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Neueste Erkenntnisse
Täter fuhr über Rettungsweg in den Weihnachtsmarkt

20.12.2024, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Einsatzkräfte von Rettungsdiensten und Feuerwehr sind im Einsatz auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. (Bestmögliche Qualität) Foto: Dörthe Hein/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Dörthe Hein)
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In Kürze:
  • Ein Mann ist mit einem Mietauto am Freitagabend gegen 19 Uhr mehrere Hundert Meter weit durch den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast.
  • Fünf Todesopfer sind bisher bestätigt, 200 weitere Menschen sind verletzt worden,
  • Der festgenommene mutmassliche Täter soll 50 Jahre alt sein, aus Saudiarabien stammen, seit 2006 in Deutschland leben und als Arzt arbeiten. Er war nicht als Islamist bekannt.
  • «Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudiarabischen Flüchtlingen» könne laut der Staatsanwaltschaft der Auslöser der Tat gewesen sein.

Bei der Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg soll der mutmassliche Täter über den Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Platz gelangt sein. Die Fahrt habe rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert, sagte ein Polizeisprecher. Der Rettungsweg war nicht durch Sperren oder Poller geschützt. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gehe man davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handle.

Die Staatsanwaltschaft hat erste Hinweise auf ein mögliches Motiv gegeben. «Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudiarabischen Flüchtlingen» könne der Auslöser der Tat gewesen sein. Die Vernehmung des Beschuldigten laufe noch. Der Tatvorwurf lautet fünffacher Mord und versuchter Mord in 200 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Beim Anschlag sind ein neunjähriges Kind und vier Erwachsene ums Leben gekommen. Das sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff am Samstagmittag. Bei der Tat wurden zudem 200 Menschen verletzt. Da einige schwer verletzt wurden, könnten weitere Tote nicht ausgeschlossen werden. «Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland», sagte Haseloff.

Die Bilanz sei noch schrecklicher als am Abend zunächst angenommen. Der Ort des Anschlages werde «auf immer mit der Geschichte der Stadt Magdeburg in Verbindung bleiben», erklärte ein sichtlicher erschütterter Haseloff am Ort des Geschehens. Der Ministerpräsident sprach von einer Dimension, die sich «keiner von uns vorstellen konnte».

Viele Menschen an Gedenkgottesdienst

Zahlreiche Menschen haben sich zu einem Gedenkgottesdienst im Magdeburger Dom versammelt. Die Trauerandacht war für Angehörige von Opfern, Rettungskräfte sowie für andere geladene Gäste gedacht. Vor dem Seitenportal des Doms stellten Menschen Dutzende leuchtende Kerzen auf und legten Blumen nieder. Weil der Eingang vor Beginn des Gottesdienstes mit Gittern abgesperrt worden war, trugen Polizisten die Kerzen zu dem Portal.

In das Gedenken in der Magdeburger Innenstadt mischten sich am Samstagabend aber auch rechte Parolen. Etwa 1000 Teilnehmer versammelten nach einer ersten Schätzung der Polizei auf einem zentralen Platz. Zu sehen waren dort unter anderem ein Transparent mit dem Wort «Remigration» sowie sogenannte Heimat-Fahnen. Rufe wie «Wir sind das Volk» waren zu hören.

Nach jetzigem Stand ein Einzeltäter

Bei dem festgenommenen Verdächtigen handele es sich um einen Arzt, der in Bernburg, südlich von Magdeburg, lebe und arbeite. Er sei nach bisherigen Erkenntnissen ein Einzeltäter und war den Behörden nicht als Islamist bekannt, sagte der Ministerpräsident. «Nach jetzigem Stand ist es ein Einzeltäter, sodass auch für die Stadt nach jetzigem Ermessen keine weitere Gefahr ausgeht, weil wir ihn festnehmen konnten und jetzt alle Untersuchungen laufen.»

Landesinnenministerin Tamara Zieschang sagte, der Mann stamme aus Saudiarabien, er sei 2006 erstmals nach Deutschland gekommen und habe einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Der Täter raste laut Haseloff mit einem Mietauto in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt.

Saudiarabien hat Deutschland saudischen Sicherheitskreisen zufolge vor dem Mann gewarnt. Vor rund einem Jahr habe es eine Art Warnhinweis zu dem Mann an die deutschen Behörden gegeben.

Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert, hiess es. Der Mann stammt demnach aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudiarabiens. Er sei Schiit gewesen. Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte über Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.

