Rekord bei Corona-Zahlen in der SchweizBAG meldet über 31'000 neue Infektionen
Nun geht die Zahl der Covid-Ansteckungen durch die Decke: Was das bedeutet, der Vergleich mit anderen Ländern und Stimmen der Experten.
Die Corona-Variante Omikron trifft die Schweiz im neuen Jahr mit neuen Höchstwerten: 57’387 Fälle wurden über Silvester gemeldet, 20’742 Fälle am gestrigen Dienstag, heute nun 31’109. Doch was bedeuten die Zahlen genau, wie sieht es in den Spitälern aus und was kommt gemäss der Lage in anderen Ländern noch auf uns zu? Ein Überblick.
Fallzahlen
Die Omikron-Welle baut sich in der Schweiz auf, so viel ist sicher. Seit Weihnachten geht es, trotz 2-G und mit der Ausbreitung von Omikron, steil nach oben. Gut zwei Drittel aller positiven Tests sind der neuen Variante geschuldet, die Restlichen sind Delta-Ansteckungen. Am Dienstag meldete das BAG erstmals über 20’000 Fälle an einem Tag und bereits einen Tag später steigt die Fallzahl erstmals über 30’000. Bereits für das Silvesterwochenende meldete das BAG insgesamt 57’387 neue bestätigte Corona-Infektionen – klar mehr als am Wochenende nach Weihnachten (36’261 Fälle). Dies entspricht dem Trend, der sich in der Altjahreswoche abgezeichnet hatte. Im Vergleich zur Vorwoche nahmen die Fallzahlen damals um gut die Hälfte zu.
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Bei der Meldung der Silvesterzahlen ist dem BAG erst ein Fehler unterlaufen, anfangs war die Rede von rund 38’000 neuen Fällen. Dabei hatte das BAG aber einen Tag unter den Teppich gekehrt. In der ersten Meldung im neuen Jahr heisst es einfach: «Differenz zum Freitag», so wie das an jedem normalen Montag der Fall ist. Nur gab am letzten Freitag von 2021 gar keine Zahlen, weil der Bund diese an Silvester nicht mehr veröffentlichte. Die 38’437 Fälle stehen also für drei Tage, nicht für vier Tage wie nach Weihnachten. Das BAG reichte daraufhin die Information nach und «korrigierte» damit den fehlerhaften ersten Tweet, der nach kurzer Zeit gelöscht worden war. Zusammengezählt sind das also 57’387 bestätigte neue Fälle seit letzten Donnerstag und somit 58 Prozent mehr als am Montag zuvor.
Auffällig bei der aktuellen Entwicklung ist auch, dass der Anteil der positiven Tests seit Weihnachten stark steigt. Zuvor waren für einige Wochen jeweils 15 bis 25 Prozent der PCR-Proben positiv, nun sind es zwischen 28 und 42 Prozent, was auf eine steigende Dunkelziffer hindeutet – dass also mehr Menschen infiziert sind, als nur die positiv Getesteten.
Auch Experten wie Virenforscher Richard Neher erwarten, dass die Dunkelziffer die wahre Ausbreitung verbirgt. Er rechnet damit, dass die tatsächliche Anzahl der Neuinfektionen derzeit wohl doppelt so hoch ist wie durch Tests bestätigt, wie der Taskforce-Experte im Interview sagt. Noch in den letzten Tagen des Jahres 2021 stieg auch der Druck auf die Regierung massiv an, bis an Silvester ein ausserplanmässiges Telefon-Meeting einberufen wurde.
Hospitalisierungen und Todesfälle
Bei den mittlerweile wichtigeren Daten zu den Spitaleinweisungen und Todesfällen zeigt sich die Omikron-Welle hingegen nicht. 147 Spitaleinweisungen und 20 Todesfälle sind es am heutigen Mittwoch, vor einer Woche waren es 156 Hospitalisierungen und 25 Todesfälle. Diese Kurven zeigten schon in der letzten Woche des alten Jahres nach unten, nun ging es im Vergleich nochmals etwas zurück.
