CVP wird dank BDP zur drittstärksten Kraft
Die Mitte-Fraktion will im Nationalrat die Blockade überwinden, die ihr zufolge die Linke und die Rechte verursachten.

Vor sieben Jahren prüfte die BDP die Fusion mit der CVP und verwarf diese. Auch eine gemeinsame Fraktion lehnte die 2008 gegründete Mittepartei etwas später ab. Doch nach der erneuten Wahlniederlage vom Oktober schliessen sich die drei BDP-Nationalräte (bisher sieben) nun der CVP-Fraktion an. Hinzu kommen die drei Nationalratsmitglieder der EVP. Die CVP kann sich über den Zuzug freuen. Ihre Fraktion wächst im neu gewählten Nationalrat um 6 auf 31 Mitglieder an und überholt in puncto Sitzstärke die FDP, deren Fraktion 29 Mitglieder zählt.
Die CVP, die vor den Wahlen als sichere Verliererin galt, ist zumindest gemessen an der Mitgliederzahl ihrer Fraktion die drittstärkste Kraft. Die FDP hingegen rutscht im Nationalrat auf den fünften Rang. Vor der FDP liegt neu die Fraktion der Grünen, die dank der am Freitag beschlossenen Aufnahme der zwei PdA-Nationalräte aus Neuenburg und Genf 30 Mitglieder umfasst.
Die stärkste Nationalratsfraktion bleibt jene der SVP, die neben den 53 eigenen Nationalräten noch je ein Mitglied der Lega und der EDU aufnehmen wird. Die SP-Fraktion, weiterhin die zweitstärkste Kraft, hat im neuen Nationalrat 39 Sitze.
BDP erwägte Anschluss an die FDP-Fraktion
CVP, EVP und BDP sehen sich als die «starke politische Mitte der Schweiz». Mit dieser Bündelung der Kräfte wollen sie sich «für tragfähige Lösungen starkmachen, um nach einer verlorenen Legislatur wieder Antworten auf die drängendsten Probleme der Schweiz zu finden», wie es in der Mitteilung vom Freitag heisst. Ziel sei es, die Blockade der letzten Jahre, für die die Linke und die Rechte verantwortlich seien, zu überwinden. Denkbar wäre auch ein Anschluss der BDP an die FDP-Fraktion gewesen. Die Bildung einer Mittefraktion entspreche jedoch der Positionierung der BDP am besten, sagt deren Präsident Martin Landolt.
«Die FDP ist arithmetisch die am meisten übervertretene Partei im Bundesrat.»
Der Politologe Georg Lutz relativiert den Aufstieg der CVP-Fraktion zur drittstärksten Kraft. CVP, FDP und Grüne seien nun praktisch gleichauf. Klar sei aber, dass die FDP arithmetisch «die am meisten übervertretene Partei» im Bundesrat sei. «Dennoch sehe ich kein Szenario, bei dem es im Parlament eine Mehrheit für eine Abwahl eines FDP-Bundesrats zugunsten der Grünen gibt. Denn SVP, CVP und FDP haben null Interesse an einem dritten linken Vertreter im Bundesrat.»
Für Lutz ist zudem der Wähleranteil im Nationalrat immer noch die Referenzgrösse. Und hier liegt die CVP mit 11,4 Prozent rund 2 Punkte hinter den Grünen, fast 4 Prozentpunkte hinter der FDP und über 5 hinter der SP. Lutz findet es eher erstaunlich, «dass die CVP immer noch ein so grosses Selbstbewusstsein hat, obwohl sie in den letzten drei Jahrzehnten laufend Wähleranteile eingebüsst hat».
2023 wird BDP wohl keine eigenständige Partei mehr sein
Ein Argument der CVP ist ihre ungebrochene Stärke im Ständerat. Hier hat sie bei den Wahlen 2019 bis jetzt 11 Sitze geholt, und bei den zweiten Wahlgängen wird noch der eine oder andere dazukommen. Die FDP hat bisher 7 Ständeratssitze geholt und dürfte nach den ausstehenden zweiten Wahlgängen die Grünen bei der Gesamtsitzzahl in beiden Kammern wieder auf den fünften Rang verweisen.
Der Anschluss der BDP an die CVP-Fraktion wirft für Lutz die Frage auf, ob die BDP sich nicht besser vor sieben Jahren für eine Fusion oder Union mit den Christlichdemokraten entschieden hätte. Damals hatte die BDP noch neun Sitze im National- und einen im Ständerat. Mit ihren drei verbliebenen Nationalräten und einem Wähleranteil von 2,4 Prozent sei sie als Braut kaum mehr attraktiv. Allerdings kann sich der Politologe der Universität Lausanne kaum vorstellen, dass die BDP bei den nächsten Wahlen von 2023 nochmals als eigenständige Partei antritt. Laut Landolt sind aber weitergehende Schritte wie eine Fusion mit der CVP zurzeit kein Thema.
Die Fraktionsbildung entscheidet über Macht und Einfluss auf die Ausgestaltung von Gesetzen in den vorberatenden Kommissionen.
Die Fraktionsbildung entscheidet, wie die 275 Sitze in den elf ständigen Kommissionen des Nationalrats verteilt werden. Es geht also um Macht und Einfluss auf die Ausgestaltung von Gesetzen in den vorberatenden Kommissionen.
Vor diesem Hintergrund diskutierte gestern auch die erstmals in neuer Stärke von 30 Mitgliedern zusammengetretene Fraktion der Grünen ihre Präferenzen für die Kommissionsbesetzungen. Nach Auskunft von Fraktionspräsident Balthasar Glättli (ZH) ist der Fokus klar auf die wichtige Wirtschaftskommission (WAK) und die Urek ausgerichtet, die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie.
Grüne sind euphorisch-aufgeräumt gestimmt
Wie sich die Kommissionen im neuen Parlament zusammensetzen werden, entscheidet sich Ende November nach einer oder mehreren Klausursitzungen aller Fraktionsspitzen – von links bis rechts.
Bei der Grünen-Fraktion herrschte gestern in der ersten Sitzung in neuer Zusammensetzung euphorisch-aufgeräumte Stimmung. Mehrmals habe es unvermittelt tosenden Applaus gegeben, etwa als die Arbeit der Grünen-Präsidentin Regula Rytz verdankt wurde oder als Fraktionspräsident Glättli den Vorschlag machte, die aktuelle Fraktionsführung solle für die kommenden zwei Sessionen unverändert bleiben. Dies berichtete der alte und neue Fraktionschef Glättli am Abend.
In der ersten Sitzung der Fraktion, in der über die Hälfte der Mitglieder noch keine Bundeshaus-Erfahrung hat, wurde viel Organisatorisches diskutiert.
Als Herausforderung wertet es Parteipräsidentin Rytz, dass über die Hälfte der Fraktion aus neuen, Bundeshaus-unerfahrenen Mitgliedern bestehe. Man habe deshalb in der ersten Fraktionssitzung viel über Organisatorisches diskutiert und über den Transfer von Wissen von den Bisherigen zu den Neuen.
Die Frage einer Bundesratskandidatur der Grünen habe gezeigt, dass auch die neuen Fraktionsmitglieder ein besonnenes Vorgehen begrüssten, sagte Rytz. Man sei sich einig, dass nun Gespräche mit den anderen Fraktionen geführt werden müssten, um anschliessend über eine allfällige Kandidatur entscheiden zu können.
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