«Indische Greta»Auf diese 22-Jährige hat es Indien abgesehen
Die Klimaaktivistin Disha Ravi wurde wegen angeblichem Hochverrat überraschend inhaftiert. Viele im Land sind schockiert, zahlreiche Eltern verängstigt.
Disha Ravi ist eine mutige Aktivistin aus dem indischen Bangalore, die sich, wie so viele junge Menschen rund um die Welt, dem Klima- und Umweltschutz verschrieben hat. Wie die 22-Jährige nun allerdings damit fertig werden soll, dass der Staat sie überraschend in Haft genommen hat und Vorwürfe von grösstem Kaliber gegen sie in Stellung bringt, wissen auch ihre Mitstreiterinnen nicht.
Indische Reporter berichten, sie sei im Gericht zusammengebrochen, als sie erfuhr, was ihr zur Last gelegt wird. Dem Richter versicherte sie noch, sie habe doch nur zwei Zeilen eines Dokuments redigiert.
Sie tauschte sich mit Greta Thunberg aus
Ravi soll Hochverrat begangen haben, der Polizeichef in Delhi sprach davon, dass sie einen Aufruf gestartet habe, «Krieg gegen Indien zu führen». Und das alles wegen eines sogenannten «Toolkits», an dem sie mitgeschrieben haben soll; Kampagnenmaterial, in dem es darum ging, wie man die indischen Bauern unterstützen könne, die seit Monaten gegen die Regierung protestieren.
Über das Dokument hatte sich Ravi mit Greta Thunberg ausgetauscht, die es am 3. Februar über Twitter verbreitete. Kurz danach wurde die ursprüngliche Version, die jetzt zu den Ermittlungen geführt hat, gelöscht. Indiens Medien berichten, Ravi habe noch darum gebeten, das sogenannte Toolkit vorerst nicht zu veröffentlichen, weil sie Repressalien fürchtete. In Umlauf kam es dennoch.
Viele Inder sind schockiert über das Verfahren
Dass sie nun hinter Gittern sitzt, schockiert viele Inder, quer durch alle Generationen. «Das Verrückteste, was ich jemals erlebt habe», sagt eine Studentin in Delhi dazu. Eltern reagieren verängstigt, manche drängen ihre Kinder, möglichst gar nichts mehr online zu posten, was der Regierung missfallen könnte. Aus Sicht liberaler Kräfte ist es genau das, was die Regierung mit der Anzeige gegen Ravi bezweckt.
Der Fall der Klimaaktivistin spaltet Indien, das staatliche Vorgehen provoziert Widerspruch, vielen fällt es schwer zu glauben, dass die junge Frau, die – nach allem, was man weiss – nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, als Kopf einer staatsbedrohenden Verschwörung agieren soll.
Der Ministerpräsident von Delhi nennt die Festnahme einen «beispiellosen Angriff auf die Demokratie».
Die Vorwürfe rücken sie in die Nähe der sogenannten Khalistan-Bewegung, die einen unabhängigen Staat für die Sikhs anstrebt. Weil viele der protestierenden Bauern Sikhs sind, glaubt die Zentralregierung, eine terroristische Gefahr zu erkennen. Der Ministerpräsident von Delhi nennt die Festnahme hingegen einen «beispiellosen Angriff auf die Demokratie».
Kein Fan von Premier Narendra Modi
Mitstreiterinnen beschreiben Ravi, die einen Bachelor in Business Administration erlangt hat, als lustige, lebensfrohe Frau. Sie ist Mitbegründerin von «Fridays for Future» in Indien, hat sich für Aufforstungen starkgemacht, startete Kampagnen gegen Plastikmüll.
Dabei hat Ravi deutlich gemacht, dass sie, anders als ihre Eltern, kein Fan von Premier Narendra Modi ist. Aber immer, so heisst es in ihrem Umfeld, habe sie sich an die Regeln gehalten, etwa, indem sie Demos ordnungsgemäss anmeldete.
«Meine Tochter hat nichts falsch gemacht. Ich will nur, dass sie sicher nach Hause kommt.»
In Haft durfte sie zunächst nicht mal einen Anwalt sprechen, erst drei Tage später machte das Gericht den Weg dafür frei. Inzwischen darf sie auch mit ihrer Familie reden. Die sorgt für selbst gekochtes Essen, warme Kleidung. «Meine Tochter hat nichts falsch gemacht», versichert ihre Mutter. «Ich will nur, dass sie sicher nach Hause kommt.»
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