Studie zu Öko-RessourcenAuch die Rohstoffe der Zukunft werden knapp
Batterien statt Benzin, Wasserstoff statt Erdgas: Weil sich Staaten und Firmen umstellen, wächst die Nachfrage enorm. Das könnte den grünen Wandel bremsen.
Wenn Europa im Jahr 2050 ein klimaneutraler Kontinent sein will, dann wird die Wirtschaft andere Rohstoffe benötigen: Die meisten Autos dürften mit Batterieantrieb fahren statt mit Benzin oder Diesel. Plastikhersteller müssen mehr recyceln, statt immer neues Erdöl zu verarbeiten. Und Stahlwerke wollen Wasserstoff statt Kokskohle verbrennen.
«Das Rennen um die Nachhaltigkeit hat begonnen», schreibt die Beratungsfirma Boston Consulting Group: Immer mehr Regierungen und Investoren stehen klimaschädlichem Wirtschaften im Weg, viele Firmen müssen sich verändern.
«Uns erwartet ein Zeitalter der Nachhaltigkeitsknappheit.»
Und doch bremsen die Autoren nun die Erwartungen. Denn der Bedarf an nachhaltigen Ressourcen werde in vielen Bereichen wahrscheinlich schneller wachsen als das Angebot, warnen die Unternehmensberater. «Uns erwartet ein Zeitalter der Nachhaltigkeitsknappheit.»
Schon heute sei manch drohende Knappheit erkennbar. Es ist wie eine Mahnung an Firmen und den Staat: Wer nicht vorsorgt, dem könnten zunächst die Rohstoffe für den Wandel fehlen.
Zu wenig nachhaltige Baumwolle
Beispielsweise haben mehrere grosse Modehersteller angekündigt, dass sie bis 2025 nur noch nachhaltig angebaute Baumwolle verarbeiten wollen. Doch die Boston Consulting Group hat da Bedenken: Zuletzt sei nur ein Fünftel der Baumwolle weltweit nachhaltig erzeugt worden.
Das Angebot werde «voraussichtlich nicht schnell genug wachsen, um die Nachfrage zu befriedigen», prognostiziert das Beratungsunternehmen. So koste es Landwirten zunächst viel Geld, auf nachhaltigen Anbau umzusatteln.
Recycelter Plastik fehlt
Ein ähnliches Bild bei recyceltem Kunststoff: Viele Konsumgüter-Hersteller wollen mehr wiederverwerteten Plastik in ihren Verpackungen verwenden. Doch zumindest bis 2025 dürfte die Nachfrage nach recyceltem PET das Angebot deutlich übersteigen, heisst es von der Boston Consulting Group.
Immerhin: Konzerne wie Nestlé oder Unilever haben über Fonds schon mehrere Millionen an Wagniskapital zur Verfügung gestellt, damit weltweit mehr Recycling-Systeme entstehen und das Angebot steigen kann.
Lithium für Autobatterien wird knapp
Was den Wandel der Autoindustrie betrifft, verweisen die Autoren auf Forscher der US-Firma Cairn Energy Research. Demnach dürften Batteriehersteller im Jahr 2030 dreimal soviel Lithium oder Nickel, Kobalt oder Mangan benötigen, wie von diesen Ressourcen derzeit verfügbar sei. «Dies stellt ein erhebliches Risiko für Unternehmen dar, die Elektrofahrzeuge und Energiespeichersysteme herstellen», warnt die Beratungsfirma.
Freilich seien Unternehmen solch drohenden Knappheiten nicht schutzlos ausgeliefert – im Gegenteil: Man könne sie auch in einen Wettbewerbsvorteil verwandeln, schreibt die Boston Consulting Group.
Beispielsweise haben Autohersteller wie VW oder Tesla langfristige Verträge mit Rohstofffirmen geschlossen, um sich ausreichende Mengen der entscheidenden Metalle zu sichern. «Um mit Nachhaltigkeit zu profitieren, muss ein Unternehmen schnell handeln», folgern die Autoren.
Die Welt braucht 100- bis 200-mal mehr Wasserstoff
Das gilt auch für Wasserstoff, der – mit viel Ökostrom gewonnen – künftig Flugzeuge und Schiffe antreiben, Chemiefabriken und Stahlwerke versorgen könnte, sodass diese Wirtschaftszweige endlich Alternativen zu fossilen Ressourcen hätten.
Die Boston Consulting Group prognostiziert, dass die Welt in den nächsten Jahrzehnten 100- bis 200-mal so viel «grünen» Wasserstoff herstellen müsste wie heute. Doch noch seien Kapazitäten begrenzt, die nötigen Elektrolyse-Anlagen zu bauen. Und es braucht nun mal sehr viel Ökostrom, um Wasserstoff klimaneutral zu erzeugen.
Allerdings lässt sich festhalten, dass in Europas Industrie erste Anlagen und Zwischenschritte entstehen. Beispielsweise hat der Ölkonzern Shell kürzlich einen Wasserstoff-Elektrolyseur in Deutschlands grösster Raffinerie in Betrieb genommen. Und Stahlhersteller wie Thyssenkrupp planen neue Anlagen, die Eisenerz in einem ersten Schritt mit Erdgas statt mit Kohle weiterverarbeiten; das spart schon mal einen Teil der CO₂-Emissionen ein.
Selbst CO₂-Zertifikate werden knapp
Doch was können Unternehmen machen, deren CO₂-Ausstoss sich nicht schnell senken lässt – beispielsweise, weil die nötigen Technologien dafür noch fehlen? Mehr und mehr Firmen kaufen Zertifikate, die garantieren sollen, dass die emittierte Tonne Treibhausgas an anderer Stelle ausgeglichen wird – etwa durch internationale Aufforstungsprojekte.
Die Boston Consulting Group prognostiziert nun, dass selbst solche sogenannten Carbon Credits in den nächsten zehn Jahren knapp sein dürften. So gross ist offenbar der Druck zur Veränderung.
Fehler gefunden?Jetzt melden.