besonders gefordert ist Jans bei der Integration der ukrainischen Flüchtlinge: Der Bundesrat will deren Erwerbsquote von 20 auf 40 Prozent erhöhen

Eine Voraussetzung dafür, dass Jans in der Asylpolitik etwas erreicht, ist eine gute Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM). Zuletzt gab es Schwierigkeiten, etwa bei den Wohncontainern für Asylsuchende. Im SEM wünscht man sich, dass der neue Bundesrat das Asylthema «mit Leidenschaft anpackt» – auch dann, wenn es nicht sein Wunschdossier gewesen sein sollte.

7. Polizeidatenbanken, Konzernverantwortung, nicht binäre Personen

Hinzu kommen viele Dossiers aus anderen Bereichen des Justiz- und Polizeidepartements. So muss Jans etwa im Auftrag des Parlaments eine rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass die kantonalen Polizeidatenbanken vernetzt werden können. Ebenfalls in seinen Verantwortungsbereich fallen die Regeln zur Konzernverantwortung. 

Im Auftrag des Parlaments muss Jans untersuchen, ob und wie die Situation von nicht binären Personen verbessert werden kann, ohne ein drittes Geschlecht einzuführen. Die Fachleute seines Departements werden auch an den rechtlichen Grundlagen für eine Mischform von Ehe und Konkubinat mitwirken, dem «Pacte civil de solidarité» (Pacs). (Lesen Sie hier mehr zur Ehe light.)

Wo anfangen? Das wird Beat Jans in den kommenden Tagen herausfinden – schneller als ihm vielleicht lieb ist.