Alarmierende PrognoseBis 2030 fehlen im öffentlichen Dienst mehr als 130’000 Fachkräfte
Die öffentliche Hand hat mit wenigen Bewerbungen und einem hohen Durchschnittsalter der Angestellten zu kämpfen. Fachleute warnen vor einem Abbau der Leistung und der Qualität im Service public.
In Schlüsselbereichen wie Bildung, Sicherheit, Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung bahnt sich eine grosse Lücke an. Bis 2030 fehlen voraussichtlich mehr als 130’000 Fachkräfte für den Service public.
Das entspricht 15 Prozent des benötigten Personals, so die Prognose einer Studie, die das Beratungsunternehmen PWC zusammen mit dem Smart Government Lab der Universität St. Gallen erstellt hat.
Die wachsende Personallücke führe zu einem «Leistungs- und Qualitätsabbau» der öffentlichen Hand. Konkret bedeutet das beispielsweise längere Wartezeiten bei Anträgen, eine schlechtere Betreuung im Gesundheitswesen oder Einbussen bei der Cybersicherheit.
Die Verwaltungen dürften vom Fachkräftemangel stärker betroffen sein als der öffentliche Sektor insgesamt. Hier prognostiziert PWC bis 2030 einen Mangel von einem Viertel des erforderlichen Personals.
«Die Zahl der Bewerbungen ist zurückgegangen. Es dauert länger, bis offene Stellen besetzt werden können.»
Schon heute seien Stellen schwer zu besetzen, erklären die befragten Personalverantwortlichen in Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden. Auf Stelleninserate erhielten sie meist nur wenige Bewerbungen – und oft von unzureichend qualifizierten Personen.
«Generell lässt sich festhalten, dass die Zahl der Bewerbungen je Stelle zurückgegangen ist und es länger dauert, bis offene Stellen besetzt werden können», bestätigt Anand Jagtap, Stabsleiter beim Eidgenössischen Personalamt.
Damit unterscheidet sich der öffentliche Sektor kaum von der Privatwirtschaft. Allerdings hat der Staat als Arbeitgeber gemäss den Personalverantwortlichen ein Handicap. Wegen starrer Strukturen und Prozesse, wenig Innovation und unflexibler Lohnmodelle ist er weniger attraktiv für die am meisten umworbenen Fachkräfte, zum Beispiel im Informatikbereich.
30 Prozent erreichen in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter
Dazu kommt ein zweites Problem: Das Durchschnittsalter der Belegschaft in der öffentlichen Verwaltung ist höher als in der übrigen Wirtschaft. In der gesamten Erwerbsbevölkerung ist gut ein Drittel fünfzig Jahre alt oder älter, in der Bundesverwaltung sind es aber schon rund 45 Prozent. Gemäss Eidgenössischem Personalamt erreichen 30 Prozent der Mitarbeitenden schon in den nächsten zehn Jahren das ordentliche Pensionsalter.
In den kantonalen Verwaltungen ist die Lage ähnlich angespannt. In der Verwaltung des Kantons Graubünden ist fast die Hälfte der Mitarbeitenden fünfzig Jahre alt oder älter, im Kanton Bern sind es 39 Prozent.
Würden die durchschnittlichen Stellenwechsel der vergangenen Jahre hinzugerechnet, verdoppelten sich die genannten Zahlen, sagt Anand Jagtap: «Die Situation wird sich also verschärfen.» Deshalb fokussiere die Bundesverwaltung in ihrer neuen Personalstrategie, die sie dem Bundesrat bis Ende Jahr unterbreitet, auf «die Auswirkungen des demografischen Wandels im digitalen Arbeitsumfeld und damit auch auf den Fach- und Arbeitskräftemangel».
Gegen diesen gibt es im Wesentlichen zwei Strategien. Einerseits können die öffentlichen Dienste den Bedarf an Fachkräften durch regelmässige Leistungsüberprüfung und höhere Effizienz senken. Andererseits können sie Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gezielter ansprechen und die bestehenden Angestellten besser halten und weiterbilden.
«Es braucht Investitionen in den Service public und bessere Arbeitsbedingungen», fordert Natascha Wey, Generalsekretärin des Verbands des Personals öffentlicher Dienste. Die Chefs müssten «agieren», sagt Philipp Roth, Partner bei PWC Schweiz: «Abwarten und Tee trinken ist Gift bei Fachkräftemangel.»
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