Die Erfahrung der Corona-Pandemie jedoch zeigt, dass das BAG einige Hospitalisierungen noch nachmeldet, das Amt weist derzeit mit einem dicken gelben Balken explizit darauf hin. Zudem dauert es jeweils einige Tage oder sogar zwei Wochen, bis Infizierte mit einem schwereren Verlauf eine Spitalbehandlung benötigen. Die wirklichen Auswirkungen der Omikron-Welle auf das Gesundheitssystem könnten sich also auch dieses Mal erst mit etwas Verzögerung offenbaren, zumal der Beginn des steilen Anstiegs noch keine zwei Wochen her ist.
Was im Januar noch an Hospitalisierungen auf die Schweiz zukommt, lässt sich nur schwer von den Entwicklungen in anderen Ländern ableiten, da entscheidend sein könnte, wie viele Personen bereits geimpft oder genesen sind. Diesbezüglich vergleichbare Länder wie Deutschland oder Österreich hinken uns derzeit bei den Fallzahlen hinterher, da dort viel schärfere Massnahmen gelten. Sie werden wohl interessiert beobachten, wie das Schweizer Gesundheitssystem mit der Omikron-Welle zurechtkommt.
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Blick ins Ausland
Andere Länder sind der Schweiz hingegen bei Omikron voraus. Zuallererst Südafrika, wo die Welle vor Silvester bereits gebrochen wurde. Das lässt einerseits auf ein schnelles Ende des Schreckens hoffen, zumal die Impfquote am Kap der Guten Hoffnung noch deutlich tiefer ist als hierzulande. Allerdings auch das Durchschnittsalter – und offenbar gelten sehr viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner als genesen. Selbst wenn die Spitze des Wellenbergs schon nach wenigen Wochen erreicht ist, reicht die Verdopplungszeit dann doch aus, um in der Schweiz das halbe Land anzustecken, wie Taskforce-Experte Richard Neher sagte.
In Grossbritannien hat die Omikron-Rakete gerade eine neue Stufe gezündet. Die Anzahl der Neuinfektionen ist regelrecht nach oben geschossen.
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Bei den Hospitalisierungen ist die Lage aber ganz anders, es gibt nur einen leichten Aufwärtstrend. Spätestens jetzt sollte sich der steile Anstieg der Ansteckungszahlen in den britischen Spitälern aber eigentlich deutlich zeigen. Die Omikron-Welle schoss am 15. Dezember über den bisherigen britischen Rekordwert vom Januar 2021 hinaus. Damals mussten ziemlich genau zwei Wochen später rund 38’000 Menschen wegen Covid-19 ins Spital, knapp 4000 lagen auf der Intensivstation. Im Vergleich ist es nun nur ein Viertel davon, 9500 Menschen gehen täglich wegen Corona in ein Spital, 850 müssen derzeit intensiv gepflegt werden.
Die hohen Infektionszahlen führen jedoch zu einem immer grösseren Personalmangel und zu Versorgungsengpässen in den Spitälern. Im Grossraum Manchester wurden die Krankenhäuser angewiesen, nicht dringende Operationen vorerst aufzuschieben. 15 Prozent der Mitarbeiter in den Krankenhäusern in der Region sind derzeit an Covid-19 erkrankt oder in Quarantäne. Auch in anderen Teilen des Landes wurden von Spitalverwaltungen in den vergangenen Tagen der Katastrophenfall ausgerufen.
