Proteste wegen QuotensystemIn Bangladesh gehen Tausende Studenten auf die Barrikaden
Demonstranten protestieren gegen die Vergabequoten für Studienplätze und staatliche Stellen. Die Polizei schlägt zu, zehn Menschen sind getötet worden – und die Regierungschefin giesst noch Öl ins Feuer.
Tausende Studenten demonstrieren in Bangladesh seit Wochen unter Einsatz ihres Lebens für eine bessere Zukunft. Dabei sind nach Angaben der Behörden bereits zehn Menschen getötet worden. Die Polizei setzte am Mittwoch Tränengas ein und ging mit Schlagstöcken auf die Studierenden los.
Zugleich wurden die Demonstranten von regierungsnahen Gruppen mit Macheten, Bambusstöcken und Hockeyschlägern angegriffen, auch paramilitärische Kräfte waren beteiligt. Die Behörden hätten in den meisten Gegenden des Landes das mobile Internet blockiert, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
Ein Relikt aus dem blutigen Bürgerkrieg
Die Demonstrationen begannen im vergangenen Monat. Im ganzen Land protestieren Studierende seitdem zu Tausenden gegen eine staatliche Quote, die Nachkommen von Freiheitskämpfern mindestens 30 Prozent der Studienplätze an den Universitäten sichert.
Als Premierministerin Sheikh Hasina die Forderungen der Demonstranten ablehnte und darauf verwies, dass am 7. August der oberste Gerichtshof ein Urteil in dieser Sache sprechen werde, weiteten sich die Proteste aus. Seit zwei Wochen demonstrieren die Studenten nun auch gegen die aus ihrer Sicht «unangemessenen und diskriminierenden» Quoten, die für die Besetzung staatlicher Stellen gelten. (Lesen Sie hier ein Porträt über die Regierungschefin Sheikh Hasina.)
Beide Quotenregelungen sind ein Relikt aus dem blutigen Bürgerkrieg von 1971, in dem sich Bangladesh, das damals noch Ost-Pakistan hiess, von Pakistan löste. Millionen Menschen wurden in diesem Konflikt getötet und vergewaltigt.
32 Millionen Menschen sind arbeitslos
Sheikh Hasina (76) ist die Tochter von Sheikh Mujibur Rahman, der die damalige Freiheitsbewegung anführte und als Gründervater von Bangladesh gilt. Als die Premierministerin die Demonstranten vor wenigen Tagen als «Razakar» bezeichnete – so nennt man in Bangladesh die Kollaborateure, die 1971 mit der pakistanischen Armee paktierten –, heizte sie die Wut der Protestierenden weiter an.
Erst im Januar war Sheikh Hasina zum vierten Mal wiedergewählt worden, in einer Wahl, die man weder als frei noch als fair bezeichnen kann. Die grösste Oppositionspartei hatte zum Boykott der Abstimmung aufgerufen, weil ihre Mitglieder mit Gerichtsverfahren überzogen oder eingesperrt wurden.
Als Vorkämpferin für demokratische Rechte war Hasina einst gefeiert worden, doch seit 2009 führt sie das Land zunehmend autoritär. Ihre Regierung hat zwar einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung bewirkt, dennoch sind von den 170 Millionen Einwohnern etwa 32 Millionen arbeitslos. Die Beschäftigungsmöglichkeiten im Privatsektor sind rückläufig, Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst daher umso attraktiver.
Blockierte Autobahnen
Das 1972 eingeführte Quotensystem hat dazu geführt, dass insgesamt mehr als die Hälfte aller staatlichen Stellen für bestimmte Gruppen reserviert sind. Der grösste Teil entfällt auf die Angehörigen von Freiheitskämpfern, dann folgen Frauen und Menschen aus unterentwickelten Bezirken sowie Indigene und Menschen mit Behinderung. Die Studenten fordern die Abschaffung aller Kategorien mit Ausnahme der letzten beiden.
Am Montagabend eskalierte die Gewalt, als die Polizei und schwer bewaffnete Mitglieder des militanten Studentenflügels der Regierungspartei die reformorientierten Studierenden angriffen. Diese lassen sich bislang nicht abschrecken und von ihrem Protest abbringen. Am Mittwoch blockierten sie Autobahnen und Eisenbahnen und durchbrachen Polizeisperren, um in der überfüllten Hauptstadt Dhaka zu demonstrieren.
Amnesty International verurteilte die Angriffe auf die Demonstranten und forderte die Regierung auf, «die Rechte der Menschen auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung» zu respektieren. Die US-Botschaft in Dhaka erklärte, sie werde am Donnerstag geschlossen bleiben, und riet ihren Bürgern, Demonstrationen und grössere Versammlungen zu meiden.
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