Free-Iran-Demo in Zürich«Auch wir haben die ‹göttliche Ordnung› erst spät überwunden»
Hunderte haben in Zürich für einen Regimewechsel im Iran und für Sanktionen der Schweiz demonstriert. Unter den Rednerinnen: FDP-Nationalrätin Doris Fiala.
Gut 2000 Menschen haben sich am Samstagnachmittag auf dem Zürcher Helvetiaplatz versammelt, um gegen die iranischen Mullahs zu protestieren. Sie gedachten der seit Mitte September 2022 während der Proteste gegen das Regime getöteten Frauen und Männer und ermutigten die Protestierenden im Iran, weiter Widerstand zu leisten. Kritik gab es am Kurs der offiziellen Schweiz. Dieser wurde aber auch verteidigt.
Die Demonstrierenden skandierten Parolen wie «Frau – Leben – Freiheit» und «Mullah muss weg». Dann zogen sie vom Helvetiaplatz zum Bürkliplatz. Zu den Rednerinnen in der Stadthausanlage gehörten unter anderen Alexandra Karle, Geschäftsleiterin der Schweizer Sektion von Amnesty International, und die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala.
Dutzende Kinder getötet
Fiala hielt fest, dass die Schweiz, welche im Iran aufgrund ihrer Vermittlerrolle zwischen den USA und den iranischen Machthabern eine besondere Rolle hat, nicht untätig sei. «Die Glaubwürdigkeit der Schweiz könnte auf dem Spiel stehen», warnte sie und zog einen anderen Bogen zur Schweiz: «Auch in der Schweiz haben wir die ‹göttliche Ordnung› erst spät überwunden», sagte sie in Anspielung auf einen Spielfilm, in dem die Rolle der Frauen und ihr Kampf für Gleichberechtigung in den 1970er-Jahren thematisiert wird.

«Auch heute haben uns Nachrichten von Exekutionen im Iran erreicht», sagte Fiala und erinnerte daran, dass seit den Protesten nach dem Tod der iranischen Kurdin Zhina Amini am 16. September bereits mehr als 500 Menschen von den Behörden getötet wurden – «unter ihnen auch 70 Kinder». Ziel müsse das Ende des Regimes sein, sagte die Politikerin, welche dafür Jubel der nach drei Stunden auf wenige Hundert Zuhörerinnen und Zuhörer geschrumpften Menge erntete.
Kritik am Bundesrat
Zur Kundgebung aufgerufen hatte die Organisation Free Iran Switzerland. Die Organisatoren sind nicht einverstanden mit der Position von Nationalrätin Fiala bezüglich der Rolle der Schweiz und bekräftigten ihre Forderung nach einem Kurswechsel in der Iran-Politik. Namentlich verlangten sie vom Bundesrat die Übernahme der EU-Sanktionen gegen die Regierung in Teheran. Die Revolutionsgarde und Basij-Milizen sollen zudem als Terrororganisationen eingestuft werden.
Bereits im November hatte die Organisation zwei Petitionen mit über 25'000 Unterschriften mit demselben Anliegen eingereicht. Der Bundesrat lehnt Sanktionen gegen den Iran im Zusammenhang mit den Protesten bislang ab. Er begründet dies insbesondere mit dem Schutzmachtmandat der Schweiz: Seit 1980 vertritt die Schweiz die Interessen der USA im Iran und jene der Islamischen Republik in den Vereinigten Staaten. Die beiden Länder unterhalten seit der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran keine diplomatischen Beziehungen mehr.
Hunderte Todesopfer im Iran
Auslöser der Proteste im Iran war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini am 16. September. Die iranische Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie die Vorschriften für das Tragen eines Kopftuches nicht eingehalten haben soll. Die junge Frau starb in Polizeigewahrsam – nach Angaben der Opposition war sie zuvor misshandelt worden.
Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bislang mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige. Mehr als 19'000 Demonstranten seien verhaftet worden.
Zwei Exekutionen am Samstag
Am Samstag teilten die iranischen Behörden mit, in den frühen Morgenstunden seien zwei weitere Demonstranten hingerichtet worden. Die Männer waren nach Darstellung der Justiz für den Tod eines Sicherheitsbeamten verantwortlich. Damit stieg die Zahl der hingerichteten Demonstranten im Zuge der mehr als dreimonatigen systemkritischen Proteste auf vier.
SDA/pu
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