Auch Dänemark erlebt eine nie davor gesehene Welle an Neuinfektionen, die den bisherigen Höhepunkt vom Dezember 2020 verblassen lässt. Das sehr früh von Omikron versehrte Land mit 5,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern meldete vor Silvester bereits über 20’000 Fälle. Mit einem Wert von über 1700 verzeichnete Dänemark Ende 2021 die weltweit höchste Sieben-Tage-Inzidenz. Die Zahl der Hospitalisierungen nimmt schon seit Oktober laufend zu, aber auf viel tieferem Niveau als die Fallzahlen. Per Ende Dezember waren es etwas mehr als 600, im Vergleich zu über 900 beim vormaligen Höhepunkt im Januar 2021. Auf der Intensivstation liegen jetzt halb so viele Patientinnen und Patienten wie damals – und dies bei vergleichsweise dreimal so vielen positiven Tests pro Tag. Mittlerweile sind die gemeldeten Neuinfektionen bereits sechsmal höher als ein Jahr zuvor. Sowohl in Dänemark als auch Grossbritannien ist Omikron bereits seit Weihnachten die dominante Variante und für über 90 Prozent der Fälle verantwortlich.
Für die Schweiz seien diese Zahlen mit Vorsicht zu geniessen, mahnen Expertinnen und Experten, da die Omikron-Vorreiter Grossbritannien und Dänemark viel höhere Impfquoten hätten. Und dies nicht nur innerhalb der gesamten Bevölkerung, sondern insbesondere bei den besonders gefährdeten Ältesten, wo die Schweiz einen Rückstand hat.
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Grossbritannien weist zudem eine hohe Zahl von Genesenen auf, wie die offizielle Statistik zeigt. 95 Prozent aller Erwachsenen haben demnach bereits Antikörper und somit einen Grundschutz vor einem schweren Verlauf. Die Anzahl der noch Ungeschützten ist in der Schweiz dagegen weit höher.
Das sagen Experten
Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im BAG, rechnet mit einer starken Zunahme der Spitaleintritte im Zusammenhang mit einer Covid-19-Ansteckung. Die hohe Quote an positiven Tests – solchen, die eine Ansteckung bestätigen – lasse zudem darauf schliessen, dass viele Ansteckungen unentdeckt bleiben.
«Momentan steigen die Fallzahlen um rund 45 Prozent pro Woche. Eine weitere Zunahme der Fälle würde zu vielen Krankheitsfällen und damit auch Arbeitsausfällen in kritischen Bereichen wie dem Gesundheitssystem führen und Testkapazitäten überlasten», warnte die Corona-Taskforce in ihrem Bericht von gestern Dienstag. Wenn Kontakte reduziert werden, könne dieser absolute Anstieg der Fallzahlen gebremst werden. Wenn die Kontakthäufigkeit gleich bleibe, würden durch die Zunahme des Anteils von Omikron die absoluten Corona-Fallzahlen zunehmend schneller ansteigen, hiess es weiter.
Das BAG warnt derweil, dass selbst eine dritte Impfung, eine Auffrischungs- oder Booster-Impfung, nicht vollständig vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützt. Derzeit seien 357 «geboosterte» Personen in Spitalbehandlung wegen eines sogenannten Impfdurchbruchs, schrieb das Amt am Dienstag zu Angaben des Nachrichtenportals nau.ch vom Montag.
Von Omikron stark betroffen sein werden Kinder als die am wenigsten oder nicht geimpfte Gruppe, wie Alain Di Gallo von der wissenschaftlichen Covid-Task-Force sagte. Wichtigstes Ziel sei dennoch die Offenhaltung der Schulen. Um eine Weiterverbreitung des Virus dennoch so gut wie möglich zu verhindern, empfiehlt die Taskforce mehrmaliges Testen pro Woche.
Taskforce-Experte Richard Neher sagte im Interview mit der «SonntagsZeitung», dass innert Wochen die halbe Schweiz an Omikron erkranken könnte. Ende Januar könnte das Gröbste aber bereits vorüber sein. Auch Epidemiologe Marcel Salathé sagte im Interview mit dieser Zeitung, dass das Schlimmste verhindert werden könnte, wenn die Fallzahlen nun rasch stiegen und dann wie in Südafrika wieder rasch sänken. Trotzdem stehe uns eine harte Zeit bevor, wenn viele Menschen gleichzeitig ausfielen. Und wenn die Fallzahlen doch länger stiegen, dann könnte auch das bereits belastete Gesundheitssystem weiter leiden, mahnt Salathé.
