Nach Wahlen in Bangladesh«Schämt euch!» – Schweizer Botschaft gerät in Shitstorm
Washington, London und Brüssel kritisierten den Urnengang in Bangladesh scharf – die Schweiz gratulierte via Facebook. Wie geht das zusammen?
Normalerweise nutzt die Schweizer Botschaft in Bangladesh ihre Facebook-Seite zur harmlosen Imagepflege: Bilder aus «Switzerland’s Winter Wonderland» werden da gepostet und von Einheimischen freundlich kommentiert. Am vergangenen Donnerstag veränderte sich der Ton radikal: «Schäme dich, Schweiz! Wunderschöne Landschaften, verdorbene Herzen. Schämt euch!», schrieb ein User. «Sehr geehrter Herr Botschafter, Sie setzen ein Zeichen gegen die Hoffnung der Menschen von Bangladesh auf Demokratie und unterstützen dafür eine autokratische Regierung», kommentierte ein anderer. Die Schweiz könne auch gleich Nordkorea und Russland zu den Wahlen gratulieren, hiess es weiter.
Diesen kleinen Shitstorm mit Dutzenden empörten Reaktionen hat sich die Schweizer Botschaft durch ihre Reaktion auf die Parlamentswahlen im südasiatischen Land eingehandelt. Die Wahlen waren von zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen überschattet worden: Premierministerin Sheikh Hasina krallt sich mit allen Mitteln an der Macht fest. So waren Tausende Oppositionelle verhaftet worden.
USA: «Weder frei noch fair»
Entsprechend fielen die Reaktionen vieler westlicher Länder aus. Kanada und Grossbritannien zum Beispiel verurteilten «die Einschüchterung und Gewalt», die vor und während der Wahlen herrschte. Die USA schrieben in einer Stellungnahme, man teile die Auffassung vieler Beobachter, dass «diese Wahlen weder frei noch fair waren». Internationale Medien wie die «New York Times» oder der «Economist» berichteten, Bangladesh habe sich zu einem Ein-Parteien-Staat entwickelt, in dem es keine demokratische Wahl mehr gebe.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Und die Schweiz? Sie begnügte sich mit dem erwähnten Facebook-Post: ein Foto, das Botschafter Reto Renggli an der Vereidigung der neuen, unter fragwürdigen Bedingungen zustande gekommenen Regierung zeigt. Er steht neben der immer autokratischer agierenden Premierministerin und lächelt. Im kurzen Text zu den Fotos «gratuliert» die Schweizer Botschaft dem neuen Kabinett und erinnert dieses an seine Verantwortung, für das Wohlergehen des Landes zu sorgen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Bangladesh gehört zu den sieben wichtigsten Nehmerländern der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. 2022 gab die Schweiz knapp 30 Millionen Franken aus – ähnlich viel wie in Syrien, Somalia oder Mali.
Die Episode um die Schweizer Botschaft in Dhaka ist nicht nur deshalb von Interesse, sondern auch, weil sie die Frage aufwirft, wie sich die Schweiz gegenüber autoritär agierenden Staaten positionieren soll.
«Schweiz diskutiert Menschenrechtslage»
Dass man ausdrücklich auf eine Kritik an den Wahlen und dem damit verbundenen Vorgehen verzichtete, entspricht dem Normalfall, wie das Aussendepartement EDA auf Anfrage schreibt: «Die Schweiz nimmt nicht zu jeder Wahl öffentlich Stellung.» Das heisse jedoch nicht, dass man sich aus diesen Fragen heraushalte: «Die Schweiz verfolgt die Menschenrechtslage im Land aufmerksam und diskutiert sie mit der Regierung von Bangladesh sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene.» Zudem habe sich die Botschaft in den letzten Monaten mehrmals in gemeinsamen Stellungnahmen mit anderen Botschaften zur Situation der Menschenrechte in Bangladesh geäussert und ihrer Besorgnis Ausdruck gegeben.
Die kritischen Reaktionen auf den Post wertet man beim EDA nicht allzu dramatisch: Diese seien vergleichbar mit den Reaktionen auf Posts anderer ausländischer Vertretungen in Dhaka und «widerspiegeln das polarisierte politische Klima in Bangladesh».
FDP-Ständerat Andrea Caroni kennt Bangladesh von einer Reise der Interparlamentarischen Union. Der Ausserrhoder erinnert sich an extreme Sicherheitsbedingungen und massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der internationalen Gäste. Es sei wichtig, auch mit autoritär regierten Staaten im Gespräch zu bleiben. Dazu gehöre bisweilen auch, selbst nach zweifelhafter Wahl die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu signalisieren, sagt Caroni. «Es braucht aber klare Richtlinien, wann und wie man dabei auch Besorgnis über den Wahlverlauf ausdrückt.»
Die grüne Nationalrätin Sibel Arslan ist immer wieder als Wahlbeobachterin der OSZE oder des Europarats in anderen Ländern unterwegs. Zur Situation in Bangladesh kann sie nichts sagen, weil sie die Wahlen nicht verfolgt hat. Doch grundsätzlich wäre es an der Zeit, dass der Bundesrat das aussenpolitische Handeln anpasse, gerade auch im Umgang mit Ländern mit autoritären Tendenzen, sagt die Baslerin Arslan: «Wir wissen, dass wir als Schweiz Einfluss haben in solchen Ländern. Das braucht aber mehr Klarheit gegenüber fragwürdigen Regierungen, insbesondere im Zusammenhang mit Menschenrechten und demokratischen Rechten wie freien und fairen Wahlen.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.