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AboStreit wegen Corona-Politik
Austrittswelle aus der Zürcher SVP – und noch mehr Neumitglieder

Die Corona-Politik spaltet die Zürcher SVP. 

«Ich habe heute meinen Parteiaustritt eingereicht», schreibt Karl Zweifel am Dienstag auf Facebook. Er hatte 2010 für den Zürcher Stadtrat kandidiert und war insgesamt zweieinhalb Jahre lang im Zürcher Stadtparlament und im Kantonsrat. Und jetzt hat Zweifel genug von seiner Partei, der SVP.

Die Begründung für seinen Austritt gibt er gleich online an: Es ist der «beschämende und antiwissenschaftliche Schwachsinn, den die Mehrheit in unserer Partei – inklusive Aeschi und Maurer – in Sachen Covid-19 vertritt».

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Am Telefon sprudelt es nur so aus dem Mund des Chirurgen, über den der «Tages-Anzeiger» einmal schrieb: «Er sieht aus wie ein Freak und denkt wie Blocher und Mörgeli. Und er redet schneller als jeder Politiker.»

Für Bundesrat Ueli Maurer und Thomas Aeschi, SVP-Fraktionschef im Nationalrat, hat Zweifel nur Attribute übrig, die man nicht drucken kann. Klar ist aber: Er goutiert ihre Aussagen bezüglich Corona-Impfung, Zertifikate, Massnahmen etc. nicht. Aeschi bezeichnet er als «Balkan-Verehrer».

Der Zuger Politiker hatte Ende Juli in der «SonntagsZeitung» von Ländern wie Polen, Serbien und Albanien geschwärmt, die praktisch zur Normalität zurückgekehrt waren, und sie zu Vorbildern für die Schweiz erklärt. Eine Masken- und Zertifikatspflicht sei auch hierzulande nicht mehr gerechtfertigt, so Aeschi. «Und jetzt sind 50 Prozent der Intensivpflegebetten voll mit Rückkehrern aus diesen Ländern», sagt Zweifel.

«Wer dann noch Masken und die Impfung ablehnt, hat nicht alle Tassen im Schrank.»

Karl Zweifel

Den Ausschlag für den Parteiaustritt gab aber ein Interview von Ueli Maurer im letzten «Sonntags-Blick», in dem der SVP-Bundesrat Impfverweigerer «senkrechte Schweizer» nannte, wie Zweifel erklärt. Genau sagte Maurer: «Ich bewege mich auch unter Leuten, die sich nicht impfen lassen wollen. Ich komme vom Land, dort ist man sehr kritisch. Das sind nicht einfach Spinner und Verschwörungstheoretiker, sondern senkrechte Schweizer, die sagen: Jetzt geht der Staat zu weit.»

Karl Zweifel, der in jedem zweiten Satz die Wörter «Vernunft» und «Fakten» benutzt, nennt die SVP-Politik zur Corona-Frage «radikalisiert und total falsch» – insbesondere die Ablehnung des Covid-Gesetzes, über das im November abgestimmt wird. Dabei habe heutzutage jeder die Möglichkeit, sich zu informieren. «Wer dann noch Masken und die Impfung ablehnt, hat nicht alle Tassen im Schrank», sagt Zweifel.

«Faktor 100, verstehen Sie?»

«Impfen ist eine der grössten Errungenschaften der Medizin – in sechs bis acht Wochen könnte das Virus weg sein, wenn sich alle impfen lassen würden.» 10’000 Personen seien in der Schweiz an Covid gestorben und knapp 100 im Zusammenhang mit der Impfung – «Faktor 100, verstehen Sie?»

Dass die SVP auch die Ehe für alle ablehne, zeige, dass sich die Partei «mental noch im Mittelalter befindet», so Zweifel weiter. Er habe zu Beginn der Pandemie für die Partei zwei Texte geschrieben, um aus Ärzte-Sicht aufzuklären. Auch habe er mit der Partei einen Youtube-Beitrag realisiert.

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«Nützte alles nichts», konstatiert Zweifel, der am Freitag das Pensionsalter erreicht und dann sein lange angekündigtes ultimatives Buch zur Erklärung der Welt vollenden wird. Mit der Aussage von Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP), dass Ungeimpfte im Notfall auf eine Behandlung verzichten sollten, ist Zweifel wiederum «nicht ganz einverstanden». In einer Triage-Situation würde Arzt Zweifel aber die Herzinfarkt-Patientin dem ungeimpften Covid-Patienten vorziehen, wie er sagt.

Viele gehen, viele kommen

Zweifel mag eine ausserordentliche Figur sein. Doch er ist nicht allein. Wie er sagt, hat die Zürcher SVP in nur einem Jahr mehrere Hundert Mitglieder verloren. Hauptbegründung: die Corona-Politik der Partei.

