Erste nationale Altersgrenzen für Videos und Games vorgeschlagen
Erstmals sollen schweizweite Jugendschutz-Regeln für Filme, Videos und Games gelten. Die Pläne des Bundesrats halten Branchenvertreter allerdings für kaum umsetzbar.
Das erschreckendste Beispiel ist das Videospiel «Rape Day»: Der Spieler soll während einer Zombie-Apokalypse Frauen vergewaltigen. Die Internetplattform Steam hat das Spiel vor wenigen Tagen aus dem Programm genommen, nachdem sie damit einen internationalen Sturm der Entrüstung entfacht hatte.
In der Schweiz sollen zumindest Kinder und Jugendliche in Zukunft nicht mehr mit solchen Angeboten konfrontiert werden. Der Bundesrat schlägt die ersten schweizweiten Jugendschutzmassnahmen für Filme, Videos und Videospiele vor, wie er am Freitag mitteilte.
Die Branchen in den Bereichen Kino, Film, Video und Games sollen verpflichtet werden, eigene Regeln einzuführen. Dazu gehören bei Film und Videogames systematische Alterskennzeichnungen, Verkaufskontrollen, Jugendschutz-Software und Beschwerdestellen für Eltern. Diese Regeln würde der Bundesrat allgemein verbindlich erklären; es müssten sich alle Anbieter daran halten, nicht nur jene, die Mitglieder in Branchenorganisationen sind. Bei Video- und Gameplattformen im Internet schlägt der Bundesrat Mindeststandards vor, wie sie auch die EU beschlossen hat. Die Plattformen müssten demnach das Alter ihrer Nutzer prüfen und ein System anbieten, mit dem Nutzer Inhalte beanstanden können, die für Minderjährige nicht geeignet sind.
Heute ist der Jugendschutz weitgehend Sache der Kantone und ein entsprechendes Flickwerk. Einige Branchen wie der Filmverleih, die Spieleverkäufer oder auch die Anbieter von Internet-Fernsehen haben eigene Regelwerke erlassen. Gesetzlich sind die Altersangaben für Kino und Filmverleih in der Romandie und der Deutschschweiz unterschiedlich geregelt und funktionieren erst seit wenigen Jahren dank der Zusammenarbeit mehrerer Kantone und der Branchenvertreter einigermassen. Die Kantone Zürich und Tessin wiederum haben komplett eigene Rechtsgrundlagen geschaffen. Darum sagt Ludwig Gärtner, Vizedirektor des zuständigen Bundesamts für Sozialversicherungen: «Eine national einheitliche Alterseinstufung von Filmen, Videos und Games wäre für Erziehungsberechtigte eine Orientierungshilfe.» Kantonale Sonderregeln würden dann hinfällig. Gärtner warnt aber vor übertriebenen Erwartungen: «Man darf sich keine Illusionen machen: Es sind nach wie vor die Erziehungsberechtigten, die beim Jugendschutz die zentrale Rolle haben.»
Der Bund hat sich schwergetan mit dem neuen Gesetz. 2016 schon hätte ein Entwurf vorliegen sollen, doch die Vernehmlassung wurde immer wieder aufgeschoben. «Wir haben die Arbeiten an der Vorlage aufgeschoben, um die Entwicklung der europäischen Gesetzgebung für Videoplattformen abzuwarten», sagt Gärtner. Die Durchsetzung des Jugendschutzes auf Internetplattformen sei schwierig. «Darum schlagen wir möglichst EU-nahe Regeln vor: Die Marktmacht Europas ist so gross, dass sich internationale Anbieter daran halten werden.» In einem Punkt will der Bundesrat indessen über die Regulierung der EU hinausgehen: Brüssel unterstellt nur die Videoplattformen den neuen Anforderungen, Bern hingegen will diese auch den Anbietern von Online-Spielen auferlegen. «Es ist nicht einsichtig, warum wir für Spiele weniger Auflagen einführen sollten als für Videos», sagt Gärtner.
Bei Games, die heute schon mit den europäischen Altersregelungen Pegi versehen sind, dürfte die Neuregelung nicht viel ändern. Bei der Film- und Videobranche finden die Vorschläge grundsätzlich Anklang. «Wir unterstützen die Stossrichtung des Gesetzes, konnten es aber noch nicht im Detail prüfen», sagt Franz Woodtli, Präsident des Vereins Jugendschutz in den Medien. «Bis anhin kennen wir im Filmbereich nur kantonale Regelungen, die sich nicht harmonisieren lassen. Darum benötigen die Branche und der Gesetzgeber eine nationale Regelung.» Den Konsumenten hingegen scheint das Thema nicht unter den Nägeln zu brennen, räumt Woodtli ein: «Von den Konsumenten erhalten wir wenig Resonanz zum Thema Jugendschutz. Für sie scheint es marginal zu sein.» Trotzdem müssten die neuen Regeln für die Endverbraucher verständlich sein und «so weit möglich» einheitlich umgesetzt werden. Mit der Einschränkung spielt Woodtli vor allem auf die Streaming- und Videoplattformen an, die international ausgerichtet sind. «Gegenüber internationalen Playern wie grossen Videoplattformen ist eine nationale Gesetzgebung kaum durchsetzbar. Inwiefern diese vom Gesetz erfasst werden sollen, ist zu prüfen», sagt Woodtli.
Der Telecomverband Asut, der Mitglieder mit Internet-TV- und Video-on-Demand-Angeboten in seinen Reihen hat, wird die bundesrätliche Vorlage kritisch prüfen. Die Verbandsmitglieder stellten schon heute freiwillig Sperrfunktionen zum Jugendschutz zur Verfügung. «Wir bezweifeln, ob das Gesetz seine Wirkung im Internetbereich überhaupt entfalten kann, weil die Schweiz internationale Plattformen für Videos und Filme nicht regulieren kann», sagt Geschäftsführer Christian Grasser. «Wichtig für den Jugendmedienschutz ist vor allem die Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen und Eltern. Dafür setzen wir uns seit zehn Jahren ein.»
Auf solche Kritik ist Ludwig Gärtner vom Bundesamt für Sozialversicherungen vorbereitet. «Der Bundesrat hat uns den Auftrag gegeben, eine Lösung für den Jugendmedienschutz vorzuschlagen», sagt er. «Die Diskussion darüber muss jetzt geführt werden.» Interessierte Kreise können ihre Vernehmlassungsantworten zu dem Gesetzesentwurf bis am 24. Juni 2019 einreichen. Danach wird der Bundesrat über das weitere Vorgehen entscheiden.
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