Mangel in den SpitälernAuf den Intensivstationen werden die Medikamente knapp
Mittel, die Ärzte auf Intensivstationen brauchen, wenn sie Corona-Patienten künstlich beatmen, reichen zum Teil nur noch wenige Tage. Die Behörden versuchen fieberhaft, Nachschub aufzutreiben.
Seit Wochen spekuliert die Öffentlichkeit, ob die Intensivplätze, die Beatmungsgeräte und das Fachpersonal reichen werden, um die Corona-Krise in der Schweiz zu bewältigen. An all diesen Fronten zeichnen sich vorerst keine Mängel ab. Dafür hat sich die Lage in einem ganz anderen Bereich, fast unbemerkt, dramatisch verschärft: Auf den Intensivstationen laufen derzeit die Medikamente aus, die man zum Intubieren der schwerkranken Patienten braucht.
Die Kantonsärzte schlagen Alarm
Rudolf Hauri, Präsident der Schweizer Kantonsärzte, warnt jetzt deutlich vor dem drohenden Engpass. «Wenn die Intensivpflegestationen in den nächsten Wochen wirklich komplett gefüllt werden, auf ein Niveau, das wir im Alltag sonst nicht haben, dann werden diese Substanzen nicht sehr lange reichen», sagt Hauri. Die Kantonsärzte hätten das Bundesamt für Gesundheit in den letzten Tagen auf das Problem aufmerksam gemacht. Lieferengpässe gibt es laut Hauri bei den sogenannten Relaxantien. Sie werden schwerstkranken Covid-19-Patienten verabreicht, bevor sie mit einem Schlauch beatmet werden. Knapp seien derzeit die Wirkstoffe Remifentanil, Midazolam und Propofol. «Wegen der vielen Intubierten brauchen wir davon sehr viel», sagt Hauri.
Er sagt auch, wie lange der Bestand hält: «Vielleicht zwei Wochen.» Wenn es eine Abflachung bei den schweren Fällen gebe, etwas länger.
Behörden suchen fieberhaft nach Lösung
In manchen Kantonen ist der Mangel heute schon deutlich spürbar. «Die Vorräte sind bereits jetzt knapp», sagt Anita Kuoni, Sprecherin des Kantonsspitals Baselland. «Klar ausgedrückt, der Bedarf ist teilweise nur für wenige Tage gesichert.» In Baselland rechnen sie derzeit aber immer noch mit einer Zunahme der Intensivpatienten. Dann werde sich die Situation rasch verschärfen, sagt Kuoni. «Bei Midazolam besteht ein schweizweites Versorgungsproblem.» Man habe zwar eine Charge erhalten, doch die halte nicht sehr lang.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bestätigt auf Anfrage, dass es versucht die Engpässe in den Schweizer Spitälern auszugleichen. «Der Bund weiss um die Situation und nimmt sie sehr ernst. Die Lage ist angespannt», sagt BAG-Sprecherin Katrin Holenstein. Man arbeite mit Hochdruck und national vernetzt an Lösungen. «Der Bund nutzt alle Kanäle, um die nötigen Produkte zu beschaffen», sagt sie.
Das Hauptproblem beim Nachschub liegt daran, dass die meisten Medikamente – auch die Grundsubstanzen – im Ausland produziert werden. Auch das Medikament Dormicum, das derzeit überall knapp wird. Der Basler Pharmariese Roche hat es letztes Jahr nach Deutschland verkauft. «Wir sind auf intakte Lieferketten aus dem Ausland angewiesen», sagt André Haas, Sprecher des Kantonsspitals Winterthur. Man fürchtet dort je nach Bedarf in nächster Zeit Engpässe.
«Wir müssen eine Lösung finden, um die Mittel irgendwo aufzutreiben.»
Die Internationalen Pharmafirmen in der Schweiz kennen das Problem. Novartis hat ebenfalls zwei Produkte, die auf Intensivstationen zur Anwendung kommen, die bereits knapp werden. «Wir unternehmen grösste Anstrengungen, um Lieferungen von Arzneimitteln in den Schweizer Markt – gerade in dieser aussergewöhnlichen Situation – sicherzustellen», sagt Novartis auf Anfrage.
Viel Zeit bleibt nicht, um Nachschub zu besorgen. «Wir realisieren nun, dass wir da nicht unendliche Reserven haben. Wir müssen eine Lösung finden, um die Mittel irgendwo aufzutreiben», sagt der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri.
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