Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Neues Jugendschutzgesetz
Ausweiszwang für harmlose Youtube-Filme? «Krass irreführend»

Das soll Kindern den Zugang zu Pornos und Gewaltdarstellungen erschweren. Internet-Aktivisten befürchten als Folge allgemeine Netzsperren. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ein neues Gesetz soll dafür sorgen, dass Kinder zu Gewalt und Pornos im Internet keinen Zugang mehr haben. Das Jugendschutzgesetz sieht vor, dass Internetplattformen mit Videos und Filmen das Alter ihrer User überprüfen müssen.

Diese Internet-Pornosperre wurde im Parlament im letzten September von einer satten Mehrheit beschlossen. SP, Grüne, Mitte, GLP und etwa die Hälfte der FDP-Fraktion sprachen sich dafür aus. 

Piratenpartei hat das Referendum ergriffen

Gegen das Gesetz wehren sich seither Kräfte von ausserhalb des Parlaments. Die Internet-Aktivisten der Piratenpartei haben für ihr Referendum nach eigenen Angaben bisher zwar erst «zwischen 25’000 und 30’000 Unterschriften» gesammelt. «Aber die Dynamik stimmt», sagt Pascal Fouquet, Sprecher der Piratenpartei. Am Montag seien über 1000 Bögen von der Kampagnen-Website heruntergeladen worden. 

Nur: Um die fehlenden Unterschriften zu sammeln, stehen nur noch zehn Tage zur Verfügung. Am 19. Januar läuft die Frist ab. 

Im Hinblick auf das Ende der Sammelfrist hat die Piratenpartei ihre Rhetorik verschärft. «Wer beispielsweise auf Youtube einen Clip schauen will, muss sich künftig zuerst ausweisen – selbst bei Kinderfilmen», sagte Fouquet dem «Blick». Das bedeute, dass man auf jeder Plattform zuerst einen Account anlegen und sein Alter verifizieren müsse. 

«Es stimmt nicht, dass wir uns künftig mit dem Pass ausweisen müssen, um uns auf Youtube Filme anzuschauen.» 

Matthias Aebischer, SP-Nationalrat

SP-Nationalrat Matthias Aebischer befürwortet das Gesetz und hat seine Entstehung eng begleitet. Für ihn sind die Aussagen des Referendumskomitees «krass irreführend»: «Es stimmt nicht, dass wir uns künftig mit dem Pass ausweisen müssen, um uns auf Youtube Filme anzuschauen.» Denn wer Youtube benütze, ohne sich auf der Plattform einzuloggen, könne das weiterhin tun. Daran ändert das Jugendschutzgesetz laut Aebischer nichts.

Recht soll auch im Internet gelten

«Die Behauptung ist eine Ente», sagt Aebischer, «eine offensichtliche Verzweiflungstat, um die notwendigen 50’000 Unterschriften vor Ablauf der Frist zusammenzubekommen.» 

Die Gegnerinnen und Gegner seien gegen jede Art der Regulierung im Internet. «Aber für mich – und die Mehrheit des Parlaments – ist klar: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.» Der Jugendschutz gelte dort genauso wie überall sonst. 

«Die Argumente gegen das Gesetz sind an den Haaren herbeigezogen.»

Matthias Michel, FDP-Ständerat

Ständerat Matthias Michel, der als Kommissionssprecher die Gesetzgebungsarbeit mitgeprägt hat, gehört zu jener Hälfte der FDP-Fraktion, die sich für die Pornosperre ausgesprochen hat. Er sagt: «Die Argumente gegen das Gesetz sind an den Haaren herbeigezogen.»

Wie der Jugendschutz technisch umgesetzt wird, steht laut Michel nämlich noch gar nicht fest. Die Details würden später in einer Verordnung in enger Absprache mit den betroffenen Anbietern festgelegt.

«Das wäre, als ob man im Coop am Eingang jedes Mal den Ausweis zeigen müsste, auch wenn man gar keinen Alkohol kauft.»

Pascal Fouquet, Sprecher der Piratenpartei

Michel widerspricht auch der Aussage, das Schweizer Jugendschutzgesetz sei das internetfeindlichste in ganz Europa: «Im Gegenteil: Die Angleichung an die internationale und insbesondere europäische Entwicklung war dem Parlament wichtig.»

Piraten-Sprecher Fouquet kann über die beiden Politiker nur den Kopf schütteln: «Sie sollen doch den Gesetzestext lesen, über den sie abgestimmt haben.» Auch die erläuternde Botschaft des Bundesrats mache unmissverständlich klar, dass es eine Ausweispflicht geben solle.

Allerdings: In der Botschaft heisst es bloss, die Identifikationspflicht «kann zum Beispiel auch über die Einforderung einer Kopie des Personalausweises» erfüllt werden. Von einer Pflicht ist also nicht die Rede.

Fouquet verweist aber auf Aebischers Parteikollegin Sandra Locher, die zu «20 Minuten» sagte, es werde darauf hinauslaufen, dass sich alle Nutzer auf den Plattformen ausweisen müssten. Für Fouquet wäre das, «als ob man im Coop am Eingang jedes Mal den Ausweis zeigen müsste, auch wenn man gar keinen Alkohol kauft».

Bestätigung aus dem Bundesamt

Ursprünglich ausgearbeitet wurde das Jugendschutzgesetz vom Bundesamt für Sozialversicherungen. Sein Sprecher Harald Sohns verneint, dass es eine generelle Ausweispflicht für Plattformen vorsieht: «Es verlangt nur, dass Plattformbetreiber oder Anbieter von Games und Videos verhindern müssen, dass Kinder für sie ungeeignete oder gar gefährliche Inhalte konsumieren können.»

«Nur dann, wenn man zusätzlich auch Inhalte sehen will, die ausschliesslich für Erwachsene sind, muss man sich anmelden.»

Harald Sohns, Bundesamt für Sozialversicherungen

Dafür brauche es zwar eine Alterskontrolle. «Aber wie die Anbieter und Betreiber diese Kontrolle technisch umsetzen, steht in ihrer Verantwortung.» Bei Youtube zum Beispiel könnten jegliche Inhalte, die für Minderjährige freigegeben seien, konsumiert werden, ohne sich einzuloggen.

«Nur dann, wenn man zusätzlich auch Inhalte sehen will, die ausschliesslich für Erwachsene sind, muss man sich anmelden», sagt Sohns. Das werde schon heute so gehandhabt. Aktuell reiche das Eingeben des Geburtsdatums. Aber mit Inkrafttreten des Gesetzes müsse das Alter bei der Anmeldung verifiziert werden.