Aus der Öffentlichkeit verschwundenWo ist Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu?
Zum zweiten Mal in wenigen Wochen verschwindet in China ein Minister. Peking spricht von «gesundheitlichen Gründen», es könnte aber um Korruptionsvorwürfe gehen.
Als Li Shangfu im März als neuer Verteidigungsminister bestätigt wurde, war das auch eine Provokation Amerika gegenüber. Unter Donald Trump hatte Washington gegen den 65-Jährigen Sanktionen wegen des Kaufs von Waffen aus Russland verhängt. Die Botschaft aus Peking war klar: Staatschef Xi Jinping schert sich nicht um US-Sanktionen, Li galt zudem als Loyalist.
Doch ein halbes Jahr später ist unklar, inwiefern sich der einstige Leiter der chinesischen Waffenentwicklung noch auf den Schutz von Parteichef Xi Jinping verlassen kann. Seit zwei Wochen ist der General nicht mehr in der Öffentlichkeit gesichtet worden.
Wie schon beim Aussenminister
Eigentlich war Chinas Verteidigungsminister vorige Woche in Vietnam zu einem jährlichen Treffen mit Führern aus dem Bereich der Verteidigung erwartet worden, die Reise wurde kurzfristig abgesagt. Peking berief sich auf «Gesundheitsgründe». Der amerikanische Botschafter in Japan schrieb auf X, Li habe auch ein Treffen mit dem Marinechef Singapurs ausfallen lassen.
Die Angabe von gesundheitlichen Gründen erinnerte Beobachter an den Fall von Aussenminister Qin Gang, der Ende Juni verschwand und ohne weitere Erklärung vier Wochen später von seinem Vorgänger Wang Yi als Aussenminister abgelöst wurde. Zwischenzeitlich löschte das Aussenministerium sämtliche Hinweise auf Qins Person und stellte sie dann zu Teilen wieder online. Wo sich Qin Gang aufhält, ist unklar.
Bei parteiinternen Säuberungen verschwinden Kader immer wieder für Monate oder Jahre.
Mit Li könnte es nun die vierthöchste militärische Führungspersönlichkeit im Land getroffen haben, laut der «Financial Times» geht die US-Regierung davon aus, dass der Chinese im Fokus einer Untersuchung stehen könnte. Weitere Details nannten die US-Vertreter nicht.
Bei parteiinternen Säuberungen verschwinden Kader in China immer wieder zum Teil für Monate oder Jahre, um dann wegen Korruptionsverdachts oder anderer Vorwürfe vor Gericht gestellt zu werden. So lange werden die Verdächtigen an geheimen Orten verhört und ohne Zugang zu Anwälten oder Familie zu Geständnissen gezwungen.
Seit Monaten gibt es Hinweise auf Korruptionsvorwürfe innerhalb der Führungsspitze des chinesischen Militärs. Im Sommer war der bisherige Chef der Raketenstreitkräfte abberufen worden und vorab wochenlang nicht mehr öffentlich aufgetreten; auch seine zwei Stellvertreter gelten seitdem als verschwunden.
Hunderttausende abgestraft
Zu Beginn seiner Amtszeit 2012 hatte Parteichef Xi eine Antikorruptionskampagne gestartet, bei der Hunderttausende Funktionäre, Beamte und Staatsbeschäftigte bestraft wurden. Dass Korruption auch mehr als zehn Jahre nach seinem Regierungsantritt und unter Personal fortbesteht, das Xi ernannt hat, könnte ihm intern als Führungsschwäche ausgelegt werden.
Das Verschwinden von Li Shangfu dürfte auf jeden Fall für neue Verunsicherung sorgen. Seit Monaten bemüht sich Peking, das Vertrauen in Chinas Wirtschaft und Politik neu zu stärken, nachdem die drastische Corona-Politik die Zuversicht vieler Investoren und Partner massiv beschädigt hat.
Die Wirtschaft stottert
Allerdings sind die Wirtschaftszahlen schlechter als erhofft, die massive Verschuldung im Immobiliensektor drückt weiter auf die Stimmung. Das Verschwinden von mehreren Spitzenpolitikern könnte die Frage politischer Stabilität unter Führung Xis neu aufwerfen.
Nur eine Veränderung dürfte international mit Erleichterung betrachtet werden: Die US-Sanktionen gegen Li Shangfu hatten es fast unmöglich gemacht, Kommunikationskanäle zwischen dem Aussenminister und seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin aufzubauen. Wird seine Person ausgetauscht, dürfte es leichter werden, diese Herausforderung zu bewältigen.
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