Aus dem ObergerichtTochter über Jahre hinweg psychisch krank gemacht
Die Mutter und der Stiefvater, die ihre Tochter über Jahre hinweg massiv misshandelten, müssen zurück ins Gefängnis.
Der heute 48-jährige Mann und die 43-jährige Frau sassen ab November 2019 schon einmal 20 Monate in Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Jetzt, nach dem Urteil des Obergerichts, das die Strafe des Mannes von 36 auf 50 Monate und jene der Frau von 22 auf 47 Monate erhöhte, müssen die beiden zurück ins Gefängnis.
Seit das Mädchen sieben Jahre alt war, wurde es von seiner Mutter praktisch jeden Tag geschlagen. Ohrfeigen und Faustschläge ins Gesicht, den Kopf gegen eine Wand geschlagen, mit einem Staubsaugerrohr verprügelt, Fusstritte gegen die am Boden liegende Tochter: All das wurde zum Alltag des Mädchens für die folgenden sieben Jahre.
Dem Stiefvater auf der Matratze schutzlos ausgeliefert
Dabei blieb es aber nicht. Die inzwischen 14-Jährige musste im Wohnzimmer auf einer Matratze neben dem Stiefvater schlafen. Praktisch täglich verging er sich an ihr, berührte sie an den Brüsten, streichelte ihre Vagina, führte auch zwei Finger ein. Seinen Übergriffen war sie schutzlos ausgeliefert.
Denn als sie sich immer wieder hilfesuchend an die Mutter wandte, teilte ihr diese mit, sie müsse das zulassen, denn es handle sich schliesslich um ihren Vater. Als wäre auch das nicht genug, erstellte die Mutter Fotos vom Genitalbereich der 12- bis 14-Jährigen und schickte sie ihrem Ehemann. Der schickte die Fotos wiederum einem Verwandten in der Türkei.
Widersprüchliche Aussagen der Beschuldigten
Das Ehepaar, das die Vorwürfe grösstenteils bestritt, verlangte Freisprüche und Haftentschädigungen. Doch ihre laut Obergericht «auffallend kargen, widersprüchlichen, nicht überzeugenden» Aussagen kamen nicht an gegen die «konstanten, plastischen, detaillierten und übertreibungsfreien» Schilderungen der Tochter.
Der Mann wurde wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern verurteilt, die Ehefrau wegen Gehilfenschaft dazu. Beide wurden auch der Verletzung der Fürsorgepflicht und der Verletzung des Geheimbereichs schuldig gesprochen. Für diese Delikte war der Mann vom Bezirksgericht mit 36 Monaten, davon 18 unbedingt, bestraft worden, und die Frau kam mit der bedingten Gefängnisstrafe von 22 Monaten glimpflich davon.
Wer ist für die schweren Störungen verantwortlich?
Vor dem Obergericht ging es zentral um diese Frage: Waren die jahrelangen körperlichen Misshandlungen und die damit zusammenhängenden starken Angstzustände dafür verantwortlich, dass das Mädchen im November 2019 mit schweren psychischen Symptomen in die Psychiatrische Uniklinik eingeliefert werden musste? Dass es eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung erlitt, verbunden mit regelmässigen Sinnestäuschungen, Konzentrations- und Schlafstörungen sowie Albträumen?
Nein, meinte das Bezirksgericht und sprach das Paar vom Vorwurf der schweren Körperverletzung frei. Es sei unklar, ob die Störungen nicht auch mit dem leiblichen Vater zu tun gehabt hätten. Das Obergericht hingegen hatte keine Zweifel, dass die über 100 sexuellen Übergriffe und die mehreren Hundert, teilweise massiven Schläge der Mutter und des Stiefvaters «traurigerweise» zu diesem Störungsbild geführt haben.
25’000 Franken Genugtuung für das Mädchen
Wegen der zusätzlichen Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung erhöhte das Obergericht die Freiheitsstrafe für den Mann auf 50 Monate, für die Frau auf 47 Monate. Der Mann muss nach dem Verbüssen der Strafe die Schweiz für acht Jahre Richtung Türkei verlassen, die Frau ist eingebürgert. Dem Mädchen wurde eine Genugtuung von 25’000 Franken zugesprochen.
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