Sprengsatz im Täterfahrzeug vermutet

Der Täter raste mit einem Mietauto «mindestens 400 Meter über den Weihnachtsmarkt» in die Menschenmenge. Die Polizei Magdeburg sperrte nach dem Anschlag vor Ort alles ab, weil im Täterfahrzeug laut Polizei-Angaben ein Sprengsatz vermutet wurde. Dieser Verdacht bestätigte sich im Verlauf der Nacht aber nicht.

Zahlreiche Sanitäter waren im Einsatz. Sie versorgten die Verletzten, die vor den Marktbuden auf dem Boden lagen, wie eine DPA-Reporterin berichtete. Zur Versorgung der Verletzten wurden Zelte aufgebaut. Überall war Blaulicht zu sehen.

20.12.2024, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Ein Polizist untersucht den Tatort auf dem Weihnachtsmarkt. Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Foto: Heiko Rebsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Zahlreiche Videos kursieren im Netz

Der Weihnachtsmarkt befindet sich auf dem Alten Markt, direkt am Rathaus in der Nähe der Elbe. In der Nähe liegt ein grosses Einkaufszentrum. Auf X waren am Abend Videos zu sehen, in denen zahlreiche Einsatzfahrzeuge zu sehen waren.

dpatopbilder - 20.12.2024, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Einsatzkräfte von Rettungsdiensten, Polizei und Feuerwehr sind im Einsatz auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Foto: Heiko Rebsch/dpa - ACHTUNG: Person(en) wurde(n) aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Heiko Rebsch)

Auch ein Video des Anschlags kursiert in den Netzwerken. Es ist ein dunkles Fahrzeug – ein BMW – zu sehen, das mit hoher Geschwindigkeit in die Menschenmenge fährt, für dessen Echtheit es noch keine Bestätigung gibt. Diese Redaktion verzichtet auf die Verbreitung des Clips.

Scholz: «Was für eine furchtbare Tat»

Kanzler Olaf Scholz hat sich betroffen gezeigt. Er bezeichnete den Anschlag als «furchtbare, wahnsinnige Tat». Es gebe keinen friedlicheren und fröhlicheren Ort als einen Weihnachtsmarkt, sagte Scholz in Magdeburg. «Was für eine furchtbare Tat ist das, dort mit solcher Brutalität so viele Menschen zu verletzen und zu töten.»

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock hat ebenfalls bestürzt reagiert. «Mein tiefstes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Mein Dank den Rettungskräften und Helfern», schrieb die Grünen-Politikerin auf X. Sie sei erschüttert von den Bildern in Magdeburg

20.12.2024, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Verbandsmaterial liegt auf dem Boden auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. (Bestmögliche Qualität) Foto: Dörthe Hein/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Dörthe Hein)

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser geht davon aus, dass der mutmassliche Täter von Magdeburg islamfeindlich eingestellt war. «Wir können nur gesichert sagen, dass der Täter offensichtlich islamophob war», sagte die SPD-Politikerin in Magdeburg. Alles Weitere sei Gegenstand der Ermittlungen. Was es an Warnungen im Vorfeld gegeben habe oder nicht, obliege den Ermittlungsbehörden, betonte Faeser. Das Bundeskriminalamt sei eingeschaltet und unterstütze die Ermittlungen.

Erinnerungen an Berlin 2016

Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden zwölf Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.

Auch in anderen Städten mit Weihnachtsmärkten ist die Polizei nun besonders achtsam. In Stuttgart sagte ein Polizeisprecher, die Polizeikräfte seien vor Ort sensibilisiert worden. In Berlin sagte ein Sprecher, man habe die Beamten aufgerufen, ein erhöhtes Augenmerk auf Weihnachtsmärkte zu richten.

Weihnachtsmärkte wollen weitermachen

Nach dem mutmasslichen Anschlag von Magdeburg hat sich der Deutsche Schaustellerbund gegen die Absage von Weihnachtsmärkten in Deutschland ausgesprochen. «Die Weihnachtsmärkte pauschal als Symbol abzusagen, wäre das falsche Zeichen», sagte Verbandspräsident Albert Ritter am Samstag der «Rheinischen Post». «So, wie wir sie feiern, ist das ein Zeichen gelebter Demokratie und des friedlichen Miteinanders.»

Ritter betonte, die Schausteller seien nach dem mutmasslichen Anschlag in Magdeburg unmittelbar als Ersthelfer und Augenzeugen vor Ort gewesen. Er sprach von einer grossen «Betroffenheit».

DPA/nag/fal