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100 Tage im Bundesrat
Beat Jans markiert Distanz zu seiner Partei – Kritik aus der SP wischt er weg

Bundesrat Beat Jans kommt mit seinen Mitarbeitern zu einer Medienkonferenz ueber seine ersten 100 Tage im Amt, am Dienstag, 2. April 2024 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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«100 Tage im Amt.» So lautete die Affiche zur ersten grossen Medienkonferenz von Beat Jans als Bundesrat. Und die Affiche war falsch. Denn tatsächlich sind seit Jans’ Amtsantritt erst 93 Tage vergangen.

Bringen Basler Bundesräte mehr Tempo ins bedächtige Bundesbern? Hans-Peter Tschudi jedenfalls, vor Jans der letzte Basler im Bundesrat, war in den 1960er- und 1970er-Jahren bekannt für sein «Tschudi-Tempo» – weil er angeblich alles so schnell erledigte.

Als ein Bundesrat, der Probleme anpackt, anstatt sie zu verdrängen: Genau so inszeniert sich jetzt auch Neobundesrat Jans. «In diesen Zeiten, in denen es so viele Krisen gibt und in denen der Pessimismus in der Bevölkerung steigt, braucht es einfach eine Regierung, die die Probleme lösen will. Und das versuche ich.»

Der Kontrast zu Baume-Schneider

Auffällig ist der rhetorische Kontrast zu seiner Parteikollegin und Amtsvorgängerin Elisabeth Baume-Schneider: Diese bemühte sich an ihrer eigenen 100-Tage-Medienkonferenz, so wenig wie möglich über das schwierige und undankbare Asyldossier zu reden. Lieber sprach Baume-Schneider über andere Themen aus dem Justiz- und Polizeidepartement: über häusliche Gewalt, nonbinäre Personen, Zwangsprostitution, Gleichstellung.

Jans hingegen versucht schon nicht erst wegzudiskutieren, dass er in erster Linie als Asylminister wahrgenommen wird. Zwar versicherte er wie seine Amtsvorgängerinnen, dass er den Kampf gegen häusliche Gewalt ernst nehme. Zwar betonte auch er, dass die Lohndiskriminierung von Frauen «ein Skandal» sei – und dass es hier womöglich weitere gesetzliche Massnahmen brauche.

Doch über solche gesellschaftspolitischen Baustellen sprach Jans erst nach seinen Ausführungen zu den Problemen im Asyldossier.

Jans sucht 2400 Betten

Der Pendenzenberg, den er übernommen hat, ist hoch: 15’000 Asylgesuche sind derzeit hängig. Um diese abzuarbeiten, will Jans weitere 60 Mitarbeitende anstellen (zusätzlich zu 200 im letzten Jahr).

Derzeit bereitet sich Jans’ Departement für das laufende Jahr auf einen Planwert von 33’000 neuen Asylgesuchen vor (2023 waren es 30’223); wie viele es am Ende tatsächlich sein werden, kann heute niemand wissen. Falls die Planzahl erreicht wird, bräuchte der Bund 12’000 eigene Betten in Asylunterkünften, doch davon fehlen derzeit 2400. Woher sollen sie kommen? Jans’ unverbindliche Antwort: Man arbeite daran.

Hoffnungen setzt Jans in die 24-Stunden-Verfahren für Menschen aus Ländern mit geringer Chance auf Asyl. Ein Pilotversuch, eingeführt noch unter Baume-Schneider, habe gezeigt, dass die Zahl der Asylsuchenden aus den Maghreb-Staaten um 70 Prozent gesunken sei. Darüber hinaus will Jans mit den Kantonen eine neue «Gesamtstrategie Asyl» erarbeiten.

Überhaupt: Zusammenarbeit. Zusammenarbeit. Zusammenarbeit. Das ist die Hauptbotschaft, die Jans zu seiner Arbeitsmethode vermittelt haben will – von der Suche nach Asylbetten bis zur Arbeitsintegration ukrainischer Flüchtlinge.

Ukrainerinnen sollen arbeiten

Derzeit haben nur rund 22 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz eine Arbeit – andere europäische Länder schneiden deutlich besser ab. Jans strebt bis Ende Jahr eine Quote von 40 Prozent an. Schon bald will er konkrete Massnahmen vorschlagen. Und er hofft dabei auch auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Oder auf Baseldeutsch: «Zämme gohts besser» (für Nicht-Basler: Die Betonung liegt auf den beiden «m»).

«Zämme gohts besser.» Dieses Motto zog sich als roter Faden durch Jans’ Auftritt. Aus dem Munde eines Bundesrats mutet das schon fast kindlich-naiv an in einer Zeit, in der die Konfrontation überall wächst – in den internationalen Beziehungen, in den sozialen Medien, im innenpolitischen Diskurs. Doch Jans bemühte sich, sich als ein Bundesrat darzustellen, der über dem parteipolitischen Gezänk schwebt.

Parteichef Wermuth kritisiert Jans

Aus seiner eigenen Partei, der SP, musste Jans bereits Kritik einstecken – nachdem er laut über punktuelle Verschärfungen im Asylbereich nachgedacht hatte. Mehr Härte von einem SP-Asylminister? «Das halte ich nicht für eine überzeugende Strategie», kritisierte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth seinen eigenen Bundesrat in einem Podcast.

Auf solche Kritik aus dem linken Lager reagiert Jans äusserlich entspannt. Seine politische Herkunft präge ihn zwar in allem, sagt er. «Jetzt bin ich aber Bundesrat und darum für alle da.» Die Zusammenarbeit mit allen politischen Kräften sei «wichtiger als mein Parteibüchlein». 

Jans droht Kantonen mit einem Machtwort

Doch so oft Jans von Zusammenarbeit redet: An einer Stelle sprach er auch eine Art Drohung aus – ausgerechnet an die Adresse seiner wichtigsten Partner im Polizeibereich, an die Kantone.

Schweizer Polizisten klagen seit Jahren, dass der innerschweizerische Polizeidatenaustausch ungenügend sei. So weiss die Polizei im Kanton A oftmals nicht, was die Polizei im Kanton B über mögliche Straftäter weiss. Das sei ein «riesiges Problem», sagte jüngst Mark Burkhard, der Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz. «Oft muss man jemanden laufen lassen und hört zwei Tage später aus einem anderen Kanton, dass man einen Serieneinbrecher vor sich hatte», sagte Burkhard im Interview mit dieser Redaktion.

Bereits seit einiger Zeit sind die Kantone und Jans’ Bundesamt für Polizei (Fedpol) dabei, eine digitale Plattform namens Polap zu schaffen. Über Polap sollen Polizisten künftig auf die Polizeidaten anderer Kantonen zugreifen können. Die technischen Arbeiten sind weit fortgeschritten, doch eine rechtliche Basis für Polap fehlt noch.

Am liebsten wäre es Jans, die Kantone würden dafür selbst einen interkantonalen Vertrag, ein sogenanntes Konkordat, abschliessen. «Doch wenn sie es nicht schaffen», so kündigt er jetzt an, wolle er sie mit einer Änderung der Bundesverfassung dazu zwingen. Das wäre ein Eingriff in die kantonale Polizeihoheit.

Für sein Ultimatum nennt Jans sogar eine Frist: Bis Ende Jahr müsse das Konkordat stehen. Neun Monate – das wäre dann ein erster Massstab für «Jans-Tempo» bei der Problemlösung.

In einer ersten Version des Artikels hiess es fälschlicherweise «binäre Personen» statt «nonbinäre Personen».