Per saldo habe die Kantonalpartei aber zugelegt, da im gleichen Zeitraum noch mehr Personen ein Beitrittsformular unterschrieben hätten. Hauptbegründung: die Corona-Politik der Partei.

Entsprechende Zahlen geistern offenbar schon länger in der SVP herum, eine andere Quelle nennt eine ähnliche Höhe von mehreren Hundert Austritten. Thomas Schwendener kennt die genauen Zahlen nicht, hat aber auch von einer Aus- und Eintrittswelle gehört. Die Neueintritte seien aber nicht nachhaltig, mutmasst er. «Das sind Kurzfrist-Mitglieder aus dem Umfeld der Impfverweigerer und Massnahmengegner.»

«Ich bin der Nächste, der austritt»

Schwendener sass insgesamt 16 Jahre lang für die SVP im Zürcher Stadtparlament. «Bei der Abwahl von Christoph Blocher gab es ebenfalls einen Mitgliederboom», sagt er. «Doch zwei oder drei Jahre später waren viele wieder weg.»

Schwendener gefällt der Kurs der Partei auch nicht. Aeschi und Maurer riskierten einen weiteren Lockdown, was unverantwortlich sei. «Ich bin der Nächste, der austritt», kündigt er an. Er will sich noch mit einer Vertrauensperson absprechen.

Aus dem Stadtparlament ist Schwendener im vergangenen März indirekt wegen Corona zurückgetreten. Der langjährige Chef-Techniker in einem Stadtzürcher Pflegezentrum fühlte sich am neuen Tagungsort in der Oerliker Messehalle 9 nicht mehr wohl. Anlässlich einer Sitzung habe er mit Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) geredet – im vorgeschriebenen Abstand. Doch als kurz darauf gemeldet worden sei, dass Leupi infiziert gewesen sei, sei es ihm zu heiss geworden.

Die SVP bedauert

Benjamin Fischer, Präsident der kantonalen SVP, dementiert eine grössere Absetzbewegung, will aber keine Zahlen nennen. Er bestätigt lediglich eine Zunahme der Mitgliederzahl auf inzwischen über 10’000. Unter ihnen seien auch all jene, welche die Verantwortung für die Partei trügen. Dass Karl Zweifel austritt, findet Fischer schade. «Ich schätze ihn sehr, er gab stets hochinteressante Statements ab.»

Der Parteipräsident bedauert, dass die Menschen in diesen Zeiten zur Überreaktion neigen. Auseinandergehende Meinungen zur Corona-Politik gebe es in jeder Partei. «Doch im Gegensatz zu anderen Parteien wird die Diskussion bei uns auch geführt», sagt Fischer – jüngst sei ein SP-Kantonsrat zu ihm gekommen und habe seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die SVP das Covid-Gesetz bodige. Klar ist für Fischer, der übrigens geimpft ist: «Die Zertifikatspflicht ist schädlich, ein Teil der Menschen wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen.»

Auch SVP-Stadtparteipräsident Mauro Tuena, der mit Zweifel 2010 den – für beide letztlich erfolglosen – Stadtratswahlkampf geführt hatte, «bedauert» den Parteiabgang Zweifels. «Er war immer ein engagierter Politiker», sagt Tuena. Es sei doch klar, dass es in so grossen Volksparteien verschiedene Meinungen zur Corona-Politik gebe. Das müsse man ausdiskutieren, findet Tuena.

«Die SVP ist die einzige Partei, die etwas gegen die Corona-Massnahmen macht.»

Mike Burri (parteilos, Ex-SVP)

Das wird aber nicht gemacht. Zumindest ist das die Meinung einzelner Parteigänger. Diese Zeitung erreichten in jüngster Zeit vier Zuschriften mit den Austrittsbegründungen von (Ex-)Parteimitgliedern. Zwei Ausgetretene waren einfache Mitglieder, zwei sind ehemalige Funktionsträger. Mit dem Namen will niemand hinstehen. Sie begründen den Austritt hauptsächlich mit der Corona-Politik der SVP und dem fehlenden Respekt einiger Parteiexponenten gegenüber Andersdenkenden.

Die Corona-Situation treibt seltsame Blüten. Ex-Gemeinderat Thomas Schwendener berichtet von einem SP-Mitglied, das wegen der Covid-Politik zur SVP gewechselt ist. Und Mike Burri, Ex-SVP-Gemeinderat von Wettswil und Ex-Präsident der SVP Aesch, sagt, sein Austritt – wegen Parteiquerelen – sei zwar für ihn eine Erleichterung gewesen. Doch nun schliesst er nicht aus, wieder beizutreten. «Die SVP ist die einzige Partei, die etwas gegen die Corona-Massnahmen macht», so Burri.