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US-Tennisstar klagt an
«War das nun ein Scherz über Schwarze?»

Ben Shelton feiert Sieg bei den Australian Open 2025 in Melbourne, jubelnd auf dem Tennisplatz mit erhobenen Fäusten.
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In Kürze:
  • Ben Shelton kritisierte die respektlose Behandlung von Spielern durch TV-Anstalten.
  • Vor allem eine rassistische Anspielung kam ihm in den falschen Hals.
  • Kollegen und Tennislegenden loben Sheltons Mut, Klartext zu reden.
  • Australische Medien indes wehren sich gegen die Kritik an ihrer Interviewkultur.

Ben Shelton ist wahrlich nicht dünnhäutig. Als die Zuschauer an den Swiss Indoors im vergangenen Oktober seinen Gegner Stan Wawrinka euphorisch, zeitweise auch unfair unterstützten und bei Fehlern des Amerikaners applaudierten, nahm er das ihnen nicht übel. Im Gegenteil. «Ich musste manchmal schmunzeln», sagte er nach seinem Sieg im Achtelfinal. «Natürlich war es gegen mich gerichtet. Aber es ist cool, zu sehen, dass ein Land seinen Spieler so unterstützt wie Stan. Er ist eine Ikone. Ich glaube nicht, dass ich mit 39 noch da unten stehe und Matchs gewinne.»

Am Australian Open ist dem 22-jährigen Amerikaner nun aber der Kragen geplatzt. Nach dem Einzug in den Halbfinal, wo er am Freitag (ab 9.30 Uhr) Jannik Sinner fordern wird, beschwerte er sich am Ende seiner Presse­konferenz ungefragt über die respektlose Behandlung der Spieler: «Was ich noch sagen möchte: Ich bin ein bisschen schockiert darüber, wie die Spieler in dieser Woche von den TV-Anstalten behandelt werden. Ich glaube nicht, dass der Typ, der sich über Novak (Djokovic) lustig gemacht hat, ein Einzelfall ist. Ich habe das nun verschiedentlich beobachtet, nicht nur bei mir selber.»

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Shelton sprach die Platzinterviews mit den Siegern an, die der Unterhaltung des Publikums dienen sollen. So wie nach seinem Duell mit Gaël Monfils, das bei allen für gute Laune gesorgt hatte, weil die beiden nicht nur attraktiv spielen, sondern sich auch gut mögen. Der 38-Jährige sei alt genug, um sein Vater zu sein, sagte der Interviewer zu Shelton – und implizierte augenzwinkernd: Vielleicht sei er ja sein Vater. «Ist das nun ein Scherz über Schwarze?», gab Shelton schlagfertig zurück. Worauf der Interviewer stammelte: «Ich bin mir nicht sicher. Lassen wir das.»

Hätte es diese Anspielung gegeben, wenn Shelton und Monfils weisser Hautfarbe wären? Wohl kaum. Shelton und sein Vater Bryan, der auch sein Coach ist, nahmen es im ersten Moment mit Humor. Shelton entschuldigte sich in der Pressekonferenz danach sogar für seine Replik: «Wahrscheinlich hätte ich das nicht sagen sollen.»

Bryan Shelton schaut bei einem Viertelfinalspiel der Australian Open 2025 in Melbourne zu, bei dem sein Sohn Ben Shelton gegen Lorenzo Sonego antritt.

Aber die Sache beschäftigte ihn weiter. Und als er nach seinem nächsten Sieg gegen den Italiener Lorenzo Sonego gefragt wurde, wie er damit umgehen werde, dass ihm im Halbfinal kaum jemand im Stadion die Daumen drücken werde, brachte das bei ihm das Fass zum Überlaufen.

«Das mag ja so sein», sagte Shelton danach in der Pressekonferenz. «Aber ich finde das respektlos von einem Kerl, den ich noch nie in meinem Leben getroffen habe. Ich finde, die TV-Anstalten sollten uns helfen, den Sport weiter zu popularisieren. Sie sollten den Athleten, die gerade auf der grössten Bühne ihre Matchs gewonnen haben, ermöglichen, das zu geniessen.»

Er erwähnte andere Beispiele wie das Platzinterview mit dem jungen Amerikaner Learner Tien, der, nachdem er Daniil Medwedew geschlagen hatte, keine Antworten auf die seltsamen Fragen des Interviewers wusste. «Ich spüre viel Negativität», sagte Shelton. «Das muss sich ändern.»

Davenport lobt Sheltons Mut

Kollegen wie der Tscheche Jiri Lehecka gratulierten ihm, dass er Klartext geredet hatte. Tennislegende Martina Navratilova sagte im amerikanischen Tennis Channel: «Ich bin zu 100 Prozent bei Ben. Wer ein Interview macht, sollte seinen Kopf benutzen.»

Lindsay Davenport stimmte zu: «In Australien versucht man, die Leute in diesen Interviews zum Lachen zu bringen. Manchmal werden die Spieler auch herabgesetzt, um zu schauen, wie sie reagieren. Ich finde das nicht angemessen. Ben ist nun nicht nur für sich aufgestanden, sondern auch für seine Kollegen in der Garderobe. Ich liebe es!»

Die Kritik Sheltons wurde in den internationalen Medien breit thematisiert. Doch die Australier, die auf ihre Kultur des Witzelns stolz sind, lassen sich nicht gerne den Mund verbieten. Channel-9-Reporter Tony Jones kam nach seinem misslungenen Scherz über Novak Djokovic und dessen Fans mit einer halbbatzigen Entschuldigung davon.

In den USA wäre er bestimmt suspendiert worden. Wie Jon Wertheim, nachdem sich dieser im Tennis Channel über das Aussehen von Wimbledon-Siegerin Barbora Krejcikova lustig gemacht hatte und sich dabei nicht bewusst gewesen war, dass er schon auf Sendung war.

Darf sich nicht beklagen, wer so viel verdient?

In der Zeitung «The Age», die in Melbourne den sportlichen Diskurs bestimmt, erschien nun ein polemischer Kommentar zu Shelton. Er sei geschockt, dass Shelton geschockt sei, fand Kolumnist Greg Baum. Die Interviews mit den Spielerinnen und Spielern seien weit davon entfernt, respektlos zu sein. Schliesslich sei Shelton nicht gefragt worden, ob er sein buntes Shirt trage, weil er eine Wette verloren habe. Auch nicht, wieso er nicht einmal zum Coiffeur gehe. Oder ob er Tennis spiele, weil er es im American Football nicht geschafft habe.

Wer schon 5,5 Millionen Dollar Preisgeld verdient habe wie Shelton, könne sich ja wohl nicht beklagen, fand der Kolumnist. Und richtete sich an den Amerikaner: «Sie bekommen eine Menge Respekt für Ihr Tennis, werden dafür sogar ein wenig bewundert. Und das zu Recht. Reicht Ihnen das nicht?»

Shelton wird mit dieser Zurechtweisung leben können. Er ist einer der kommenden Stars des Tennis, steht mit 22 zum zweiten Mal in einem Grand-Slam-Halbfinal (nach dem US Open 2023) und hat mit seiner charismatischen Art und seinem spektakulären Spiel schon viele Fans gewonnen. Auch in der Basler St.-Jakobs-Halle eroberte er damit im Laufe jener Woche im Oktober auf seinem Weg in den Final viele Sympathien.