Entscheidend dürfte dabei sein, ob eine Infektion mit Omikron milder verläuft als mit Delta, so wie das bisher verschiedentlich vermutet oder zumindest gehofft wurde. Taskforce-Präsidentin Tanja Stadler sagte an einer Medienkonferenz zwischen Weihnachten und Neujahr dazu: «Die Schwere der Verläufe liegt nach ersten Erkenntnissen irgendwo zwischen Delta und der Variante von Anfang 2020.»
Der deutsche Topvirologe Christian Drosten erwartet für Deutschland aufgrund der vergleichsweise tiefen Impfquote noch einen schwierigen Winter und Frühling. Aufgrund der verschärften Massnahmen dürfte eine Explosion der Fallzahlen wie in Grossbritannien bei unseren Nachbarn nicht in diesem Ausmass bevorstehen, dafür zieht sich die Omikron-Ausbreitung wohl in die Länge, sagt Drosten dem «Spiegel». Der Experte sagt zudem, dass das Risiko einer Hospitalisierung für Ungeimpfte mit Omikron wohl etwas kleiner sei als mit Delta. Trotzdem seien die Ungeimpften nun für den Rest der Pandemie die Gefährdeten.
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte gegenüber dem Fernsehsender RTL, dass sich die Daten mehrten, wonach eine Infektion mit Omikron wohl milder verlaufe als mit anderen Varianten. Er hoffe deshalb auf eine mildere Welle. Die Experten beziehen sich bei ihren Aussagen auf die neusten Untersuchungen aus der Wissenschaftswelt.
Das sagen die neusten Studien
Gemäss einem zusammenfassenden Bericht des britischen Guardians gibt es mittlerweile sechs Studien, welche alle auf ähnliche Art erklären, weshalb Omikron weniger gefährlich sein könnte. Vier der Untersuchungen sind seit Weihnachten veröffentlicht worden, es handelt sich dabei um Vorveröffentlichungen, welche noch nicht von der Fachwelt geprüft wurde. Zudem geht es um Laborstudien und Tierversuche, es handelt sich nicht um tatsächliche Vergleichsstudien mit verschiedenen Personengruppen, welche am aussagekräftigsten wären.
Die Forscherinnen und Forscher geben sich aufgrund der übereinstimmenden Ergebnisse aber doch langsam zuversichtlich, dass sich Omikron wohl vor allem im Hals und weniger in der Lunge breitmacht. Die Studien wiesen alle in diese Richtung, erklärt ein Virologe dem «Guardian». Wenn sich ein Virus im Hals reproduziere, werde es ansteckender, was sich bei Omikron derzeit beobachten lasse. Gleichzeitig sei die Krankheit dann weniger gefährlich, als wenn die Ausbreitung in der Lunge erfolge. Dies habe beispielsweise auch an Mäusen oder Hamstern festgestellt werden können.
Eine kleine Untersuchung stellte auch fest, dass Corona-Tests zuverlässiger sind, wenn der Abstrich im Hals statt in der Nase erfolgt, auch dies könnte darauf hindeuten, dass an der Hals-Theorie etwas dran ist. Für richtige Ergebnisse müssten allerdings noch viel mehr Tests ausgewertet werden.
Trotz den Einschränkungen der Studien sagt Virologieprofessor James Stewart dem «Guardian», dass diese ersten Hinweise auf die Omikron-Ausbreitung im Hals gute Nachrichten seien. Man müsse aber vorsichtig bleiben, vor allem die gefährdeten Personen – man könne an Omikron immer noch sterben.
SDA/anf/sep
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