Zürcher Kantonsrat verschärft BaugesetzSteingärten brauchen neu eine Bewilligung – den Bäumen zuliebe
Links-Grün hat sich durchgesetzt: Gemeinden können künftig Bäume besser schützen und grünere Gärten vorschreiben. Das soll die Sommerhitze dämpfen.
In einem Punkt waren sich die bürgerliche und die rot-grüne Seite im Kantonsrat am Montag einig: An diesem Tag würden Weichen für Jahrzehnte gestellt. Die Frage war nur, in welche Richtung.
Sollen Gemeinden private Grundeigentümer verpflichten können, Gärten so zu gestalten, dass die zunehmende Sommerhitze verringert wird? Ist ein Ja zum revidierten Planungs- und Baugesetz deshalb geradezu «eine moralische Pflicht», wie Andrew Katumba (SP, Zürich) sagte?
Oder ist jede Vorschrift im Baurecht eine zu viel und die Gesetzesrevision ein «vermaledeites Flickwerk», wie es Barbara Grüter (SVP, Rorbas) formulierte?
Ringen um jeden Paragrafen
Mehr als drei Stunden lang rangen beiden Ratsseiten um jeden Paragrafen, mehr als zwei Dutzend Anträge waren zu beraten.
Denn die Bürgerlichen, in der vorberatenden Kommission in der Mehrheit, hatten die Vorlage des Regierungsrats in zentralen Punkten verwässert, was die Klimaallianz aus SP, Grünen, GLP, EVP und AL mit Minderheitsanträgen zu korrigieren versuchte.
Weil im Rat beide Blöcke genau gleich gross sind, ging es um jede einzelne Stimme und darum, wer vollständiger anwesend sein würde. Und das war an diesem Montag die Klimaallianz.
Bäume besser schützen
Das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Hitze in den Dörfern und Städten sind Bäume. «Bäume sind wahre Alleskönner», sagte Thomas Schweizer (Grüne, Hedingen). «Sie kühlen, binden CO2, sind Lebensraum für Vögel und Insekten und halten Wasser zurück.»
Dennoch geht der Baumbestand rasant zurück. Deshalb sollen Gemeinden Bäume besser schützen können. Sie können neu Zonen und Gebiete definieren, in denen Bäume mit einem Umfang von über einem Meter nur noch mit Bewilligung gefällt werden dürfen. Bisher müssen sie dafür jeden einzelnen Baum in einem Inventar erfassen.
Erleichtert wird auch die Neupflanzung. Heute müssen grosse Bäume mit mindestens acht Metern Abstand von der Grundstücksgrenze gepflanzt werden, kleine mit vier Metern. «Sie dürfen heute näher an die Grenze bauen, als Sie einen Baum pflanzen dürfen», sagte Baudirektor Martin Neukom. Neu gelten Abstände von vier Metern für grosse und zwei Metern für kleine Bäume. Und wenn sich die Nachbarn einig sind, darf ein Baum auch direkt auf die Grenze.
Die SVP unterlag mit ihrem Antrag, am geltenden Recht festzuhalten, ebenso wie die FDP, die für grosse Bäume sechs Meter Abstand verlangt hatte. «Wir schaffen damit Nachbarschafts-Streitigkeiten», warnte Barbara Grüter (SVP, Rorbas). Wilma Willi (Grüne, Stadel) hielt dagegen: «Mit den heutigen Regeln können wir die Städte nicht begrünen.»
Grüne Dächer, weniger Steingärten
Die Siedlungsgebiete sollen aber auch sonst grüner werden. Vorgärten müssen künftig als «qualitativ hochwertige» Grünflächen hergerichtet werden. Und Gemeinden können die ökologische Begrünung von Dachflächen vorschreiben.
Das sei ein «übles Bevormundungsgesetz», wetterte Domenik Ledergerber (SVP, Herrliberg). Die Klimaallianz liess sich nicht beirren, die Dachbegrünung wurde mit 88:86 Stimmen gutgeheissen. Dächer könnten eine «grüne Lunge» in Siedlungen bilden, sagte Jonas Erni (SP, Wädenswil).
Rot-Grün schrieb überdies die zuvor von der Kommission gekippte Bewilligungspflicht für Steingärten und andere Veränderungen, die «die Begrünung beeinträchtigen», wieder ins Gesetz.
Keine Grössenbegrenzung für Garagen
In einem weiteren wichtigen Punkt scherte die EVP freilich aus der Klimaallianz aus. Der Regierungsrat hatte den Gemeinden neu die Möglichkeit geben wollen, die Fläche von Kellern und Tiefgaragen zu begrenzen. Der Grund: Immer mehr Bauherren unterkellern das gesamte Grundstück bis an die Grenzen.
Das ist Baudirektor Martin Neukom (Grüne) ein Dorn im Auge: «Da versickert gar nichts mehr, der Boden kann kaum mehr Wasser speichern. Auch kann ganz sicher kein Baum gepflanzt werden.» Das sei fatal, wenn es immer öfter zu Hitze, Trockenheit und Starkniederschlägen komme.
Doch die sogenannte Unterbauungsziffer, die das Verhältnis zwischen Grundstücks- und Untergeschossfläche hätte regeln sollen, war für die Bürgerlichen die eine Regel, mit der sie auf keinen Fall hätten leben können – obwohl sich die Gemeinden das neue Instrument wünschten.
In diesem Punkt hatten die Bürgerlichen indes drei EVP-Vertreter auf ihrer Seite. Die Unterbauungsziffer wurde mit 88:85 Stimmen abgelehnt. Dafür schrieb die Klimaallianz mit genau demselben Stimmenverhältnis einen Passus ins Gesetz, der genügend Wurzelraum für grosse Bäume verlangt.
Die Vorlage geht nun an die Redaktionskommission, die sie sprachlich bereinigt. Die Schlussabstimmung findet in einigen Wochen statt.
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